Transformation geschafft

Industrie 4.0 statt Planwirtschaft: Die VTQ Videotronik GmbH aus Querfurt schaut auf über ein halbes Jahrhundert Geschichte zurück. Einst Zulieferer für das Fernsehgerätewerk in Staßfurt, wurde der Ex-VEB nach der Wende zum erfolgreichen Beispiel für Management-Buy-Out. Die Firma etablierte sich mit Videofunksystemen unter anderem für die Film- und Fernsehindustrie sowie als Dienstleister im Markt für elektronische Baugruppen und Geräte. 
Der Weg zum Unternehmenschef war für Dr. Steffen Enke nicht vorgezeichnet: In der DDR geboren, war der jetzige Geschäftsführer der VTQ Videotronik GmbH in seinem „ersten Leben“ Arzt. Nach der Wende hatte sein Vater, Günter Enke, das Unternehmen per Management-Buy-Out von der Volks- in die Privatwirtschaft überführt: „Die erfolgreiche Neuausrichtung war sein Werk, davon zehren wir heute noch!“

Neue Ansätze finden

Als Bauteil-Zulieferer zu 100 Prozent von der DDR-Fernsehproduktion abhängig, musste für den Betrieb eine neue Geschäftsidee her. Enke senior bat Firmen in den alten Bundesländern um Hilfe auf dem Weg in das neue Wirtschaftssystem, erinnert sich sein Sohn. „Er wurde belächelt. Da war klar: Er kann sich nur selbst helfen." Sogar an die DDR-Zeit ließ sich anknüpfen: „Zunächst bauten wir Nachrüstsätze für DDR-Fernseher,  von denen eine Menge in den Haushalten standen.“ Damit habe sein Vater den Grundstock gelegt, um dann nach neuen Märkten zu suchen. VTQ begann, Videofunksysteme zu entwickeln sowie als Dienstleister aktiv zu werden. 2001 wird Günter Enke „Unternehmer des Jahres“.

Breiter aufstellen

Als 2002 die Unternehmensnachfolge anstand, entschloss sich Steffen Enke, in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Wichtigster Kunde war damals die Automobilindustrie. Als 2009 die Finanz- und Eurokrise ihre Schatten warf, habe seine Firma das deutlich zu spüren bekommen: „Deshalb sind wir von unserer starken Spezialisierung abgerückt“, so Enke junior. „Wird der Markt eng, ist eine zu spitze Ausrichtung heikel.“ In der Folge habe sich VTQ deutlich breiter aufgestellt. „Vor allem bei Medizinprodukten sind wir stark gewachsen. Wir haben potente Partner, die wir mit Know-how unterstützen, um ihr Produkt zur Serienreife zu bringen.“ 

Geschäft ausbauen

Zu den in Querfurt im Auftrag gefertigten Erzeugnissen gehören Geräte für Magnetfeldtherapie sowie Mikrostimulation. Noch dieses Jahr sei der Ausbau der Kapazitäten geplant: „Für eine neue Produktions- und Lagerhalle haben wir ein Nachbargrundstück gekauft.“ Weil Arbeitskräfte auch im südlichen Sachsen-Anhalt zum raren Gut werden, setzt Enke stark auf Automatisierung und Industrie 4.0.
Im Zuge der Corona-Krise kommen neue Herausforderungen auf VTQ zu: „In der Elektronikbranche zeichnen sich massive Probleme in der Materialversorgung ab.“ Ein Grund: Der Produktionsstau durch die Schließung von Werken in Fernost bzw. Indonesien. Aber Probleme lösen – das hat Enke von seinem Vater gelernt. „Solange du zwei Schritte nach vorne machst und nur einen zurück, geht es immer weiter“, habe dieser ihm mit auf den Weg gegeben.

Der Fragebogen: die VTQ Videotronik GmbH

Am Markt seit ...?

1967. Das Unternehmen geht auf einen Volkseigenen Betrieb (VEB) der DDR zurück. Als Betriebsteil des VEB ELMET Hettstedt produzierte dieser zunächst Drosselspulen für Leuchtstofflampen und Klingeltransformatoren. 1972 folgte der Einstieg in die Fernsehelektronik. Gebaut wurden Programm- und Bedieneinheiten für das Fernsehgerätewerk (FSGW) Staßfurt, ab 1984 als Betriebsteil des VEB Tonfunk Ermsleben. Unter Leitung Günter Enkes – Vater des jetzigen Geschäftsführers – wurde die Firma 1992 privatisiert. Seitdem entwickelt VTQ Videofunksysteme, stellt als EMS-Dienstleister (Electronics Manufacturing Services) kundenspezifisch elektronische Baugruppen sowie Produkte her.

Zahl der Beschäftigten?

Über 180, damit einer der größten Arbeitgeber der Region.

Wird ausgebildet?

Sieben Azubis pro Jahr, vor allem Kommunikationselektroniker/in, aber ebenso Industriekaufmann/frau.  

Das Unternehmen hat sich entwickelt zu ...?

Einem breit aufgestellten Betrieb mit weltweiten Kunden aus nahezu allen Industriebereichen außer Luft- und Raumfahrt. So hat sich VTQ als Zulieferer elektronischer Baugruppen für die Automobil- und Medizintechnikbranche etabliert, entwickelt Lösungen für Industrieelektronik, Bahnanwendungen oder Sicherheitstechnik sowie eigene Produkte.

Umsatz?

2020 rund 24 Millionen Euro. 

Prognose?

VTQ arbeitet an Neuentwicklungen in den Bereichen Miniaturisierung, Automatisierung und Industrie 4.0, um die Trends in der Elektronikbranche nicht zu verschlafen und für die umfassende Digitalisierung der Produktion gut aufgestellt zu sein. Auch in Zukunft soll der Betrieb ein inhabergeführtes Unternehmen bleiben.

In der Region engagiert durch ...?

Vielfältige Jugendarbeit – wie die Unterstützung der Nachwuchsarbeit des Fußball- oder Feuerwehrvereins. VTQ fühlt sich seinem Standort verpflichtet, sponserte unter anderem Sitzbänke oder ist im Altertumsverein engagiert. So wurde auf der Burg Querfurt eine Kameraanlage installiert, die Besuchern einen Rundumblick bietet.

Was bedeutet Corporate Social Responsibility (CSR, Übernahme von ökologischer, ökonomischer, sozialer Verantwortung) für das Unternehmen?

Ein Verhaltenskodex legt soziale und Umweltstandards fest. Die Ökobilanz unternehmerischen Tuns hat VTQ schon länger im Blick, sparte 1910 Tonnen Kohlendioxid ein und arbeitet an der CO2-neutralen Produktion. So wird der Strombedarf zu 62 Prozent mit „grünem Strom“ gedeckt. Das Engagement bei der Inklusion von Menschen mit Behinderungen wurde 2017 mit dem Inklusionspreis des Saalekreises geehrt. In intensiver Zusammenarbeit mit der heilpädagogischen Hilfe werden Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung beschäftigt. Zudem legt das Unternehmen Wert darauf, trotz Schichtsystems die Wünsche von Eltern im Blick zu behalten. Nicht zuletzt „leistet“ sich VTQ eine eigene Kantine, die im Haus kocht, und unterstützt die Mahlzeiten finanziell.
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Kontakt:
VTQ Videotronik GmbH
Grüne Straße 2
06268 Querfurt
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