Recht und Steuern

A4a Nr.45

A4a Nr.45
Art. 4 Abs. 1, Art. 5e, Art. 6, 7 UN-Übereinkommen vom 10.6.1958 (UNÜ); §§ 1061, 1063, 1064 ZPO Vollstreckung ausländischen Schiedsspruchs: Beglaubigte Abschrift ausreichend, Vorlage der Schiedsklausel nicht erforderlich. Keine Vollstreckung nach Aufhebung des Schiedsspruchs durch zuständiges ausländisches Gericht
(I.) Nach § 1061 Abs. 1 ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs nach dem UN-Übereinkommen vom 10.6.1958 (UNÜ). Nach Art. 4 Abs. 1 a UNÜ genügt es, wenn der Antragsteller eine gehörig beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs vorlegt. Normalerweise müssen die Unterschriften aller Schiedsrichter beglaubigt sein. Die Recht­sprechung nimmt aber aus Billigkeitsgründen Rücksicht auf die Schwierig­keiten, die sich aus diesem Erfordernis ergeben können. Ist es danach dem Antragsteller unzumutbar, sämtliche Schiedsrichter zu veranlassen, sich zum nächst gelegenen Konsulat des Vollstreckungsstaates zu begeben, so reicht es aus, wenn die Unterschrift eines kraft seiner beruflichen Stellung ver­trauens­würdigen Mittelsmannes, insbesondere eines Notars, unter einem Schriftstück beglaubigt wird, das seinerseits die Echtheit der Unterschrift der Schiedsrichter bestätigt.
Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn ein Notar bestätigt, dass die Abschrift mit der Urschrift vollständig übereinstimmt und dass die Urschrift keine Radierungen, Einfügungen, Ausstreichungen, sonstige unbestätigte Korrekturen sowie keine Besonderheiten aufweist.
(II.) Nach Art. 4 Abs. 1 b UNÜ müsste außer dem Schiedsspruch auch die Schieds­vereinbarung in Urschrift oder beglaubigter Abschrift vorgelegt werden. Nach Art. 7 Abs. 1 nehmen die Bestimmungen dieses Übereinkommens aber keiner beteiligten Partei das Recht, sich auf einen Schiedsspruch nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts des Landes, in dem er geltend gemacht wird, zu berufen. Nach dieser „Meist­begün­stigungs­klausel” ist § 1064 Abs. 1 ZPO wieder anwendbar. Danach ist mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung der Schiedsspruch oder eine beglaubigte Abschrift des Schieds­spruchs, aber nicht die Schiedsvereinbarung vorzulegen.
(III.) Ein ausländischer Schiedsspruch darf gemäß Art. 5 Abs. 1 e UNÜ nicht vollstreckbar erklärt werden, wenn er vom zuständigen Gericht des Ursprungs­staates aufgehoben worden ist. Dies gilt auch, wenn das Aufhebungs­urteil noch nicht rechtskräftig ist. Eine vorläufige Maßnahme zur Sicherung der Vollstreckung gemäß § 1063 ZPO ist aufzuheben.
OLG Rostock Beschluss vom 28.10.1999 – 1 Sch 3/99; Hamburger Seerechts-Report 1999 S. 199 = RKS A 4 a Nr. 45
Aus den Gründen:
(I.) Die nach § 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. dem UN-Übereinkommen vom 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) erforderlichen Voraussetzungen sind erfüllt. Insbesondere hat der Antragsteller den Anforderungen des Art. 4 Abs. 1 a des Übereinkommens entsprochen. Er hat eine von einem Hamburger Notar beglaubigte Kopie des Schiedsspruchs der „Schiedskommission für Schiff­fahrts­fragen bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation” in Moskau einschließlich Übersetzungen und Apostille vorgelegt. Zum Beweis der Authentizität des Schieds­spruchs bedarf es nicht der Vorlage einer legalisierten Urschrift. Alternativ genügt auch eine beglaubigte Abschrift. Normalerweise müssen die Unterschriften aller Schiedsrichter beglaubigt sein. Die Rechtsprechung nimmt aber aus Billigkeitsgründen Rücksicht auf die Schwierigkeiten, die sich aus diesem Erfordernis ergeben könnten, und begnügt sich mit einer beglaubigten Abschrift des Schiedsspruches. Ist es dem Antragsteller danach unzumutbar, sämtliche Schiedsrichter zu veranlassen, sich zum nächst gelegenen Konsulat des Voll­streckungs­staates zu begeben, dann reicht es aus, wenn die Unterschrift eines kraft seiner beruflichen Stellung vertrauenswürdigen Mittels­mannes unter ein Schriftstück beglaubigt wird, das seinerseits die Echtheit der Unterschrift des Schiedsrichters bestätigt. Vorliegend hat ein russischer Notar aus St. Petersburg die vollständige Übereinstimmung der Abschrift mit der Urschrift bestätigt. Letztere weist lt. Feststellungen des Notars keine Radierungen, Einfügungen, Aus­streichungen oder sonstige unbestätigte Korrekturen sowie keine Besonderheiten auf. Die Übereinstimmung zwischen der Ablichtung und der Urschrift hat der deutsche Notar bestätigt.
(II.) Zwar hat der Antragsteller nicht die gemäß Art. 4 Abs. 1 b UNÜ erforderliche Urschrift der Schiedsvereinbarung oder eine beglaubigte Abschrift vorgelegt. Hierauf kann indes verzichtet werden. Grundsätzlich gehen der innerstaatlichen Regelung des § 1064 Abs. 1 ZPO, wonach die Vorlage der Schiedsklausel entbehrlich ist, gemäß Abs. 3 anderweitige Staatsverträge vor. Ein solcher ist das UN-Übereinkommen. Jedoch ist insoweit die Meistbegünstigungsklausel des Art. 7 Abs. 1 zu beachten: Danach ist für die Anerkennung von Schiedssprüchen zum Zweck der Vollstreckung die jeweils günstigere Norm maßgebend. Daher ist § 1064 Abs. 1 ZPO wieder anwendbar, wonach es einer Vorlage der Schiedsklausel für die Zulässigkeit des Antrags nicht bedarf.
(III.) Die Anerkennung des Schiedsspruchs muss aber auf Grund Art. 5 Abs. 1 e UNÜ versagt werden. Eine Vollstreckbarerklärung setzt zunächst voraus, dass der ausländische Schiedsspruch nach dem für ihn maßgeblichen Recht verbindlich geworden ist, dass er also nach dem ausländischen Recht keinem schiedsvertraglichen oder gesetzlichen Rechtsmittel oder -behelf an einem Schiedsober- oder Staatsgericht mehr unterliegt. Dies hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen. Nicht mehr verbindlich ist der Schiedsspruch, wenn er von dem zuständigen Staatsgericht oder Ober­schieds­gericht aufgehoben worden ist, wenn auch nur durch eine vorläufig vollstreckbare Entscheidung. Diese ist anzuerkennen ohne Rücksicht darauf, ob sie nach den Maßstäben für die Anerkennung ausländischer Urteile im übrigen anzu­er­kennen wäre. Der Schiedsspruch ist vom Moskauer Städtischen Gericht und sodann vom Obersten Gericht Moskaus aufgehoben worden, also nicht mehr verbindlich und kann im Inland nicht mehr anerkannt werden.
Zwar sind die Entscheidungen dieser Gerichte nach russischem Recht weiter anfechtbar. Darauf kommt es aber nach Art. 5 Abs. 1 e zweite Alternative („...oder in seinen Wirkungen einstweilen gehemmt worden ist”) nicht an. Auch der „Protest” des stell­ver­tre­tenden Vorsitzenden des Obersten Gerichts der Russischen Föderation gegen diese Entscheidungen (mit der Begründung, dass die Entscheidungen „ohne Prüfung von juristisch geltenden Umständen” getroffen worden seien) lässt den Schiedsspruch nicht wieder in Verbindlichkeit erwachsen.
Von einer Aussetzung des Verfahrens gemäß Art. 6 des Übereinkommens sah das Gericht ab. Nachdem dem Antragsteller gemäß § 1063 ZPO die Zwangsvollstreckung aus dem Schiedsspruch gestattet worden war, war dem Antragsgegner bei Abwägung der beiderseitigen Interessen die weitere Duldung der Pfändung seines in Stralsund liegenden Schiffes nicht zuzumuten; durch die weitere Liegezeit würden ihm erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstehen, und das Gericht hatte keine Erkenntnisse über Dauer und Aussichten der Rechtsmittel.