Wettbewerbsrechtliche Abmahnung erhalten! Was nun?

Stand: April 2024
Das Wettbewerbsrecht ist eine sehr vielschichtige und nicht unkomplizierte Materie. In der schier unübersichtlichen Menge von Vorschriften und einzuhaltenden Verpflichtungen ist es nahezu unmöglich, den Überblick zu behalten. Schnell ist dabei ein Wettbewerbsverstoß passiert. Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen kommen deshalb sehr häufig vor. Dieses Merkblatt soll eine Orientierung bieten, was in einem solchen Fall zu beachten ist.

Was ist eine Abmahnung?

Die Abmahnung dient der außergerichtlichen Verfolgung von Wettbewerbsverstößen oder anderen Rechtsverstößen (z. B. Marken- bzw. Urheberrechtsverletzungen). Sie ist an keine Form gebunden, erfolgt aus Beweisgründen jedoch in der Regel schriftlich. Die Abmahnung enthält typischerweise folgende Angaben:
  • eine kurze Beschreibung des Sachverhalts und dessen rechtliche Einordnung als Wettbewerbsverstoß
  • die Aufforderung, innerhalb einer bestimmten Frist eine Vertragsstrafen bewehrte Unterlassungserklärung abzugeben
  • die Androhung gerichtlicher Schritte, falls die Frist fruchtlos verstreicht
Abmahnungen sind in der Regel mit einer Aufforderung zur Kostenerstattung (bspw. der Anwaltskosten) verbunden, dienen aber dazu, eine noch kostenintensivere gerichtliche Auseinandersetzung nach Möglichkeit zu vermeiden.

Was ist nach Erhalt einer Abmahnung zu tun?

Eine Abmahnung ist unbedingt ernst zu nehmen. Das Schreiben nicht zu beachten ist genauso falsch wie die übereilte und ungeprüfte Abgabe der Unterlassungserklärung. Die Richtigkeit der Abmahnung muss unbedingt geprüft werden, bevor eine vertragsstrafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben (unterschrieben) wird. Beim Erhalt einer Abmahnung sollte in Anbetracht der oft kurzen Frist unverzüglich damit begonnen werden, konstruktiv die für die Bewertung der Stichhaltigkeit der behaupteten Rechtsverletzung benötigten Informationen einzuholen. Untätig bleiben oder zögerliches Vorgehen können zu Nachteilen für den Abgemahnten führen, insbesondere zum Erlass einer kostenträchtigen einstweiligen Verfügung durch das zuständige Landgericht. Es ist also sehr empfehlenswert schnell kompetenten Rechtsrat einzuholen und Kontakt mit der örtlich zuständigen IHK oder einem im Wettbewerbsrecht erfahrenen Rechtsanwalt aufzunehmen um sich beraten zu lassen.

Überprüfung der Abmahnung

Nach Erhalt der Abmahnung ist zu prüfen, ob diese berechtigt ist. Dabei sind insbesondere folgende Punkte zu beachten:

Ist der Absender zur Abmahnung berechtigt?

Der Abmahnende muss befugt sein, den Wettbewerbsverstoß zu verfolgen. Folgende Personen/Stellen sind berechtigt abzumahnen:
  • Mitbewerber, d. h. Unternehmer, die mit dem Abgemahnten als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen. Wichtig ist, dass dem Abmahnenden durch den Wettbewerbsverstoß ein Schaden entstehen kann.
  • rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen, wie z. B. die "Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs"
  • Qualifizierte Einrichtungen zum Schutz von Verbraucherinteressen, soweit es um eine Handlung geht, durch die Belange der Verbraucher berührt werden (Verbraucherverbände)
  • Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern
Verbraucher dürfen Unternehmer generell nicht abmahnen. Zur Prüfung, ob ein Verband abmahnbefugt ist, kann Kontakt mit der zuständigen IHK aufgenommen werden. Ergibt sich aus der Abmahnung keine eindeutige Abmahnbefugnis, sollte der Abmahnende schriftlich aufgefordert werden, diese nachzuweisen bzw. bei fehlender anwaltlicher Vollmacht diese nachzureichen.
Bei Verstößen gegen das Urheber- oder Markenrecht ist grundsätzlich der Rechtsinhaber zur Abmahnung berechtigt. Die Berechtigung muss in der Abmahnung dargelegt werden, bzw. bei Zweifeln abgefordert werden.

Plausibilitätsprüfung des vorgeworfenen Verhaltens

Prüfen Sie, ob das in der Abmahnung beschriebene Verhalten tatsächlich von Ihnen bzw. Ihrem Unternehmen ausging! Ist der dargestellte Sachverhalt so korrekt? Falls eindeutig nein, sollte dem Abmahnenden ein kurzer schriftlicher Hinweis gegeben werden. Am besten vorab per Fax (Faxprotokoll aufbewahren!).

Der Verstoß

Da der Abmahnende einen Wettbewerbsverstoß oder sonstigen Rechtsverstoß beanstandet, ist nun zu überprüfen, ob ein solcher auch vorliegt. Die möglichen Fälle sind äußerst vielfältig und auch unter dem Blick der Rechtsprechung zu betrachten. Häufig geht es derzeit um Verstöße gegen die Pflicht zur Anbieterkennzeichnung / Impressumspflicht auf den Internetseiten; Nichterfüllung der vorgeschriebenen Informationspflichten gegenüber Verbrauchern bei Verträgen im Internet (z. B. fehlende oder nicht korrekte Widerrufsbelehrung), Werbung mit irreführenden Aussagen, Zusendung von Werbung per E-Mail, Fax oder Telefon ohne Zustimmung des Empfängers.

Frist beachten!

Eine gesetzte Frist ist grundsätzlich ernst zu nehmen. Vorsichtshalber sollten Sie innerhalb der gesetzten Frist reagieren, zumindest mit einer plausibel begründeten Bitte um Fristverlängerung.
Grundsätzlich gilt: die Frist zur Abgabe der Erklärung muss angemessen sein. Angemessen ist die Frist dann, wenn dem Abgemahnten unter Berücksichtigung aller Umstände ausreichende Bedenkzeit verbleibt, um die Rechtslage zu überprüfen und ggf. auch juristischen Rat einzuholen. Eine feste Frist gibt es also nicht. Grundsätzlich sind die Fristen aber stets relativ kurz; eine Woche wird häufig als ausreichend angesehen werden können, sie kann bei entsprechenden Sachverhalten aber auch kürzer sein.
Selbst wenn die Frist zu kurz bemessen ist, ist die Abmahnung allein deshalb aber noch nicht rechtswidrig. Stattdessen läuft die angemessene Frist. Diese Frage für sich kann aber auch schon ein Streitpunkt sein, dessen Ausgang nicht von vornherein feststeht.

Abmahnenden überprüfen!

Hilfreich ist, wenn Sie über das abmahnende Unternehmen Informationen sammeln. Das Internet ist dafür eine wertvolle Informationsquelle. Es gilt herauszufinden, ob der Abmahnende ein nachvollziehbares, berechtigtes Interesse daran hat, dass der Abgemahnte das beanstandete Verhalten künftig unterlässt. Nur das Interesse daran Abmahngebühren zu generieren, rechtfertigt die Abmahnung nicht.

Vorwurf beweisbar?

Klären Sie mit der zuständigen IHK oder dem Anwalt, ob der in der Abmahnung erhobene Vorwurf gerechtfertigt ist und wie hoch das Risiko ist, dass der Abmahnende den beanstandeten Verstoß auch beweisen kann.

Reaktionsmöglichkeiten auf eine Abmahnung

Die Reaktion auf eine Abmahnung kann unterschiedlich aussehen:
  1. Soweit der wettbewerbsrechtliche Verstoß offensichtlich ist, sollten unverzüglich alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen getroffen werden, um das beanstandete Verhalten sofort zu unterbinden. Ebenfalls sollte eine Unterlassungserklärung abgegeben werden. Dabei ist der Abgemahnte nicht verpflichtet, die vom Abmahner vorformulierte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Vielmehr bedarf es einer genauen Prüfung, ob die Erklärung anzupassen oder gar neu zu fassen ist. Wird die Unterlassungserklärung vom Abgemahnten abgeändert, besteht jedoch die Gefahr, dass sie von der Gegenseite nicht akzeptiert wird. Es empfiehlt sich daher juristischen Rat einzuholen und ggf. vorher mit dem Abmahnenden zu sprechen. Durch die Abgabe einer (akzeptierten) strafbewehrten Unterlassungserklärung wird die Gefahr einer einstweiligen Verfügung oder Klage gebannt.
    Der Abgemahnte ist bei einer berechtigten Abmahnung auch verpflichtet, die zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten (z. B. Anwaltskosten) zu zahlen. Wettbewerbsvereine können nur einen Aufwendungsersatzanspruch geltend machen, der ca. 150 bis 250 Euro betragen kann. Abmahnungen durch Rechtsanwälte sind in der Regel kostenträchtiger, da diese Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) berechnen dürfen.
    Bei später eingehenden Folgeabmahnungen sollte der Abgemahnte dem Versender mitteilen, dass er bereits eine Unterlassungserklärung abgegeben hat und möglichst eine Kopie übersenden.
    Bei einem schuldhaften Verstoß gegen eine abgegebene Unterlassungserklärung wird die Vertragsstrafe fällig!
  2. Liegen Gründe vor, die Unterlassungserklärung nicht abzugeben (z. B. weil der Abmahnende nicht berechtigt ist oder kein wettbewerbsrechtlicher Verstoß vorliegt), sollte der Empfänger den Abmahnenden darüber aufklären, warum er die Erklärung nicht unterzeichnen wird. Eine Verpflichtung zur Darlegung der eigenen Ansicht gibt es nicht, gleichwohl kann dies ratsam sein. Schweigt der Abgemahnte, signalisiert er, dass er eine außergerichtliche Auseinandersetzung ablehnt und muss mit einer einstweiligen Verfügung bzw. einem Gerichtsverfahren rechnen.
  3. Sofern zwar ein wettbewerbsrechtlicher Verstoß vorliegt, die Kosten aber zu hoch erscheinen, sollte der Empfänger eine Unterlassungserklärung ohne Übernahme der Kosten abgeben. Es bleibt dann zwar das Risiko, auf Kostenerstattung verklagt zu werden. Allerdings befindet sich der Abgemahnte bei einer Klage auf Kostenerstattung in einer günstigeren Position, als in einem einstweiligen Verfügungsverfahren. Der Streitwert beruht hier nur auf den Abmahnkosten, ist also wesentlich geringer als der ursprüngliche Wettbewerbsstreitwert.
    In die Überlegungen vor Abgabe einer Unterlassungserklärung sollte auch einbezogen wer-den, inwiefern das Unterlassungsverlangen eine ernste Bedrohung für das Unternehmen darstellt, so zum Beispiel bei Abmahnungen wegen der Verwendung eines Markennamens.
  4. Liegen Anhaltspunkte für eine Serienabmahnung vor, empfiehlt es sich Erkundigungen bei der IHK einzuholen, da diese gegebenenfalls durch ähnliche Anfragen weiterer Mitgliedsunternehmen oder frühere Erfahrungen mit dem Abmahner dazu informieren kann.
  5. In Fällen, in denen ein Wettbewerbsverstoß zweifelhaft ist, kann der Abgemahnte auch die Einigungsstelle für Wettbewerbsstreitigkeiten bei der IHK anrufen. Damit können Wettbewerbsstreitigkeiten kostengünstig beigelegt werden. Damit ist allerdings nicht automatisch die Gefahr einer einstweiligen Verfügung ausgeräumt. Lassen Sie sich beraten, welche ggf. vorübergehenden Maßnahmen diesbezüglich hilfreich sein können.

Die Unterlassungserklärung

Die Unterlassungserklärung muss hinsichtlich des (zu unterlassenden) Verhaltens hinreichend konkret sein. Wird das Verhalten zu allgemein beschrieben, ist dies missbräuchlich. Die mit der Abmahnung versandten Unterlassungserklärungen enthalten oft Verpflichtungen, die nicht übernommen werden müssen. Sie sollten daher den vom Abmahnenden übersandten Entwurf nicht ungeprüft unterzeichnen. Es gilt der Grundsatz: Eine unvermeidbare Erklärung ist auf das notwendige Minimum zu beschränken! Entsprechende notwendige Modifikationen sollten mit einem Anwalt ausgearbeitet werden.
Modifikationen bzw. Streichungen können mit dem Abmahnenden abgesprochen werden, müssen es aber nicht. Weitgehende Änderungen haben allerdings die Konsequenz, dass der Abmahnende die neue Erklärung ausdrücklich annehmen muss, und für den Abgemahnten auch erst dann wirklich Sicherheit besteht, dass keine Einleitung gerichtlicher Schritte mehr erfolgt.
In der Unterlassungserklärung ist regelmäßig ein Vertragsstrafenversprechen für zukünftige Verstöße enthalten. Nach der Rechtsprechung ist nur bei einer strafbewehrten Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr wirksam ausgeschlossen. Es kann aber natürlich versucht werden, mit dem Abmahnenden einen Verzicht auf die Vertragsstrafe oder eine Herabsetzung auszuhandeln. Hinsichtlich der geforderten Höhe der Vertragsstrafe ist zu beachten, dass nur bei einer empfindlichen Strafe die notwendige Ernsthaftigkeit einer Unterlassungserklärung auch von den Gerichten akzeptiert wird. Oft wird von dem Abmahnenden jedoch eine zu hohe Vertragsstrafe angesetzt, die dann entsprechend angepasst werden kann. Die Vertragsstrafe wird verwirkt, wenn der Abgemahnte nach Abgabe der Unterlassungserklärung den in der Abmahnung beanstandeten Verstoß, zu dessen Unterlassen er sich verpflichtet hat, erneut begeht.

Abmahnunwesen - Massenabmahner

Unter Abmahnunwesen versteht man das massenhafte Versenden von Abmahnungen an Gewerbetreibende. Dabei geht es den Abmahnenden weniger um die Ahndung von Wettbewerbsverstößen, als vielmehr darum, Gebühren oder Vertragsstrafen zu kassieren.
Indizien für solche Serienschreiben sind zum Beispiel:
  • Gegenstand der Abmahnung sind geringfügige Wettbewerbsverstöße (oftmals in Internetauftritten oder Kleinanzeigen).
  • Die Anwälte treten in eigenem Namen auf oder im Namen von Mandanten, bei denen der Mitbewerberstatus nicht eindeutig geklärt ist.
  • Der Gebührenforderung der Anwälte liegt ein überhöhter Streitwert zugrunde.
Besonderes Augenmerk sollte der Abgemahnte auf die Prüfung verwenden, ob der Abmahnende auch zum Abmahnen befugt ist. Die IHKn sind dafür eine gute Anlaufstelle, da sie Informationen zu den bekannten Serienabmahnern oder unseriösen Abmahnvereinen sammeln.