Praxisbeispiele

Carl Götz GmbH, Naumburg

Die aktuelle Situation auf dem Ausbildungsmarkt ist widersprüchlich: Zahlreiche Ausbildungsstellen können nicht besetzt werden; auf der anderen Seite finden viele Jugendliche aber keinen Ausbildungsplatz. Grund ist, dass zwischen den Anforderungen der Betriebe und den Voraussetzungen vieler Jugendlicher häufig eine große Lücke klafft. Dafür, diese zu schließen, wurde das Landesprogramm „Zukunftschance assistierte Ausbildung“ (ZaA) ins Leben gerufen. Wie das Ganze funktioniert und was es bringt, l ässt sich am Beispiel des Holzfachhandelsbetriebes Carl Götz GmbH in Naumburg ablesen.
Der inzwischen 25 Jahre alte Roman Beidel hat das, was man landläufig einen etwas holprigen Lebenslauf nennt. 2004 als Spätaussiedler aus Russland nach Deutschland gekommen, hat er es lediglich auf einen Schulabschluss mit der 7. Klasse gebracht. Eine Lehre zum Feuerungs- und Schornsteinbauer in Nordrhein-Westfalen brach er nach einem Jahr ab, danach jobbte er eine Weile. Weil er zu diesem Zeitpunkt noch keinen Führerschein besaß, versuchte Roman Beidel schließlich, einen Ausbildungsplatz in der Umgebung seiner Heimatstadt Weißenfels zu finden.
Nachdem über 30 Bewerbungen erfolglos geblieben waren, wurde er im April 2016 im Ergebnis eines Gesprächstermins bei der Agentur für Arbeit unter Einbeziehung der zuständigen Integrationsfachkraft des Jobcenters Burgenlandkreis in das ZaA-Landesprogramm aufgenommen. Nach einer ersten ausbildungsvorbereitenden Phase befindet sich Roman Beidel als angehender Fachlogistiker in seinem heutigen Ausbildungsbetrieb Carl Götz GmbH Naumburg bereits im 2. Lehrjahr.
Was bringt ZaA für Unternehmen: Kurzinterview mit Christian Schülke, stellvertretender Lagerleiter bei der Carl Götz GmbH und verantwortlich für die Ausbildung
Warum machen Sie beim ZaA-Programm mit?
Auch in Jungen und Mädchen mit Defiziten und Ausbildungshemmnissen steckt viel abrufbares Potenzial. Das war gleich zu spüren, als sich Roman bei uns – zunächst wegen eines Praktikums – vorgestellt hat. Dank ZaA kommen die Jugendlichen gut orientiert und vorbereitet ins Unternehmen. Wir können uns voll auf die fachliche Ausbildung fokussieren. Treten Probleme auf, werden wir nicht alleingelassen, sondern erhalten rasche Unterstützung durch ein festes Team von Sozialpädagogen.
Was bringt ZaA Ihrem Unternehmen?
Durch meinen intensiven Austausch mit ZaA-Ausbildungsbegleiter Marcel Triemer vom Projektträger FAW lassen sich Ausbildungsrisiken minimieren. Wir sind richtig glücklich, dass wir uns nicht von Romans Vorgeschichte „abschrecken“ ließen und mit ihm einen tatkräftigen und lernwilligen Azubi gefunden haben.
Erfolgsfaktoren bei ZaA: Kurzinterview mit Ausbildungsbegleiter Marcel Triemer vom ZaA-Projektträger Fortbildungsakademie der Wirtschaft
Wie ließ sich ZaA bei Roman Beidel konkret umsetzen?
Zu unterscheiden sind eine erste, ausbildungsvorbereitende Phase und die seit Lehrbeginn laufende zweite Phase. In Phase 1 haben wir Roman eine realistische berufliche Orientierung zu geben versucht – etwa, indem wir ihn Praktika in verschiedenen Unternehmen absolvieren ließen – und ihm bei der Erstellung von Bewerbungen zur Seite gestanden. Zudem erhielt er bei uns Stütz- und Förderunterricht in klassischen Schulfächern, um Verschüttgegangenes zu reaktivieren und Versäumtes nachzuholen. Jetzt in Phase 2 erhält Roman wöchentlich vier weitere Unterrichtseinheiten zur Flankierung der Berufsschultheorie.
Was sind aus Ihrer Sicht Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung von ZaA?
Ganz sicher das individuelle Eingehen auf jeden einzelnen Jugendlichen. Wir holen die Mädels und Jungs genau dort ab, wo sie stehen, und können uns dabei auf ein festes Team von Sozialpädagogen verlassen. Nicht selten liegen Probleme ja auch außerhalb der eigentlichen Ausbildung: In den Lehrbetrieben geht es um das Tagesgeschäft, da kann sich niemand um Themen wie etwa die Wohnungssuche oder Schuldenregulierung kümmern. Auch hier bietet ZaA Unterstützung – und Entlastung.
Wie kommt ZaA bei den Azubis an: Statement von Roman Beidel, Auszubildender zum Fachlogistiker bei der Carl Götz GmbH Naumburg
„Ich bin ja schon 25 und möchte endlich auf eigenen Füßen stehen. Mit einem ordentlichen Lehrabschluss habe ich eine gute Chance, von der Carl Götz GmbH übernommen zu werden. Das ZaA-Programm hat mir buchstäblich auf die Sprünge geholfen: Inzwischen komme ich auch mit der Berufsschultheorie immer besser zurecht – und die praktische, auch körperliche Arbeit im Lager macht mir ohnehin Spaß! Kurzum: ZaA finde ich richtig gut – hätte es das Programm, in das man auch nach Ausbildungsbeginn noch einsteigen kann, schon früher gegeben, hätte ich damals meine Lehre vielleicht gar nicht erst abgebrochen.

Feldbinder Spezialfahrzeugwerke GmbH, Lutherstadt Wittenberg

Der Wettbewerb um die verbliebenen Lehrlinge im Land, er ist längst entbrannt. Gut ausgebildete Jugendliche sind für jedes Unternehmen eine Investition in die Zukunft. Kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben allerdings oftmals Jungen und Mädchen mit Defiziten. Dabei steckt auch in ihnen viel abrufbares Potenzial. Unterstützt durch das Landesprogramm “Zukunftschance assistierte Ausbildung” (ZaA) nimmt sich zum Beispiel die Feldbinder Spezialfahrzeugwerke GmbH aus Lutherstadt Wittenberg gezielt auch dieser Jugendlichen an.
Am mangelnden Willen hat es bei Tom Peissig nicht gelegen. Der 19-jährige Wittenberger hatte sich vielfach bei regionalen Unternehmen um eine Lehrstelle bemüht. Tischler, Lagerist, Maurer – alles Berufe, für die er sich interessierte. Erfolg hatten die Bewerbungen nicht. Immer wieder hagelte es Absagen, wofür in erster Linie seine schulischen Leistungen verantwortlich gemacht wurden. Heute ist Tom einer von 50 Lehrlingen der Feldbinder Spezialfahrzeugwerke GmbH, absolviert im ersten Lehrjahr eine Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker.
Ähnlich wie Tom erging es auch Paul Pietsch aus Klieken und Philipp Küßner aus Wittenberg. Alle drei haben Defizite – in der Schule, teils auch im Sozialverhalten. Dass sie trotzdem ihre Chance in der Berufsausbildung erhalten, verdanken sie unter anderem Dirk Müller. Der Leiter für gewerbliche Ausbildung bei Feldbinder hadert nicht nur mit den Konzepten der aktuellen Berufsausbildung. Er sucht stattdessen nach Wegen, diese zu verbessern. Dabei scheut er nicht die Herausforderung, sich mit Jugendlichen zu beschäftigen, die mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung benötigen.

Unternehmen und Projektträger gehen Mängel gemeinsam an

Angesichts der drastisch abnehmenden Bewerberzahlen müsse man sich dieser Aufgabe stellen, betont er. Und fügt an, dass es den betreffenden Jugendlichen keineswegs am praktischen Leistungswillen mangelt. Um sie aber auch für den theoretischen Teil der Berufsschulausbildung fit zu machen, kooperiert Feldbinder mit dem Berufsbildungszentrum Elbe GmbH (BBZ Elbe). Gefördert vom Land Sachsen-Anhalt aus dem Europäischen Sozialfonds sowie aus Mitteln der Bundesagentur für Arbeit und der Jobcenter nimmt sich das BBZ Elbe der Schwachstellen der Jugendlichen an: Förderlehrer geben Nachhilfe, Sozialpädagogen stehen den jungen Menschen beratend zur Seite und unterstützen sie bei der Bewältigung von Hemmnissen.

Alle Partner gewinnen

„243 Plätze gibt es für den Jahrgang 2016 im Landesprogramm ZaA. Für Azubis, die 2017 in eine Ausbildung starten werden, stehen 255 Plätze zur Verfügung.“, informiert Julia Wünsch, Kammerkoordinatorin der IHK Halle-Dessau. “Mit der assistierten Ausbildung gewinnen alle - die Jugendlichen, die eine Chance am Arbeitsmarkt erhalten, und die Unternehmen, die so ohne zusätzlichen Aufwand neue Arbeitskräfte gewinnen”, betont Anja Busse, Verantwortliche für das Programm ZaA im BBZ Elbe. Messbar wird der Erfolg des Programms an den Jugendlichen, die es in Anspruch nehmen. Paul Pietsch ist dafür ein besonders gutes Beispiel. Nach einer abgebrochenen Ausbildung als Industriemechaniker habe er “einen Stempel gehabt”, sagt er selbst. Keiner wollte ihm eine zweite Chance geben. “Paul ist heute einer unserer besten Lehrlinge, macht seine Sache richtig gut, ist im Betrieb sogar Vorsitzender der Jugendauszubildendenvertretung”, zollt Dirk Müller ihm Respekt.

Erfolge sind sichtbar

Durchweg lobende Worte für das Programm und die Zusammenarbeit mit Feldbinder findet auch Michael Brett. Der Leiter der Metallausbildung im BBZ Elbe kennt alle drei Jugendlichen, weiß um ihre Vorgeschichte, ihre Schwierigkeiten. “Seit wir das Programm aktiv umsetzen, haben sich die Leistungen der Azubis merklich verbessert. Auch Tom, Philipp und Paul werden den Abschluss daher meistern und ihren Weg machen”, gibt sich Brett überzeugt.

ARYZTA Bakeries Deutschland GmbH

Auch bei der ARYZTA Bakeries Deutschland GmbH erhalten förderfähige Auszubildende sowie das Ausbildungsunternehmen Unterstützungen im Rahmen des Projekts “Zukunftschance assistierte Ausbildung”. In dem Video spricht der Ausbildungsleiter Herr Matthias Nolte auf der ZaA-Veranstaltung “Ausbildung gemeinsam meistern” über seine persönlich Erfahrungen und Erlebnisse.
© Handwerkkammer Halle (Saale)

Kleusberg GmbH & Co. KG, Kabelsketal

Mit dem EU-​Landesprogramm zum Tischlergesellen: Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration

Creativ Lederwarenmanufaktur GmbH, Sangerhausen

Jugendliche mit Behinderung oder Beeinträchtigung benötigen oftmals besondere Unterstützung bei der Ausbildung. In Sachsen-Anhalt ist das Landesprogramm „Zukunftschance assistierte Ausbildung“ seit 2016 erfolgreich wie sich am Beispiel von Jacob Hoffmann zeigt: Integrationsämter – Chancen nutzen

Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW) gGmbH, Akademie Merseburg

Bei der Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW) in Merseburg/Außenstelle Halle befinden sich derzeit 31 Teilnehmende in der Maßnahme „Zukunftschance Assistierte Ausbildung (ZaA) 2018“. Viele der Teilnehmenden stehen kurz vor ihren Abschlussprüfungen. In der ausbildungsbegleitenden Phase der ZaA erhalten sie u.a. Unterstützung bei der Erfüllung der Ausbildungsanforderungen, beispielsweise durch Stütz- und Förderunterricht, und werden im Betriebs- und Ausbildungsalltag durch Ausbildungsbegleiterinnen und Ausbildungsbegleiter und Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen individuell begleitet. Den vollständigen Artikel finden Sie hier.

KSB SE & Co. KGaA, Halle (Saale)

Die Teilnehmenden des Landesprogramms "Zukunftschance assistierte Ausbildung (ZaA)" werden individuell im Berufswahlprozess begleitet und durch vielfältige Leistungen auf eine Berufsausbildung vorbereitet. Wichtiges Element ist das begleitete Probearbeiten in potenziellen Ausbildungsunternehmen. Dieses Angebot hat auch die KSB SE & Co. KGaA genutzt.
Die Kammerkoordinierung "Zukunftschance assistierte Ausbildung (ZaA)" wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Sachsen-Anhalt gefördert und ist ein Projekt innerhalb des gemeinsamen Landesprogramms "Zukunftschance assistierte Ausbildung" des Landes Sachsen-Anhalt und der Bundesagentur für Arbeit.
Logos ZaA, Sachsen-Anhalt, Europäischer Sozialfonds und Bundesagentur für Arbeit