Positionspapier zur Bewältigung der Coronakrise

Fairer Wettbewerb, offene Märkte, bereits angekündigte Belastungen für Unternehmen zumindest aufschieben – die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) hat auf ihrer Sommersitzung Wege aus der Corona-Krise vorgezeichnet. Das Gremium ist die gewählte Vertretung von 55.000 Unternehmen im südlichen Sachsen-Anhalt. „Wichtige strukturelle Reformen von Arbeits­markt über Klimaschutz bis Unternehmenssteuern müssen jetzt angepackt werden. Konjunkturprogramme allein genügen nicht. Marktmechanismen gilt es zu nutzen, statt sie über staatliche Wettbewerbseingriffe zu behindern“, fasst IHK-Präsident Prof. Dr. Steffen Keitel die Kernaussagen des Positionspapiers zusammen. Unter anderem fordert die Vollversammlung, in der Klimapolitik den Emissionshandel als Instrument zu stärken. „Sonderregelungen zur Förderung bestimmter Energieträger – wie zum Beispiel das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) – wären somit entbehrlich und sollten abgeschafft werden.“
Der IHK-Präsident unterstreicht: „Um die harten Folgen der Corona-Krise zu bewältigen, braucht die Wirtschaftspolitik einen ordnungspolitischen Kompass – ausgerichtet am Erfolgsmodell der sozialen Marktwirtschaft.“ Die von der Bundesregierung aufgelegten Konjunkturprogramme könnten zwar durchaus Impulse zur wirtschaftlichen Erholung geben. „Ein Allheilmittel sind sie aber nicht!“ Um strukturelle Folgeschäden der Pandemie zu vermeiden, brauche das Land spätestens 2021 eine gezielte Strukturpolitik und eine mutige Reformagenda. Keitel: „Es gilt, den Unternehmen Lust auf und Luft für Investitionen zu verschaffen und so für nachhaltige Zukunftsperspektiven für die Region zu sorgen.“ Das Positionspapier der Vollversammlung ist Grundlage der politischen Arbeit der IHK im Austausch mit Politik und Verwaltung.
Zentrale Aussagen des IHK-Positionspapiers:
Ein marktwirtschaftliches Plädoyer zur wirksamen Bewältigung der Corona-Krise
Zukunftspaket: Gute Ansätze, die aber nicht weit genug gehen
Die Bundesregierung hat angesichts der Corona-Krise ein „Zukunftspaket“ geschnürt, es enthält durchaus gute Ansätze – wie Investitionen im Gesundheits-, Bildungs- und Verkehrsbereich sowie digitalen Infrastruktur­vorhaben. Dieses Paket ist jedoch längst nicht ausreichend, da es die Chance verpasst, wichtige strukturelle Reformen anzuschieben, etwa bei den Unternehmenssteuern. Um strukturelle Verwerfungen in Folge von Pandemie und Eindämmung zu verhindern und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu erhalten, genügen Konjunkturprogramme allein nicht. So könnten bei der Bewältigung der Krise auch Modelle der öffentlich-privaten Partnerschaft stärker zum Zuge kommen.
Belastungsmoratorium: Wachstumshemmer verschieben
Die IHK schlägt ein Belastungsmoratorium vor: Angekündigte oder geplante Maßnahmen, welche die Erholung der Wirtschaft zu behindern drohen, sollten verschoben werden. Kurzfristig sind die Corona-Folgen neu zu bewerten, um die wirtschaftliche Dynamik nicht weiter auszu­bremsen. Das betrifft etwa das „Gesetz zur Stärkung der Integrität der Wirtschaft“, unter dem unscheinbaren Titel entstände über ein Verbands­sanktionengesetz faktisch ein neues Unternehmensstrafrecht: Firmen sollen für Straftaten ihres Führungspersonals herangezogen werden, ohne dass organisatorische Schutzmaßnahmen dabei angemessen berück­sichtigt werden. Außerdem auf den Prüfstand gehören: der neue nationale Zertifikatehandel für Brennstoffe, ein mögliches Homeoffice-Gesetz, die Kassenrichtlinie, Einschränkungen sachgrundloser Befristung, das neue Energielabel, die abgeschaffte Möglichkeit, Drittstrommengen zu schätzen und die Regelungen zur Sustainable Finance.
Bessere Rahmenbedingungen auf die Reformagenda
Um die Bedingungen für unternehmerisches Handeln zu verbessern, sollten ab 2021 wesentliche Entlastungen auf der Agenda stehen. In der Steuerpolitik sollten etwa die Gemeindefinanzierung neugefasst und die Gewerbesteuer abgeschafft werden. Die Steuerbelastung der Unternehmen sollte auf den EU-Durchschnitt sinken. Arbeitsmarkt­politische Signale würden ein Aufschub für Mindestlohnanpassungen, keine Diskriminierung der Arbeitnehmerüberlassung sowie die modernisierte Arbeitszeitvorschriften senden. Für Bürokratieabbau sorgen beschleunigte Genehmigungsverfahren, das Prüfen von Melde- und Berichtspflichten auf Notwendigkeit sowie kürzere Aufbewahrungsfristen im Handels- und Steuerrecht. Nicht zuletzt ist der Rotstift bei Gebühren und Abgaben anzusetzen: Die Vorfälligkeit der Sozialversicherungs­beiträge sollte zurückgenommen, die EEG-Umlage abgeschafft und der Rundfunkbeitrag unternehmensfreundlich gestaltet werden.
Klimaschutz neu justieren
Die Corona-Krise hat – wenn auch auf unbeabsichtigte Weise – gezeigt, wie sich Emissionsmengen drastisch von einem Tag auf den anderen reduzieren lassen. Deutlich wurde aber ebenso, welche immensen Schäden dadurch in Wirtschaft und Gesellschaft entstehen. Klimaschutz muss deshalb wieder sowohl volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit als auch tatsächliche Vermeidungspotenziale in den Blick nehmen und bewerten. Klimapolitik sollte hier lediglich den Rahmen setzen, einen technologieoffenen Ansatz verfolgen und die Entscheidungen des Marktes integrieren. Das passende Instrument ist nach Ansicht der IHK der europäische Emissionshandel, der konsequent zu nutzen und zu erweitern ist. Sonderregeln, die bestimmte Energieträger fördern, wären damit entbehrlich und sollten abgeschafft werden – wie das EEG.
Kohleausstieg neu bewerten – Kohlekompromiss ernst nehmen
Der mit dem Kohleausstieg verbundene Wandel darf nicht zu einem Strukturbruch führen. Bisher bleiben die beschlossenen Maßnahmen weit hinter dem Kompromiss der „Kohlekommission“ zurück und setzen größtenteils auf Investitionen, welche die öffentliche Hand kofinanzieren muss. Von der angekündigten „Eins-zu-eins-Umsetzung“ der Kommissionsempfehlungen kann derzeit nicht die Rede sein. Deshalb besteht die Gefahr, dass Länder und Kommunen die Mittel nicht ausschöpfen, um ihre angespannten Haushalte nicht zu belasten. Zudem zehrt die Corona-Krise das Eigenkapital der Unternehmen auf, was Wachstumsimpulse aus eigener Kraft einschränkt. Mehr denn je ist somit die im Kohlekompromiss vorgesehene Förderung privater Investitionen in der Region nötig. Doch derartige Schritte fehlen im Gesetzespaket zur Strukturstärkung und zum Kohleausstieg völlig. Hier braucht es verbindliche Zusagen, um fatale Folgen zu vermeiden.