Aus dem Keller an die Weltspitze

Wann setzen sich Neugründungen durch? Das Beispiel der SONOTEC GmbH aus Halle (Saale) zeigt: Erfolg hat viel mit Motivation zu tun. In diesem Fall stand am Anfang überraschenderweise … Frust.
Zu Beginn der 1980er Jahre war Halle ein Mekka für medizinische Ultraschall-Diagnostik im Ostblock. Der „VEB Ultraschalltechnik“ entwickelte und baute Geräte für ärztliche Untersuchungen, die damals an das Weltmarktniveau heranreichten. Zur engagierten Belegschaft gehörten zwei Physiker um die 30: Dr. Santer zur Horst-Meyer und Hans-Joachim Münch. Sie waren hochmotiviert, und sie wollten mehr. Doch als wenige Jahre später die Mikrochips auch in die Medizintechnik Einzug hielten, verlor der VEB den Anschluss. „Wir haben endlos diskutiert, wie wir dieses Problem lösen – ohne Ergebnis“, erinnert sich Münch. Der Frust saß tief. Der Zusammenbruch der DDR verbesserte die Perspektive nicht. Die Treuhandanstalt sah für den inzwischen zur GmbH gewandelten Betrieb keinen Platz auf einem Markt, den sich die großen globalen Medizintechnikkonzerne aufgeteilt hatten. Zur Horst-Meyer und Münch plädierten dafür, Ultraschallsensoren für westliche Unternehmen zu produzieren und damit eine Nische zu besetzen. Aber der Vorschlag wurde abgelehnt. „Wir hatten einfach nicht den richtigen Pass“, sagt Münch und wirkt noch heute konsterniert.
Da haben die beiden gekündigt, um dann eben ihr eigenes Geschäft aufzumachen.

Goldener Ratschlag: Der Markt wartet nicht!

Bis sie allerdings tatsächlich im Jahr 1991 die SONOTEC Ultraschallsensorik Halle GmbH gründen konnten, mussten die beiden Physiker erst noch die Marktwirtschaft verstehen lernen. Sie durchliefen ein intensives Schulungsprogramm für technologieorientierte Jungunternehmer. Wichtigster Ratschlag, den ihnen damals ein Coach aus dem rheinischen Düren gab: „Der Markt wartet nicht: Geht schnell mit lösungsorientierten Leistungen an den Start, auch wenn es nur Teilprodukte sind!“ Und so haben sie die bald bewilligte Förderung – 800.000 D-Mark für drei Jahre – über erste Verkaufserfolge in einer Nische kofinanziert: Sie vertrieben kleine handgefertigte Sensoren und Ultraschallsonden zum Abtasten der Nasennebenhöhlen. „Davon haben
wir deutschlandweit hunderte verkauft“, erinnert sich Münch nicht ohne Stolz. Der Start war trotzdem mühsam: In Halle lagen zwar etliche Betriebsflächen brach, die Treuhand durfte sie aber nicht vermieten. Also befand sich die erste Produktionsstätte der beiden Gründer im Keller des einen Elternhauses, ihr Büro auf dem Dachboden des anderen. Als sie ihr Gewerbe anmeldeten – Ultraschallsensoren und Messtechnik – bekamen sie in breitestem Dialekt zu hören: „Kammor davon läbm?“ Die Sparkasse Halle indes glaubte an die Geschäftsidee der beiden Physiker und unterstützte sie mit einem Kredit. Und ja, man kann davon leben: Der Jahresabschluss 2018 weist einen Umsatz von knapp 13 Millionen Euro aus und einen Jahresüberschuss von 1,5 Millionen Euro. Der Gründerkeller war schnell zu klein, nach und nach ist SONOTEC in das ehemalige Institut für Lehrerbildung an der Merseburger Straße in Halle (Saale) hineingewachsen. Hier finden heute 170 Mitarbeiter Platz. 2013 wurde eine eigene US-Vertriebsgesellschaft gegründet.

Weltspitze durch Innovation

Den Erfolg erklärt Hans-Joachim Münch so: „Unser Anspruch ist: Wir wollen in unserer Nische Weltspitze sein, und zwar möglichst die Nummer Eins. Das heißt besser zu sein als die Wettbewerber. Unsere Basis ist die Innovation.“ SONOTEC setzt auf ein mitteldeutsches Netzwerk mit Hochschulen und Technologiefirmen, auf angewandte Forschung für eine effiziente Produktentwicklung.
Die SONOTEC GmbH – wie sie seit 2019 kurz heißt – ist auf drei Geschäftsfeldern aktiv: Die Firma stellt medizintechnische Sensoren her. Diese Technologie kommt etwa bei Sicherheitsschaltern in den Dialysemaschinen aller globalen Anbieter zum Einsatz. Hier ist SONOTEC tatsächlich Weltmarkführer. Das zweite Geschäftsfeld ist die sogenannte „zerstörungsfreie Prüfung“: Mit Ultraschallrobotern werden beispielsweise feine Risse in Pipelines aufgespürt. Ein drittes Standbein ist die vorbeugende Instandhaltung, bei der es darum geht, undichte Gas- oder Druckluftleitungen sowie Lagerschäden frühzeitig zu erkennen, um problematische Ausfälle und teure Reparaturen zu vermeiden. „Wir können in die Anlagen hineinhören“, sagt Münch. „In diesem Geschäft steckt eine Menge Potenzial für die Zukunft.“
Für die Zukunft ist übrigens auch im Management gesorgt: 2019 sind Manuela und Michael Münch in die Geschäftsleitung eingetreten. Die Tochter ist Betriebswirtin, der Sohn Maschinenbauer. Vater Hans-Joachim, heute 65 Jahre alt, führt das Unternehmen nun gemeinsam mit ihnen, Kompagnon Dr. zur Horst-Meyer steht als Berater zur Seite. Die Leidenschaft für Ultraschall ist offensichtlich erblich.
„Unsere Basis ist die Innovation.“
Hans-Joachim Münch
SONOTEC GmbH
Gegründet:

1991
Standort:
Halle (Saale)
Mitarbeiter:
Über 170
Umsatz:
20 Millionen Euro
www.sonotec.de
Markus Rettich