Rechtsanwaltschaft

Rechtsanwälte sind Berater, Vertreter und Helfer in allen Rechtsangelegenheiten. Sie haben von allen rechtsberatenden Berufen die umfassendste Vertretungsbefugnis. Die folgende Übersicht zeigt die rechtlichen Grundlagen, Aufgaben und Pflichten.

1. Allgemeines

Nach § 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sind Rechtsanwälte ein unabhängiges Organ der Rechtspflege.
Sie üben einen freien, nicht gewerblichen Beruf aus und unterliegen der Standes­aufsicht durch die zuständige Rechtsanwaltskammer. Eine Dienstaufsicht durch die Justizbehörden besteht nicht.
Das berufliche Handeln des Anwalts wird nur durch die Interessen ihrer Mandanten und der Berufsordnung bestimmt.
Zu den wichtigsten gesetzlichen Regelungen zählen:

2. Ausbildung und Zulassung zum Rechtsanwalt

Die Ausbildung zum Rechtsanwalt gliedert sich in ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Hochschule, das mit dem 1. Staatsexamen vor einem Landesjustizprüfungsamt abgeschlossen wird. Anschließend folgt ein 2-jähriger praktischer Vorbe­rei­tungs­dienst (Referendariat), an dessen Ende die praktische und theoretische Prüfung zum 2. Staatsexamen steht. Da sich die Ausbildung insofern nicht von der der Richter oder Staatsanwälte unterscheidet, haben alle Rechtsanwälte nach erfolgreich absolviertem 2. Staatsexamen die Befähigung zum Richteramt.
Um anschließend als Rechtsanwalt tätig sein zu können, bedarf es in Hamburg der Zulassung und Vereidigung durch die Hanseatische Rechtsanwaltskammer sowie einem Eintrag in die beim Gericht geführte Liste der zugelassenen Rechtsanwälte.
Rechtsanwälten mit nachgewiesenen besonderen theoretischen und praktischen Kennt­nissen in einem bestimmten Rechtsgebiet (Steuer-, Insolvenz-, Arbeits-, Verwaltungs-, Sozial-, Familien-, Strafrecht) können die Rechtsanwaltskammern jeweils die Bezeichnung „Fachanwalt für...” verleihen. Voraussetzung dafür ist eine dreijährige Zulassung und und Tätigkeit innerhalb der letzten sechs Jahre vor der Stellung des Antrages auf Verleihung des Fachanwaltstitels sowie der Nachweis theoretischer Kenntnisse und praktischer Erfahrungen in dem jeweiligen Rechtsgebiet. Die theoretischen Kenntnisse werden über die erfolgreiche Ablegung von Prüfungen und die prakischen Erfahrungen über den Nachweis bearbeiteter Fälle nachgewiesen. Der Inhalt der Prüfungen und die Zahl der bearbeiteten Fälle unterscheidet sich je nach Rechtsgebiet. Darüber hinaus dürfen Rechtsanwälte Interessen- und/oder Tätig­keits­schwerpunkte benennen.
Es ist auch möglich, Gesellschaften mit beschränkter Haftung deren Unternehmensgegenstand die Beratung und Vertretung in Rechts­angelegenheiten ist, als Rechtsanwalts­gesellschaften zuzulassen. Gesellschafter können neben Rechtsanwälten, Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer und der Patentanwaltskammer auch Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und Buchprüfer sein.
Ein bei einem Landgericht zugelassener Anwalt kann vor allen Amts-, Land- und Oberlandesgerichten in der Bundesrepublik auftreten. Lediglich vor dem Bundesgerichtshof ist eine spezielle Zulassung erforderlich.
Ein Rechtsanwalt muss grundsätzlich im Bezirk der Rechtsanwaltskammer, bei der er zugelassen ist eine Kanzlei einrichten (Kanzleipflicht).
Im Rahmen des Europäischen Binnenmarktes dürfen deutsche Anwälte auch in anderen EU-Mitgliedstaaten Kanzleien einrichten und unterhalten. Im Umkehrschluss ist es auch Anwälten dieser Staaten erlaubt, sich unter der Berufsbezeichnung ihres Herkunftslandes in Deutschland niederzulassen und hier auf dem Gebiet des ausländischen und internationalen Rechts tätig zu werden. Für sie besteht auch die Möglichkeit, nach Ablegung einer besonderen Prüfung sich als „Rechtsanwalt” niederzulassen. Sie besitzen dann die gleichen Rechte und Pflichten wie deutsche Rechtsanwälte. Darüber hinaus ist es Anwälten aus EU-Mitgliedstaaten möglich, für einzelne Geschäfte im Rahmen der Europäischen Union unter bestimmten Voraussetzungen grenzüberschreitend tätig zu werden.

3. Aufgaben der Rechtsanwälte

Die zugelassenen Rechtsanwälte sind zur umfassenden Beratung sowie zur gericht­lichen und außergerichtlichen Vertretung in allen Rechtsangelegenheiten berufen. Jeder Bürger ist berechtigt, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt beraten und gegenüber Vertrags- und Verhandlungspartnern sowie vor Gericht, Behörden oder Schiedsgerichten vertreten zu lassen.
In bestimmten Prozessen ist der Bürger nicht nur berechtigt, sondern sogar gesetzlich verpflichtet, sich durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Dieser sog. „Anwaltszwang” wird in den Prozessordnungen geregelt. Er besteht beispielsweise
  • gemäß § 78 Zivilprozessordnung (ZPO) für zivilrechtliche Streitigkeiten vor Landgerichten, Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof. Darüber hinaus in Familiensachen vor den Amtsgerichten (Ehescheidung und Folgesachen wie Unterhalt und Sorgerecht für die Kinder)
  • gemäß § 140 Strafprozessordnung (StPO) für Fälle der notwendigen Verteidigung (z.B. die zur Last gelegte Tat ist mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr bedroht oder das Verfahren könnte zu einem Berufsverbot des Beschuldigten führen).
Auch zur Vermeidung von rechtlichen Problemen und Auseinandersetzungen im Vorfeld, beispielsweise bei der Vertragsgestaltung, ist es oftmals sehr sinnvoll, einen Anwalt zu konsultieren. Der Bereich der außergerichtlichen anwaltlichen Tätigkeit bildet mit etwa 70% daher auch eindeutig den Schwerpunkt.
Jeder kann den Rechtsanwalt seines Vertrauens frei auswählen. Hierbei können die örtlichen Rechtsanwaltskammern behilflich sein. Ferner stehen im Internet für die Suche nach in- und ausländischen Anwälten umfangreiche Datenbanken zur Verfügung:
Der Rechtsanwalt sollte stets darum bemüht sein, den Streitfall seines Mandanten so kostengünstig wie möglich zu lösen. So kann es vorteilhaft sein, eine Meinungsverschiedenheit im Rahmen eines alternativen Streitbeilegungsverfahrens, beispielsweise der Mediation, zu klären.
Mediation ist ein Verfahren zur freiwilligen, außergerichtlichen Streitbeilegung, bei dem die Parteien mit Hilfe der Moderation eines neutralen Dritten, des Mediators, eine eigenverantwortliche Problemlösung erarbeiten. Der Mediator hat dabei, anders als ein Schiedsrichter, keine Entscheidungs- oder Zwangsgewalt. Für die Wirtschaft bietet dieses Verfahren eine Alternative zum Schiedsgericht oder zur ordentlichen Gerichtsbarkeit. Sollte die Mediation zu keiner Einigung führen, kann ein gerichtliches oder schiedsgerichtliches Verfahren trotzdem noch nachgeschaltet werden.
Eine Mediation kann auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten eine attraktive Möglichkeit sein, einen Streit zwischen Unternehmen zu lösen. Weitere Informationen dazu finden Sie unter http://www.gotomediation.eu .
Vorzüge des Mediationsverfahrens:
  • wirtschaftliche Lösungen, bei denen beide Seiten gewinnen können
  • Größerer Spielraum, da keine Bindung an formale Prozessanträge
  • Zukunftsgerichtete Lösungen statt reiner Vergangenheitsbewältigung
  • Gesichtsverluste können vermieden, wertvolle Geschäftsbeziehungen können weniger belastet weitergeführt werden
  • Volle Verfahrens- und Kostenkontrolle; das Verfahren kann von jeder Partei jederzeit beendet werden, der Mediator rechnet auf Zeitbasis ab
  • Schnelle und damit kostengünstige Lösungen, da kein formalisiertes Verfahren
  • Höchstmaß an Vertraulichkeit, da kein öffentliches Verfahren
  • Vielseitige Anwendbarkeit, auch auf Konflikte innerhalb eines Unternehmens, beispielsweise zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat
  • Sofortiger Beginn möglich
Weitere Informationen und Kontakte:

4. Pflichten der Rechtsanwälte

Mit der Zulassung werden für Rechtsanwälte auch eine Reihe von Pflichten begründet (§§ 43 ff. BRAO). Dazu zählen u.a.:
  • Gewissenhafte Berufsausübung
  • Verschwiegenheit
  • Übernahme der Beratung oder Prozessvertretung nach den Beratungshilfe- oder Prozesskostenhilfegesetzen
  • Mandatsübernahme bei Bestellung zum Pflichtverteidiger
  • Ablehnung eines Mandats, falls Berufspflichten verletzt würden (z.B. Beratung von Prozessgegnern des eigenen Mandanten, sog. Parteienverrat)
Darüber hinaus sind in der Berufsordnung der Rechtsanwälte weitere standesrechtliche Pflichten festgelegt.
Die Berufsaufsicht nimmt die zuständige Rechtsanwaltskammer wahr. Sie überprüft, ob die Rechtsanwälte bei ihrer Arbeit die speziellen Regeln des anwaltlichen Berufsrechts (Bundesrechtsanwaltsordnung sowie Berufsordnung für Rechtsanwälte) einhalten.
Die Rechtsanwaltskammer erteilt auf Anfrage auch Auskünfte und überprüft eingehende Beschwerden. Auf Antrag hat sie bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern der Kammer und deren Mandanten zu vermitteln.
In der Bundesrechtsanwaltsordnung ist festgelegt, welche Maßnahmen (durch den Vorstand der Rechtsanwaltskammer oder die Anwaltsgerichtsbarkeit) bei standeswidrigem Verhalten gegen Rechtsanwälte verhängt werden können. Diese reichen von einer Rüge über Geldbußen bis zum Ausschluss aus der Anwaltschaft.

5. Vertragsverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Zwischen Rechtsanwalt und Mandant besteht ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis in Form einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung. In der Regel handelt es sich um einen Dienstvertrag, soweit kein konkretes Ergebnis, also ein Werk (wie z.B. ein juristisches Gutachten), geschuldet ist.
Der Mandant erteilt dem Anwalt eine Vollmacht, die im Regelfall auch das Recht zur Prozess­vertretung und zu Maßnahmen der Zwangsvollstreckung umfasst. Der Rechtsanwalt ist berechtigt, von seinem Auftraggeber für die entstandenen und die voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen einen angemessenen Vorschuss zu fordern.

6. Gebührenrechnung

Der Rechtsanwalt erhebt sein Honorar unabhängig vom Erfolg der Rechtssache. Bemessungsgrundlage ist das Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG).
Das RVG unterscheidet zwischen Wertgebühren und Rahmengebühren. Wertgebühren werden nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert). Sie fallen meist für gerichtliche Tätigkeiten im Zivil- und Arbeitsrecht an. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Sie sieht das Gesetz im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanzgerichtsbarkeit und der Sozialgerichtsbarkeit vor.
Die Höhe der Gebühren berechnet sich grundsätzlich aus zwei Faktoren, nämlich dem Gegen­stands­wert und dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. Der Gegenstandswert richtet sich nach dem objektiven Geldwert oder wirtschaftlichen Interesse, das der Mandant an dem Rechtsstreit hat. Bei einer Zahlungsklage ist dies einfach. Klagt man 1.200 € ein, so ist dies der Gegenstandswert. Bei nicht vermögens­recht­lichen Angelegenheiten (z.B. Baugenehmigung, Kündigung, Gewerbeerlaubnis) ist der Gegen­stands­wert teils den besonderen gesetzlichen Vorschriften, teils der umfang­reichen Recht­sprechung zu entnehmen. Im gerichtlichen Verfahren wird er vom Gericht festgesetzt.
Darüber hinaus gibt es viele Details und abweichende Sonderregeln des RVG, die hier in Kürze nicht behandelt werden können. Deshalb ist es wichtig, den Anwalt gleich im ersten Gespräch auf die Kosten­frage und die potenziellen Kosten­risiken anzu­sprechen. Er kann für einen speziellen Fall eine präzisere Einschätzung geben, als dies hier möglich ist.
Einen Gebührenrechner zum RVG bietet beispielsweise die Internet-Seite http://anwaltverein.de/leistungen/prozesskostenrechner .
In vielen Fällen ist es möglich und sinnvoll, Honorarvereinbarungen zu treffen. Diese dürfen von den gesetzlichen Gebühren abweichen.
Die verkehrsüblichen Stundensätze variieren dabei etwa zwischen € 150,- und € 600,-, je nach Aufwand für den Rechtsanwalt. Eine solche Vereinbarung muss schriftlich niedergelegt werden.
Sog. „Quota-litis-Vereinbarungen”, das heisst eine vor Abschluss der Rechtssache geschlossene Vereinbarung, die das an den Anwalt zu zahlende Honorar ausschließlich von dem Ergebnis abhängig macht und in der sich der Mandant verpflichtet, dem Anwalt einen Teil des Ergebnisses zu zahlen, sind grundsätzlich unzulässig. Ein Erfolgshonorar darf jedoch im Einzelfall vereinbart werden, wenn der Mandant aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Ein solcher Fall kann etwa vorliegen, wenn ein Unternehmer vor der Frage steht, eine hohe Vergütungsforderung geltend zu machen, obwohl die Gegenseite Gewährleistungsrechte geltend macht und das Prozessrisiko erheblich ist.

7. Öffentliche Rechtsauskunft und Vergleichsstelle Hamburg

Wer ein sehr niedriges Einkommen hat und in Hamburg wohnt, arbeitet oder einer Ausbildung nachgeht, kann sich gegen eine geringe Gebühr – ggfs. sogar kostenlos – auch in der Öffentlichen Rechtsauskunft und Vergleichsstelle (ÖRA) auf allen Rechts­gebieten beraten lassen. Die ÖRA ist eine in ihrer Art einmalige Einrichtung im Bundes­gebiet. Soweit erforderlich erteilt die ÖRA nicht nur Auskünfte sondern leistet auch praktische Hilfe. Durch Kontaktaufnahme zur Gegenseite bemüht sie sich um eine gütliche Regelung. Wo nötig, entwirft sie für die Ratsuchenden Schreiben - auch an Behörden und Gerichte. Eine anwaltliche Vertretung durch die ÖRA vor Gericht ist jedoch nicht möglich. Die ÖRA-Beraterinnen und Berater sind ehrenamtlich tätig. Sie haben eine juristische Ausbildung und verfügen über spezifische Erfahrungen im jeweiligen Rechtsgebiet. Im Hauptberuf sind sie vorrangig Richterinnen und Richter sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.

8. Syndikusrechtsanwälte

Von den Rechtsanwälten sind die Syndikusrechtsanwälte zu unterscheiden. Diese arbeiten in festen Anstellungsverhältnissen bei Unternehmen. Dort beraten sie die Geschäftsführung und nehmen alle anderen im Rahmen ihres Anstellungsverhältnisses auf sie übertragenen rechtlichen Aufgaben wahr. Die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts zur Beratung und Vertretung ist dabei auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt.
Eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt bedarf in Hamburg der Zulassung durch die Hanseatische Rechtsanwaltskammer. Voraussetzung für eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt ist, dass das Arbeitsverhältnis durch folgende fachlich unabhängig und eigenverantwortlich auszuübende Tätigkeiten sowie durch folgende Merkmale geprägt ist:
  • die Prüfung von Rechtsfragen, einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts, sowie das Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten,
  • die Erteilung von Rechtsrat,
  • die Ausrichtung der Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insbesondere durch das selbständige Führen von Verhandlungen, oder auf die Verwirklichung von Rechten und
  • die Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten.
Eine fachlich unabhängige Tätigkeit übt nicht aus, wer sich an Weisungen zu halten hat, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen. Die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung des Syndikusrechtsanwalts ist vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten.