Recht

Ablauf eines Gerichtsverfahrens

A. Vor dem Gerichtsverfahren: Alternative Überlegungen

Dieser Artikel soll Ihnen einen Überblick über das Gerichtsverfahren vor den Zivilgerichten verschaffen. Bevor man allerdings ein solches Verfahren einleitet, sollte man überlegen, ob sich der Konflikt nicht auch auf andere Weise lösen lässt. Das kann aus mehreren Gründen vorzugswürdig sein:
  • Ein Zivilprozess verursacht zunächst Kosten: Der Kläger muss grundsätzlich die Gerichtskosten vorschießen; dazu kommen ggf. Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwalts und eigenen Zeitaufwand. Auch wenn die Kosten des Rechtsstreits am Ende des Prozesses die unterliegende Partei tragen muss, spart eine außergerichtliche Beilegung des Streits Geld, das möglicherweise besser in einem Kompromiss angelegt ist.
  • Ein Zivilprozess nimmt viel Zeit in Anspruch, während eine einvernehmliche Lösung beiden Parteien die Möglichkeit gibt, „nach vorne zu schauen“. Während erstinstanzliche Zivilverfahren durchschnittlich etwa ein halbes Jahr in Anspruch nehmen, kann ein Rechtsstreit durch mehrere Instanzen mehrere Jahre dauern.
  • Ein Zivilprozess birgt immer ein Verlustrisiko. Jede Partei muss dem Gericht die ihr günstigen Tatsachen darlegen und gegebenenfalls beweisen. Hier ist insbesondere der Kläger zunächst in einer „Bringschuld“: Kann er das Gericht nicht von seiner Sichtweise überzeugen, verliert er den Prozess und muss hierfür die Kosten tragen.
  • Schließlich ist zu bedenken, dass der Prozess nicht mit dem (rechtskräftigen) Urteil zu Ende ist: Weigert sich der Beklagte auch dann noch, muss der Kläger das Urteil mithilfe staatlicher Institutionen vollstrecken. Ist bei dem Beklagten jedoch „nichts zu holen“, geht der Kläger trotzdem leer aus.
  • Schließlich ist auch zu bedenken, dass Gerichtsverhandlungen grundsätzlich öffentlich sind; eine einvernehmliche Lösung kann beiden Parteien, etwa wenn sie auch eine Verschwiegenheitsverpflichtung beinhaltet, unerwünschte Öffentlichkeit ersparen.
Aus diesen Gesichtspunkten kann es sich anbieten, eine außergerichtliche Klärung des Konflikts zu versuchen. Insofern kann die Inanspruchnahme von Instrumenten der alternativen Streitbeilegung hilfreich sein: Schiedsgerichte, Mediation, Schlichtung.
Weiterführende Informationen zur außergerichtlichen Streitbeilegung haben wir Ihnen in den Artikeln "FaQs der Schiedsgerichtsbarkeit", "Mediation bei Wirtschaftskonflikten" und "Schlichtung von Streitigkeiten unter Kaufleuten" zusammengestellt.
Im Übrigen sollte man grundsätzlich vor einer Klageerhebung den eigenen Anspruch in einem Schreiben an die Gegenseite geltend machen. Klagt man nämlich voreilig und die Gegenseite erkennt den Anspruch dann sofort an, gewinnt man zwar den Prozess, kann aber zur Kostentragung verurteilt werden.

B. Welches Gericht ist für mich zuständig?

Zivilrechtliche Streitigkeiten werden vor den ordentlichen Gerichten – den Amtsgerichten, Landgerichten, Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe – verhandelt. Das sind Streitigkeiten zwischen privaten (also: nicht-staatlichen) Parteien, also zwischen Bürgern, Geschäftsleuten und/oder Gesellschaften des Privatrechts (z. B. Vereinen, BGB-Gesellschaften und GmbHs). Ausgenommen sind arbeitsrechtliche Streitigkeiten, die vor den Arbeitsgerichten ausgetragen werden.                                 
Welches Gericht für eine Streitigkeit zuständig ist, richtet sich zumeist nach dem Streitwert: Bei einem Streitwert bis 5.000 € ist grundsätzlich das Amtsgericht zuständig, darüber das Landgericht. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich grundsätzlich nach dem Wohn- oder Geschäftssitz des Beklagten, wobei jedoch zahlreiche Ausnahmen existieren.
Vor dem Amtsgericht können die Parteien selbst auftreten; vor dem Landgericht besteht hingegen Anwaltszwang – hier muss man also einen Anwalt beauftragen. Zumeist ist es jedoch auch in Verfahren vor dem Amtsgericht ratsam, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen – der Zivilprozess birgt eine Vielzahl von „Fallstricken“, die Nichtjuristen oft nur schwer erkennen können (z. B. die Einhaltung von Formalien und Fristen). Zudem kann sich auch ein vermeintlich einfach gelagerter Fall im Laufe eines Verfahrens schnell verkomplizieren; hier kann ein Anwalt helfen, ein rechtlich zulässiges und zugleich wirtschaftlich zweckmäßiges Vorgehen zu planen.

C. Wie erhebe ich Klage und was geschieht dann?

Um ein Gerichtsverfahren einzuleiten, muss der Kläger eine Klageschrift verfassen und bei Gericht einreichen. Das Gericht stellt daraufhin die Klageschrift dem Gegner zu und fordert ihn innerhalb einer bestimmten Frist zur Stellungnahme auf. Die Sache wird dann entweder direkt in einem Gerichtstermin (dem sogenannten „frühen ersten Termin“) zwischen den Parteien und dem Gericht verhandelt, oder das Gericht ordnet ein schriftliches Vorverfahren an, in dem der Streit zunächst in Schriftsätzen ausgefochten wird.
Hinweis: Je nach Sachlage kann auch die Einleitung eines Mahnverfahrens anstelle einer Klage zweckmäßig sein.
Ist die Sache nach Ansicht des Gerichts hinreichend dargetan, bestimmt es einen Gerichtstermin, in dem der Streit zwischen den Parteien und dem Gericht erörtert wird. Die Gerichtsverhandlungen sind grundsätzlich öffentlich. Auch hier wird grundsätzlich zunächst geklärt, ob der Streit nicht einvernehmlich beigelegt werden kann, indem die Parteien einen Vergleich schließen. Gelingt dies nicht, geht das Gericht sogleich in die „streitige Verhandlung“ über – die Parteien stellen ihre Anträge und schildern den Streit nochmals aus ihrer jeweiligen Sicht; gegebenenfalls werden Beweise erhoben. Ist das Streitverhältnis erschöpfend geklärt, muss das Gericht eine Entscheidung treffen.
Wichtig! Die Gerichtsverhandlungen sind – außer in Familiensachen – grundsätzlich öffentlich.
Konnte sich das Gericht während der Hauptverhandlung ein ausreichendes Bild von dem Rechtsstreit machen, bestimmt es einen Termin zur Urteilsverkündung. Häufig werden durch die Beweisaufnahme aber neue Fragen aufgeworfen, die der Klärung bedürfen, so dass eine weitere schrift­sätzliche Aufarbeitung durch die Parteien und/oder weitere Beweis­aufnahmen erforderlich sind.

D. Wie entscheidet das Gericht?

Im Zivilprozess gilt – anders als etwa im Strafverfahren – der Beibringungsgrundsatz: Das Gericht erforscht den Sachverhalt nicht von sich aus, sondern setzt sich grundsätzlich (nur) mit denjenigen Tatsachen auseinander, die die Parteien ihm vortragen. Daher muss jede Partei darauf achten, dem Gericht alle für sie günstigen Tatsachen mitzuteilen.
Das Gericht prüft in der Sache zunächst, ob die Klage auf der Grundlage des klägerischen Sachvortrags begründet wäre. Hat schon der Kläger nicht schlüssig dargelegt, warum sein Verlangen gerechtfertigt ist, muss sich das Gericht mit dem Vortrag des Beklagten nicht mehr auseinandersetzen: Es weist die Klage als unbegründet ab.
Beispielfall
K hat von B eine Waschmaschine für 300 € gekauft, die seiner Ansicht nach defekt ist. Er verklagt B auf Schadensersatz statt der Leistung und trägt zur Begründung vor, er habe sich wegen des Defekts eine andere Waschmaschine zulegen müssen, die um diesen Betrag teurer gewesen sei. B behauptet, die Waschmaschine sei mangelfrei. ­– Auf der Grundlage dieses (etwas künstlichen) Sachverhalts müsste sich das Gericht mit dem Einwand des B nicht beschäftigen und insbesondere keinen Beweis darüber erheben, ob die Waschmaschine mangelhaft ist oder nicht. Der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung setzt voraus, dass K dem B entweder eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat oder dies ausnahmsweise entbehrlich war; beides hat K nicht einmal behauptet. Die Klage ist daher schon unschlüssig und wäre daher als unbegründet abzuweisen.
Hat der Kläger seinen Anspruch schlüssig dargelegt, prüft das Gericht als nächstes, ob der Beklagte dagegen erhebliche Einwände erhoben hat. Ist dies nicht der Fall, wird es der Klage stattgeben.
Erst dann, wenn der Beklagte gegen den schlüssigen Klägervortrag erhebliche Einwände vorbringt, muss das Gericht klären, welche „Version“ des Sachverhalts nun stimmt. Dazu wird es Beweis erheben; grundsätzlich müssen die Parteien für die von ihnen vorgebrachten Tatsachen Beweis anbieten. Insofern kommen fünf Beweismittel in Betracht: Augenschein, Urkunden, Zeugen, Sachverständige und Parteivernehmung.
Es gilt der Grundsatz, dass jede Partei die ihr günstigen Tatsachen beweisen muss; sie trägt hierfür also grundsätzlich die Beweislast. Gelingt ihr das nicht, weil sie beispielsweise kein Beweismittel anbieten kann oder das Gericht von der Tatsache nach der Beweiserhebung nicht überzeugt, verliert sie den Rechtsstreit. Dies bedeutet, dass sich insbesondere der Kläger vor dem Prozess Gedanken darüber machen muss, ob und ggf. wie er die für ihn günstigen Tatsachen beweisen kann, wenn der Beklagte sie bestreitet.
Hinweis: Auch während eines laufenden Gerichtsverfahrens kann noch ein Vergleich geschlossen werden. Die Richter sind sogar gesetzlich verpflichtet, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte hinzuwirken (§ 278 Abs. 1 ZPO).

E. Urteilsverkündung

Zur Urteilsverkündung brauchen die Parteien und ihre Vertreter nicht zu erscheinen. Die Entscheidung kann am Verkündungstag auch telefonisch bei der Geschäftsstelle des Gerichts erfragt werden; eine schriftliche Ausfertigung erhalten die Parteien vom Gericht zugestellt.

F. Kosten des Rechtsstreits

Die Kosten des Rechtsstreits umfassen einerseits die Gerichtskosten – insbesondere Verfahrensgebühren und Kosten für Zeugen und Sachverständige – und andererseits die außergerichtlichen Kosten der Parteien – insbesondere Rechtsanwaltskosten, Fahrtkosten und Verdienstausfall. Die Gerichtskosten richten sich nach dem Gerichtskostengesetz (GKG), die Anwaltskosten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG); die Höhe richtet sich jeweils nach dem Streit- bzw. Gegenstandswert.
Im Zivilprozess gilt der Grundsatz: „Wer verliert, zahlt.“
Die unterliegende Partei muss daher die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Gegners tragen und erhält selbst keine Kostenerstattung. Für den Kläger ergibt sich hinsichtlich der Gerichtskosten die Besonderheit, dass er diese grundsätzlich am Anfang des Verfahrens vorschießen muss und sie, wenn er gewinnt, vom Beklagten zurückverlangen kann.
Gerichts- und Anwaltskosten - Rechenbeispiel
Nachfolgend finden Sie ein Rechenbeispiel zur Bestimmung der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten in einem einfach gelagerten Verfahren erster Instanz bei einem Streitwert von 2.500 €. Bitte beachten Sie, dass die Kosten des Rechtsstreits von zahlreichen Umständen (Inanspruchnahme außergerichtlicher Beratung, Verlauf des Verfahrens, Erforderlichkeit von Beweisaufnahmen, etc.) abhängen, die hier nicht im Einzelnen dargestellt werden können. Es handelt sich daher nur um eine erste Orientierungshilfe dafür, wie die Kosten prinzipiell zu berechnen sind.
Die Gerichtskosten ergeben sich aus §§ 3 Abs. 2, 34 GKG i.V.m. Anlagen 1 und 2 zum GKG: Bei einem Streitwert von bis zu 3.000 € beträgt eine einfache Gebühr 108 €. Für das Verfahren im Allgemeinen (Gebühr 1210 aus Anlage 1 zum GKG) fällt eine 3,0-fache Gebühr an, also 324 €, die der Kläger nach § 12 Abs. 1 S. 1 GKG grundsätzlich vor Zustellung der Klage bei Gericht einzahlen muss.
Etwas schwieriger sind die Anwaltskosten zu ermitteln. Ist der Gegenstandswert ebenfalls 2.500 €, liegt eine einfache Gebühr gemäß §§ 2, 13 RVG i.V.m. Anlagen 1 und 2 zum RVG bei 201 €. Zunächst fällt eine 1,3-fache Verfahrensgebühr (Gebühr 3100 aus Anlage 1 zum RVG) an, also 261,30 €. Kommt es zu einem oder mehreren Gerichtsterminen, entsteht zudem (einmalig) eine 1,2-fache Terminsgebühr (Gebühr 3104 aus Anlage 1 zum RVG), also 241,20 €. Hinzu tritt beispielhaft eine Auslagenpauschale von 20 Euro (Gebühr 7001, 7002 aus Anlage 1 zum RVG). Diesen Gebühren von insgesamt 522,50 € ist sodann noch die Mehrwertsteuer in Höhe von 19 % hinzuzurechnen (hier 99,28 €). Insgesamt betragen die Anwaltskosten einer Seite damit 621,78 €; ist auch die Gegenseite anwaltlich vertreten, entstehen im Beispiel Anwaltskosten von 1.243,56 €.
Tipp: Auf der Webseite des Deutschen Anwaltsvereins steht ein Prozesskostenrechner für Sie zur Verfügung.

G. Instanzen

Gegen erstinstanzliche Urteile kommt unter bestimmten Voraussetzungen eine Berufung in Betracht; bei Urteilen des Amtsgerichts entscheidet dann das Landgericht, bei Urteilen des Landgerichts das Oberlandesgericht. Noch strengere Anforderungen gelten dann für eine Revision gegen ein Berufungsurteil oder eine Sprungrevision gegen ein erstinstanzliches Urteil, mit dem die Berufungsinstanz „übersprungen“ wird. Für Revisionen ist der Bundesgerichtshof zuständig.

H. Mahnverfahren

Bei Streitigkeiten über Geldforderungen besteht für den Gläubiger statt Klage zu erheben auch die Möglichkeit, zur Durchsetzung seines Zahlungsanspruchs zunächst ein Mahnverfahren durchzuführen.
Dadurch kann er einfach, schnell und kostengünstig einen sog. Mahnbescheid und in der Folge einen Vollstreckungstitel, den sog. Vollstreckungsbescheid, erwirken; mit letzterem kann er gegen den Schuldner im Rahmen der Zwangsvollstreckung vorgehen. Ein langwieriges und teures Gerichtsverfahren kann also vermieden werden.
Dies empfiehlt sich, wenn die Forderung unstreitig ist, also der Schuldner vermutlich nichts gegen den Zahlungsanspruch einwenden wird. Ist der geltend gemachte Anspruch streitig, sind also Einwendungen des Schuldners zu erwarten, ist die Einleitung eines Mahn­verfahrens nicht zu empfehlen. Denn in einem solchen Fall ist mit dem Widerspruch des Schuldners gegen den Mahnbescheid zu rechnen. Der Widerspruch würde, sofern eine Partei ein streitiges Verfahren beantragt hat, zu einer automatischen Weiterleitung des Rechtsstreits an das zuständige Gericht führen. Es käme zu einem Verfahren vor dem Gericht. Ein zunächst eingeleitetes Mahnverfahren würde also eine unnötige Verzögerung des Klageverfahrens darstellen.
Hinweis: Diese Informationen sollen Ihnen nur erste Hinweise geben und erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.