Hamburg und seine Patente
Ursprünglich waren Patente zur Ermunterung und Belohnung des Kunstfleißes gedacht. Heute sind sie eine treibende Kraft der deutschen Wirtschaft. Ideen aus Hamburg gelangen bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts in die ganze Welt.
Ohne schmieren geht nichts vorwärts. Maschinen brauchen ständig Nachschub, ob im Bergwerk, in der Lokomotive oder auf dem Schiff. Im 19. Jahrhundert hielten Arbeiter mit einer Ölspritze die Schiffsdampfmaschine am Laufen. Dabei umfasste eine Hand die Spritze, während die andere einen Kolben vorwärts schob, um das Öl zu verteilen. Doch es wäre viel praktischer, wenn eine der beiden Hände frei sei, dachte sich der Hamburger Friedrich Schelling. Deshalb tüftelte er...
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Deshalb tüftelte er an einem neuen Werkzeug, der Oel-Spritz-Kanne. Am 5. August 1877 ließ er sich diese Erfindung patentieren – eine Premiere: Es war das erste Patent eines Hamburgers. Schelling kombinierte dabei Ölkanne und Ölspritze und setzte eine sogenannte Nürnberger Schere darunter, „welche die Handhabung des Apparates mit nur einer Hand sowie die Abgabe des Inhalts tropfenweise und in Strahlform mit Leichtigkeit gestattet“. So steht es in der Patentschrift Nummer 56 des damaligen Kaiserlichen Patentamts.Reichskanzler Otto von Bismarck führte 1877 das Reichspatentgesetz ein, nachdem Werner Siemens den Schutz des geistigen Eigentums vorangetrieben hatte. Erste Vorläufer gab es in Preußen ab dem Ende des 18. Jahrhunderts. Und bereits 1421 vergab man in Florenz weltweit zum ersten Mal ein Patent: für einen Lastkahn mit Hebewerk. Dadurch wollte man vor allem Anreize schaffen, den Erfindergeist zu fördern.Damit eine Idee patentiert werden kann, muss sie technisch sein, neu und eine gewisse Erfindungshöhe haben. Es gibt allerdings keine Garantie dafür, dass sich eine Idee am Markt tatsächlich durchsetzt. Doch einige Hamburger Erfindungen haben es zu Weltruhm gebracht, wie ein Blick ins Archiv zeigt. Dort finden sich unter anderem die Patentanmeldung auf die aufblasbaren Schwimmflügel von Bernhard Markwitz aus den 1960er-Jahren sowie auf einen Füllfederhalter aus dem Hause Montblanc, der dank technischer Neuerungen nicht mehr ausläuft und beim Auffüllen die Finger nicht verschmutzt. Klassiker aus Hamburg sind auch das Klebeband von tesa, das seit Ende des 19. Jahrhunderts patentiert wurde, und die Nivea-Creme aus dem Jahr 1911.Ein Patent ist der erste sichtbare Output von etwas Neuem – und damit ist es auch immer wie ein Blick in die Zukunft. Futuristisch mutet beispielsweise der 2014 patentierte Entwurf eines Flugzeugs von Airbus an. Statt dem traditionellen langen und schmalen Design haben die Flugzeugbauer eine runde, breite Form gewählt. Spitzname des Flugobjekts ist daher „Donut-Flieger“. Durch eine kreisrunde Anordnung der Sitze in der Passagierkabine könne man mehr Passagiere aufnehmen, ohne dadurch den Druck auf Spitze und Heck des Fliegers erhöhen zu müssen wie beim bewährten Design, heißt es in der Patentanmeldung.Was die Gesamtzahl an neuen Patenten angeht, liegt Deutschland auf Platz vier – hinter den USA, China und Japan. Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) zählte im Jahr 2015 mehr als 65 000 neue patentierte Erfindungen, davon waren 806 aus Hamburg. Für 2016 konnte mit fast 68 000 neu patentierten Erfindungen erneut ein Anstieg der Anmeldezahlen verbucht werden.Patente sind als wirtschaftliches Gut ein Spiegelbild der regionalen Wirtschaft. Die Anmeldungen stammen von Global Playern ebenso wie vom Mittelstand und kleineren Unternehmen. Bundesweit sind im traditionell starken Automotivsektor die meisten Patentanmeldungen zu finden. Die Hamburger Erfindungen haben dagegen besonders häufig einen Bezug zur See- oder Luftfahrt, zur Kosmetik oder zur Medizin. Auch die Windkraft ist ein Sektor, aus dem in Hamburg zunehmend viele neue Ideen kommen.
Wirtschaftliche Bedeutung von Patenten
Der Lebenszyklus von Produkten hat sich seit 1980 stark verkürzt. Innovationen werden daher immer wichtiger. Wirtschaftsschutzrechte sind heute ein wichtiger Bestandteil im Management von Innovationen. Unter Innovationsmanagement ist dabei eine umfassende, möglichst durchgängige und zielgerichtete Aktivität zu verstehen, die Innovationen zum Ziel hat, die nicht nur rein technischer Natur sein müssen. Wichtig ist die Prozessbetrachtung; denn Innovation ist als umfassende Aktivität zu verstehen. Die einzelnen Innovationsschritte, wie Forschung und Entwicklung, Patentstrategie, aber auch Fertigung- und Logistikaktivitäten sowie Markt- und Anwenderwissen, müssen einbezogen und als Ganzes betrachtet werden.
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Der Lebenszyklus von Produkten hat sich seit 1980 stark verkürzt. Innovationen werden daher immer wichtiger. Wirtschaftsschutzrechte sind heute ein wichtiger Bestandteil im Management von Innovationen. Unter Innovationsmanagement ist dabei eine umfassende, möglichst durchgängige und zielgerichtete Aktivität zu verstehen, die Innovationen zum Ziel hat, die nicht nur rein technischer Natur sein müssen.1 Wichtig ist die Prozessbetrachtung; denn Innovation ist als umfassende Aktivität zu verstehen. Die einzelnen Innovationsschritte, wie Forschung und Entwicklung, Patentstrategie, aber auch Fertigung- und Logistikaktivitäten sowie Markt- und Anwenderwissen, müssen einbezogen und als Ganzes betrachtet werden.Eine Erfindung oder ein Patent ist noch lange keine Innovation, dazu gehört immer auch der wirtschaftliche Erfolg. Als typische Innovation gelten der Airbag (Mercedes Benz, 1991), die Zündkerze (Robert Bosch, 1902) und die Currywurst (Herta Heuwer, 1949). Die Natronlokomotive, 1883 von Moritz Honigmann entwickelt und patentiert, war hingegen keine Innovation. Die feuer- und rauchlose Dampflokomotive mit thermochemischem Wärmespeicher war zwar technisch sehr anspruchsvoll, wirtschaftlich aber nicht erfolgreich.Wirtschaftsschutzrechte dienen dem Schutz von Investitionen in Forschung und Entwicklung, da sie die Nachahmung verhindern oder zumindest deutlich erschweren können. Patente können gut im Vertrieb oder in der Werbung eingesetzt werden – sie signalisieren den Kunden gegenüber Kompetenz und überlegene technologische Leistungsfähigkeit. Sie werten das Image eines Unternehmens auf, denn patentierte Produkte machen deutlich, dass sie eine Besonderheit darstellen und von den Wettbewerbern so nicht angeboten werden können.Patentmanagement setzt das Vorhandensein einer Patentstrategie voraus – die Strategie gibt die Leitplanken vor, innerhalb derer sich ein Unternehmen bewegt. Noch vor 10 bis 15 Jahren war dagegen der Umgang mit Patenten und die Steuerung von Patentaktivitäten in den meisten Unternehmen nur juristisch, administrativ und technisch geprägt.2 Es wurde maximal unterschieden zwischen einer passiven Schutzrechtsverwertung (Vermeiden von Verletzungen, Reagieren auf Verletzungen oder Produktpiraterie, Reputations- und Motivationsfunktion) und einer aktiven Schutzrechtsverwertung (Einsatz von Schutzrechten in Werbung und Marketing, Verkauf von Schutzrechten, Lizenzvergabe, bei der Markterschließung und -sicherung, als Angriffswaffe bei Verletzung).3Heutzutage bedeutet eine Patentstrategie aber viel mehr – unter anderem die ständige Überprüfung des Patent-Portfolios im Hinblick auf:
- Einteilung der Patente in Kernpatente und Patente ohne Schlüsselbedeutung
- Bewertung der Patente, inwieweit sie zum wirtschaftlichen Wert eines Produkts oder Geschäftsfelds beitragen
- Wert der einzelnen Patente (Patente, die für eine wachstumsstarke Geschäftseinheit zählen, sind wertvoller als Patente, die lediglich von Einheiten mit mittlerem Wachstum genutzt werden)
- Erstellen eines Portfolios (markt- vs. unternehmensbezogener Patentwert)
- Kostentransparenz (Amtsgebühren, externe Kosten, interne Kosten)
Die Patentstrategie ist damit von der Unternehmensstrategie abhängig. Modernes Patentmanagement ist ein Angelpunkt für das Innovationsmanagement. Auch für die betriebliche Wertschöpfung ist es eine bestimmende Größe. So sind Schutzrechte in den letzten Jahren bei vielen Unternehmen zu einem wichtigen Faktor für den Unternehmenswert geworden. Sie tragen als sogenannte immaterielle Vermögenswerte signifikant zur Wertsteigerung von Unternehmen bei.Dieses ist für kleine oder mittelständische Unternehmen genauso wichtig wie für größere. Für alle gilt die Maxime, das Patentsystem effektiv zu nutzen, um so Wachstum und Ertrag zu maximieren.Das Patentmanagement umfasst demnach folgende Aufgaben:- Bewertung von Erfindungsmeldungen
- Gezielte Auswertung von Patentinformationen für die Forschung und Entwicklung
- Gezielte Forschung und Entwicklung zur Absicherung des Patent- und des Produktportfolios
- Sicherung von Handlungsspielräumen für Neuentwicklungen
- Absicherung der eigenen Produkte und der eigenen Produktion
- Erkennung von Verletzungen der eigenen Patente
- Vorbereitung strategischer Entscheidung im Marketing Enge Verzahnung mit Unternehmensstrategie und -entwicklung
- Bewirtschaftung der eigenen Patente und gegebenenfalls Verkäufe oder Zukäufe
- Erzielen direkter Einnahmen durch Vergabe von Lizenzen und/oder Cross-Licensing
- Blockieren von Wettbewerbertechnologien
- Imagegewinn durch Marketing mit Patenten
Zu den immateriellen Vermögenswerten zählen Mitarbeiterqualifikationen, Strategie- und Prozessqualität, Software, Patente, Marken etc. Die nichtmateriellen Werte haben in den letzten Jahren einen immer größeren Anteil am Unternehmenswert erlangt, wie folgende Abbildung zeigt (Quelle: DB Research 2005).Besonders wichtig sind immaterielle Werte für Unternehmen, die forschungsintensive Produkte herstellen. Hier ist ihr Beitrag zum Firmenwert überproportional gestiegen. Für junge und technologiegetriebene Unternehmen liegen empirische Befunde vor, dass die Stärke des Patentportfolios positiv mit dem Unternehmensertrag korreliert ist.4
Quellen:1 Gerybadze 2004.2 Ransley/Gaffney 1997.3 siehe z. B. Lendvai/Rebel 2017.4 Ernst/Omland, 2003.
Erfindungen aus Hamburg
Im Jahr 2016 wurden von deutschen Patentanmeldern über 48 000 Patente beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) angemeldet. Die Anzahl an Erfindungen ist seit 2009 relativ konstant, Hamburgs Anteil daran liegt bei knapp 2 Prozent. Das scheint auf den ersten Blick nicht viel, doch bezogen auf die Bevölkerung lag die Hansestadt im Jahr 2016 mit 44 Patentanmeldungen je 100 000 Einwohner wie in den Jahren zuvor auf dem vierten Platz – hinter Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen (132, 124 bzw. 47 Patentanmeldungen je 100 000 Einwohner).
Quelle: DPMA-Jahresbericht 2016
Die ersten Hamburger Patente
Nach der Gründung des Deutschen Reichspatentamts am 1. Juli 1877 wurden schon am nächsten Tag über 30 Patentanmeldungen entgegengenommen. Eine davon kam aus Hamburg. Wie heute auch, untersuchten die Mitarbeiter des Patentamts die Anmeldungen auf ihre Patentfähigkeit. Die Patente wurden – abhängig von der Dauer der Prüfung – nach und nach erteilt, durchnummeriert und veröffentlicht.
Das erste Hamburger Patent erhielt vom Kaiserlichen Patentamt die Nummer 56. Da die Patentanmeldung vom 5. August 1877 stammt, scheinen die Prüfer von der Patentfähigkeit der Erfindung schnell überzeugt gewesen zu sein. Allein im Juli wurden mehr als 500 Patente angemeldet, bei denen die Prüfung offensichtlich umfangreicher war als beim Patent Nummer 56. Auch die wahrscheinlich erste Hamburger Patentanmeldung vom 2. Juli 1877 musste einen längeren Prüfungsprozess erdulden und erhielt schließlich die Nummer 302.
Bedeutende Erfindungen des 20. Jahrhunderts für die Hamburger Wirtschaft
Im 20. Jahrhundert verändert sich die Stadt durch die Industrialisierung. Am Ende des Zweiten Weltkriegs waren 40 Prozent der industriellen Anlagen Hamburgs zerstört. Der Wiederaufbau bot die Möglichkeit, Industrien in der Hansestadt anzusiedeln, die hier bisher noch nicht beheimatet waren. Aber auch die traditionsreichen Segmente wie die Seeschifffahrt wurden weiter vorangebracht. Wachstum brachten nun vor allem der Flugzeug-, Schiff- und Fahrzeugbau, die Elektrotechnik, Maschinenbau, Chemie, Mineralölverarbeitung und die Metallverhüttung.
Ab den 1970ern etwa wurden die Informations- und Kommunikationstechnik immer wichtiger, ebenso die Bio- und Medizintechnik. Heute helfen Mess-, Regelungs- und Steuerungstechnik dabei, hochproduktive und ressourcenschonende Maschinen zu bauen. Unverzichtbar für nachhaltiges Wirtschaften sind die Umwelttechnik und die neuen Werkstoffe. Hamburgs Industrie arbeitet sich durch Innovationen in neue Technologiebereiche vor. Und die Erfindungen aus der Hansestadt sind zahlreich.
Aktuelle Patente des Monats
Hamburg hat an Innovationen einiges zu bieten! Jeden Monat wählt das Team des Innovations- und Patent-Centrums der Handelskammer Hamburg aus den etwa 100 neuen Hamburger Patentanmeldungen beim Deutschen Patent- und Markenamt sowie beim Europäischen Patentamt ein Patent des Monats. Diese demonstrieren die Bandbreite von Hamburgs Innovatoren. Im Folgenden stellen wir zehn der ausgewählten Patente vor. Die Artikel wurden zuvor in der „Hamburger Wirtschaft“, der Zeitschrift der Handelskammer Hamburg, veröffentlicht. Die Patente stammen von Global Playern und Hidden Champions ebenso wie von Mittelständlern und Start-ups. Hamburg hat an Innovationen einiges zu bieten!
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Unser Angebot umfasst eine Vielzahl von wertvollen Recherchen, Analysen und Beratungen rund um die Themen des gewerblichen Rechtsschutzes.
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Mit dem IPC-Technologiebarometer stellen wir Ihnen ein monatliches Trendbarometer für die technologischen Entwicklungen in der Welt, in Deutschland und in Hamburg zur Verfügung.
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