Podiumsdiskussion in der IHK: Und was nun?

Hausaufgaben für den Industriestandort Sachsen-Anhalt

Die IHK-Umfrage zeigt: Die Bevölkerung im Süden Sachsen-Anhalts breitet die Arme aus und möchte mehr Industrie wagen. Was aber folgt konkret daraus? Um dieses Thema ging es bei einer Diskussionsveranstaltung am 22. Mai 2017 in Halle (Saale).
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IHK-Präsidentin Carola Schaar gab in ihrer Eröffnung die entscheidende Frage an ein hochrangig besetztes Podium weiter: Die Bevölkerung steht mit großer Mehrheit hinter der heimischen Industrie – was bedeutet das zukünftig für Sachsen-Anhalt? Unter der Moderation von Hartmut Augustin, Chefredakteur der Mitteldeutschen Zeitung, diskutierten auf dem Podium:
•           Prof. Dr. Armin Willingmann (SPD), Sachsen-Anhalts Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung,
•           Hans-Joachim Münch, Geschäftsführer der SONOTEC Ultraschallsensorik Halle GmbH und Vizepräsident der IHK Halle-Dessau,
•           Josef Tillmann, Geschäftsführer der Tönnies Lebensmittel GmbH & Co KG, zu der Holding gehört auch das Fleischwerk in Weißenfels,
•           Erhard Koppitz, Vorsitzender Bezirksvorstand Halle-Magdeburg der Industrie-gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie sowie
•           Prof. Dr. Thomas Brockmeier, IHK-Hauptgeschäftsführer.
Die IHK hatte außerdem Ralf Meyer als Teilnehmer angefragt. Er ist Vorstandsvorsitzender des sachsen-anhaltischen Landesverbands im Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Deutschland. Die Umweltschützer hatten sich jedoch leider nicht zurückgemeldet. Etwa 70 Gäste aus Gesellschaft, Politik und Unternehmen waren der Einladung der IHK gefolgt, einige davon beteiligten sich über Zwischenfragen an der Diskussion.
Bestehende Unternehmen stärken!
Das Podium konnte sich schnell darauf einigen, dass das Motto „Mehr Industrie wagen“ nicht unbedingt neue Großansiedlungen in Sachsen-Anhalt bedeute. „Die Zeit dafür ist schon seit einigen Jahren vorbei“, betonte etwa IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Brockmeier. Wichtiger sei es nun, gute Rahmenbedingungen für kleine und mittelständische Unternehmen zu schaffen und die bestehenden Industriebetriebe zu stärken.
Weniger Bürokratie wagen!
Diese Botschaft ist bei der sachsen-anhaltischen Landesregierung angekommen. Minister Willingmann sagte, die Politik werde sich durch die „vorbehaltlose Euphorie“ der IHK-Umfragedaten ermutigt fühlen. Der Wirtschaftsminister nahm die Klage aus dem Publikum der Veranstaltung auf, dass beispielsweise Genehmigungsverfahren oft noch zu kompliziert seien. Er wolle sich persönlich dafür einsetzen, dass seine Beamten im Ministerium wie in den untergeordneten Behörden Entscheidungsspielräume großzügiger auslegen: „Messen Sie mich daran!“
Mehr Innovationen möglich machen!
Als eine weitere Baustelle in Sachsen-Anhalt machten die Diskussionsteilnehmer zu schwache Innovationskraft und Innovationsaktivität aus. SONOTEC-Gründer Hans-Joachim Münch merkte an, im Land gebe es traditionell zu wenige Technologieunternehmen. „Wir holen zwar über Gründungen auf, aber dies ist ein langer und langsamer Prozess.“ Willingmann, der auch Wissenschaftsminister ist, strebt zudem auch eine Liberalisierung der Hochschulen an, damit mehr Ausgründungen möglich werden.
Fachkräfte an- und heranziehen!
Intensiv diskutierte das Podium das Thema Fachkräftemangel. Nicht alle Branchen seien gleich stark betroffen, aber vor allem IT-Fachkräfte fehlten hierzulande, stellte Münch fest. SONOTEC spreche deutschlandweit potentielle Bewerber als zukünftige Mitarbeiter an.
Josef Tillmann berichtete von der Entscheidung für Weißenfels Anfang der 1990er Jahre: Tönnies habe damals qualifizierte Mitarbeiter an einem vergleichsweise modernen Schlachthof vorgefunden. Heute ist das Unternehmen der größte industrielle Arbeitgeber der Region, wie die Zahlen der IHK zeigen. Das Lebensmittelunternehmen setze darauf, dass Arbeit und Ausbildung im Fleischwerk hochspezialisiert seien, erklärte Tillmann. „Und wir locken mit sicheren Arbeitsplätzen.“
Wo die Arbeitsbedingungen stimmten, wirkten eben auch die Belegschaften als Botschafter für den jeweiligen Standort und als Werber für weitere attraktive Industriearbeitsplätze. Dies betonte auch Gewerkschafter Koppitz: „Wir stehen dafür ein.“ Stimmung und Zustimmungswerte zugunsten der Industrie innerhalb wie außerhalb der Unternehmen hätten ihn deshalb gar nicht so sehr überrascht.
Die Teilnehmer waren sich schließlich einig in der Überzeugung, dass beim Thema Fachkräfte weiter Handlungsbedarf bestehe. Die Ausbildung an Hochschulen und in den Betrieben müsse intensiviert werden, hielt etwa Minister Willingmann fest.
Standortmarketing vorantreiben!
Als Konsequenz arbeiteten die Diskussionsteilnehmer heraus, Sachsen-Anhalt müsse besser bei seinen Zielgruppen ankommen. Ob nun Industrieunternehmen, die ihr Geschäft hier auf- oder ausbauen sollen, ob Fachkräfte, die kommen oder bleiben sollen – beides ist eine Aufgabe für das Marketing des Landes.
IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Brockmeier fasste es so zusammen: Etliche Standort-faktoren sprächen schon heute für Sachsen-Anhalt: Die Partnerschaft zwischen Unternehmen und Gewerkschaften funktioniere weithin. Die Wissenschaft hier sei „ein Trumpf“. Sogenannte weiche Kriterien wie Natur, Kultur und Familienfreundlichkeit stimmten ebenfalls. Hinzugekommen sei nun ein weiterer Vorteil: die hohe Industrieakzeptanz in der Bevölkerung.

"Nur mit wettbewerbsfähigen Unternehmen können wir die Zukunft unseres Landes gestalten. Dafür gehören die richtigen Prioritäten gesetzt. Denn die übergroße Mehrheit der Bürger erwartet genau das, wie unsere repräsentative Umfrage zeigt: Mehr Industrie wagen!"