Orientierungshilfe bei Geschäftsaufgabe

Geschäftsaufgabe – was ist zu tun? 

Bei einer Geschäftsaufgabe werden Sie mit einer Vielzahl von Aufgaben sowie rechtlichen und steuerlichen Anforderungen konfrontiert. Befassen Sie sich möglichst rechtzeitig mit dem Thema Geschäftsaufgabe. Es sind lange Fristen und Wartezeiten denkbar, die Ihnen die Geschäftsaufgabe erschweren. Kümmern Sie sich schnell und gezielt um die aufgeführten Punkte. Generell ist bei einer Geschäftsaufgabe die Hinzuziehung eines Steuerberaters, eines Rechtsanwalts und ggf. eines Notars zu empfehlen. 
Hier geben wir Ihnen einen Überblick, welche Benachrichtigungen, Vertragskündigungen und Organisationsaufgaben bei einer vollständigen Geschäftsaufgabe zu erledigen sind.
Wichtig:
Die hier dargestellten Hinweise beziehen sich insbesondere auf die Geschäftsaufgabe in Form der Betriebsstilllegung, d. h. auf die endgültige Aufgabe des Betriebszwecks bei gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation. Auch eine bloß vorübergehende Schließung (Betriebsunterbrechung) erfüllt die Voraussetzungen noch nicht.

Davon zu unterscheiden ist die Betriebsübernahme: Hier geht der Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen neuen Inhaber über. Dies geschieht durch Unternehmensverkauf und/oder durch Übergabe des Unternehmens im Rahmen einer Unternehmensnachfolge. Unsere Hinweise zur Betriebsübernahme bzw. Unternehmensnachfolge finden Sie auf unserer Homepage.

1. Finanzen/Steuern 

  • Steuerberater:
    • steuerliche Folgen der Geschäftsaufgabe klären
    • Erstellung Schlussbilanzen und Steuererklärung
    • Kündigung des Buchführungs- und Steuerberatungsvertrage 
  • Finanzamt:
    • Mitteilung der Geschäftsaufgabe, in Absprache mit Steuerberater
    • Einreichung Abschlussbilanz
    • Einreichung der Gewerbeabmeldung 
  • Sonstiges:
    • Aufbewahrung Geschäftsunterlagen/Steuerunterlagen organisieren (Buchhaltung/Rechnungen, Jahresabschlüsse, Inventuren)
Tipp:
Die Erklärung der Betriebsaufgabe gegenüber dem Finanzamt ist bindend und mit entsprechenden Folgen verbunden. Besprechen Sie daher vor der Umsetzung der Betriebsaufgabe diese unbedingt mit einem steuerlichen Berater. Um spätere Streitigkeiten mit dem Finanzamt zu vermeiden, sollten Sie genau dokumentieren, zu welchem Zeitpunkt der Entschluss zur Betriebsaufgabe gefasst wurde. Zudem ist der Betriebsaufgabegewinn zu ermitteln und eine Schlussbilanz zu erstellen. Nicht zuletzt aufgrund der komplexen Errechnung des Aufgabegewinns ist es ratsam, bei der Betriebsaufgabe einen Steuerberater zu konsultieren.

2. Mitarbeiter

  • Feststellung, ob eine Betriebsstilllegung oder eine Betriebsübernahme vorliegt
  • Kündigung der Arbeitsverträge
    • Wenn vorhanden: Betriebsrat beteiligen, Mitbestimmungsrechte beachten (Interessenausgleich, Sozialplan)
    • Abfindungsansprüche der Mitarbeiter prüfen o Zustimmung der zuständigen Behörde einholen (Mitarbeiter in Elternzeit, Schwangere, Schwerbehinderte)
    • Einbeziehung bei der Agentur für Arbeit bei Kündigung von Ausbildungsverträgen
    • Anzeige der Kündigungen bei der Agentur für Arbeit (betrifft Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigte)
  • Abmeldung der Mitarbeiter bei den Krankenversicherungen

KÜNDIGUNGSFRISTEN

Eine Betriebsstillegung stellt keinen Grund für eine fristlose, außerordentliche Kündigung dar. Eine ordentliche Kündigung ist hingegen möglich. Das heißt, die Kündigungsfristen, die sich entweder aus dem Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder aus dem Gesetz ergeben, sind zwingend einzuhalten. Bei langjährigen Arbeitsverhältnissen können so gesetzliche Kündigungsfristen bis zu sieben Monaten maßgeblich sein. Von daher sollten Sie sich bereits frühzeitig über die verschiedenen Möglichkeiten der Beendigung eines Arbeitsvertrages informieren. Eventuell ist es auch möglich, Aufhebungsverträge zu schließen. Beachten Sie jedoch, dass sich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge des Aufhebungsvertrages besondere Aufklärungs- und Belehrungspflichten hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Folgen bzw. des Verlustes von Versorgungsanwartschaften ergeben können. Sollen nicht alle Arbeitsverhältnisse am selben Tag enden, weil die Betriebsstillegung etappenweise erfolgt, müssen unter vergleichbaren Arbeitnehmern die „sozial stärksten“ zuerst gekündigt werden.
Beachte:
Befristete Arbeitsverhältnisse können während ihrer Laufzeit nur dann fristgerecht gekündigt werden, wenn der Arbeitsvertrag eine entsprechende Klausel enthält.

KÜNDIGUNGSSCHUTZ

Bei Mitarbeitern mit besonderem Kündigungsschutz (Elternzeit, Schwangere, Schwerbehinderte) muss vor Aussprache der Kündigung die Zustimmung des Landesverwaltungsamtes bzw. des Integrationsamtes eingeholt werden (z. B. vorherige Zustimmung des Integrationsamtes bei Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer).
Beachte:
Die Zahlung einer Abfindung bedarf außerhalb eines Arbeitsgerichtsprozesses einer Rechtsgrundlage. Diese kann sich aus Vertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertag ergeben. Darüber hinaus kann im Rahmen eines Arbeitsgerichtsprozesses bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ein Abfindungsanspruch bestehen.

FORTSETZUNG DER AUSBILDUNG

Sollen Auszubildende im Rahmen der Betriebsaufgabe gekündigt werden, sind Sie als Ausbilder aufgrund des Ausbildungsvertrages eventuell verpflichtet, sich mit Hilfe der zuständigen Agentur für Arbeit rechtzeitig um eine Fortsetzung der Ausbildung im bisherigen Ausbildungsberuf in einer anderen geeigneten Ausbildungsstätte zu bemühen. Es empfiehlt sich, sich rechtzeitig mit dem zuständigen Ausbildungsberater der IHK in Verbindung zu setzen.

ANZEIGEPFLICHT BEI DER ARBEITSAGENTUR/BETRIEBSRAT 

Sind im Unternehmen mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigt, besteht bei Betriebsschließung eine Anzeigepflicht der bevorstehenden Kündigungen gegenüber der Agentur für Arbeit. Existiert ein Betriebsrat ist dieser vor Ausspruch der Kündigung zu hören (§ 102 BetrVG). Bei Betrieben mit mehr als zwanzig Arbeitnehmern sind zudem die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei sog. Betriebsänderungen zu beachten (Interessenausgleich, Sozialplan, § 111 BetrVG). Die Stellungnahme des Betriebsrates ist der Anzeige gegenüber der Agentur für Arbeit beizufügen. Informationen zu Inhalt und Fristen der Anzeige finden Sie im Merkblatt für Arbeitgeber „Anzeigepflichtige Entlassungen“ der Agentur für Arbeit (https://www.arbeitsagentur.de/datei/Merkblatt-5-Entlassung_ba015380.pdf).
Beachte:
Es ist unbedingt zwischen endgültiger Betriebsstilllegung und Stilllegung bei Betriebsübernahme zu unterscheiden. Bei einer Betriebsübernahme tritt der neue Inhaber per Gesetz in alle Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen ein (§ 613 a BGB). Eine Kündigung wegen des Übergangs des Betriebs oder des Betriebsteils ist unwirksam. Die betroffenen Arbeitnehmer sind über den Zeitpunkt und über die Folgen des Betriebsübergangs zu informieren und haben das Recht dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber zu widersprechen.

3. Langfristige Verträge 

Verträge enden nicht einfach automatisch mit der Betriebsaufgabe. Von daher ist es wichtig, dass Sie sich rechtzeitig einen Überblick über die bestehenden Verträge und deren Kündigungsmodalitäten verschaffen; insb. auch über die jeweiligen Formvorschriften. Prüfen Sie auch, ob Ihnen im Falle einer Betriebsaufgabe eventuell ein außerordentliches Kündigungsrecht zusteht.
Beispiele langfristiger Verträge (nicht abschließend):
  • Gesellschafterverträge/Franchiseverträge
  • Darlehensverträge • Miet- und Pachtverträge
  • Leasing- und Wartungsverträge • Liefer- und Leistungsverträge
  • Telekommunikationsverträge (Telefon, Fax, Mail, Domain)
  • Energieversorgungsverträge (Abmeldung und Schlussabrechnung)
  • Wasserversorgungsverträge (Abmelden und Schlussabrechnung)
  • Müll- und andere Entsorgungsverträge
  • Werbeverträge (Telefonbuch, Branchenbücher, sonstige Werbung)
Wichtig:
Wenn Sie Darlehensschulden durch Sondertilgung ablösen, müssen Sie möglicherweise eine Vorfälligkeitsentschädigung bezahlen.
Tipp:
Erstellen Sie rechtzeitig eine Liste bestehender Verträge mit Kündigungsfristen. Halten Sie die vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen ein und beachten Sie die vorgeschriebene oder vereinbarte Form (z. B. schriftlich, per Einschreiben).

4. Versicherungen

  • Betriebsversicherungen kündigen (z. B. Feuerversicherung, Sturmversicherung, Betriebsunterbrechungsversicherung, Betriebsinhaltsversicherung).
  • Betriebshaftpflichtversicherung kündigen
  • Private Krankenversicherung über Betriebsschließung informieren
  • Deutsche Rentenversicherung: ggf. Rente beantragen
    • Ihre gesetzliche Rente erhalten Sie nicht automatisch. Sie müssen spätestens drei Monate vor dem gewünschten Starttermin einen Antrag stellen, um nicht in finanzielle Engpässe zu geraten.
Tipp:
Teilen Sie der Betriebshaftpflichtversicherung unbedingt den Grund für die Beendigung des Versicherungsvertrages mit (Betriebsschließung). Dann ist der Versicherer gehalten, über einen gewissen Zeitraum eine Nachversicherung für eventuell noch eintretende Schäden anzubieten. Diese deckt diejenigen Schadensfälle ab, die nach der Geschäftsaufgabe anfallen.

5. Abmeldungen und Anzeigen bei öffentlichen Stellen

  • Sozialversicherungen/Krankenkassen:
    • Geschäftsaufgabe anzeigen, Mitarbeiter abmelden
    • Die Krankenkasse leitet die Meldung automatisch an die Rentenversicherungsträger weiter.
    • ggf. Mitteilung an eventuell bestehende Zusatzversorgungskasse.
  • Berufsgenossenschaft/Unfallversicherungsträger:
    • schriftlich über die Geschäftsaufgabe informieren (binnen zwei Wochen nach der Geschäftsaufgabe).
  • Sozialkassen (z. B. SOKA Bau, Künstlersozialkasse etc.):
    • ggf. Abmeldung der Mitarbeiter vornehmen
  • Minijob-Zentrale:
    • ggf. Abmeldung der Mitarbeiter auf Minijob-Basis vornehmen
  • Gewerbeamt/Kammern/Erlaubnis- und Registerbehörden:
    • Gewerbeabmeldung
    • ggf. Erlaubnisrückgabe von überwachungsbedürftigen oder erlaubnispflichtigen Tätigkeiten
      • Löschung der Registrierung bei der zuständigen Registerbehörde bei registerpflichtigen Tätigkeiten
      • Handwerksbetriebe: Tätigkeit aus der Handwerksrolle bzw. dem Handwerksverzeichnis (zulassungspflichtige, –freie oder handwerksähnliche Gewerbe) austragen lassen
  • Amtsgericht/Handelsregister:
    • Ist der Gewerbebetrieb im Handelsregister eingetragen, muss die Eintragung aus dem Handelsregister gelöscht werden. Hierbei wird zwischen Einzelunternehmen und Personenhandelsgesellschaften sowie Kapitalgesellschaften unterschieden
      • eingetragener Kaufmann, e. K.: Anmeldung der Auflösung schriftlich in öffentlich beglaubigter Form über ein Notariat beim zuständigen Registergericht
      • Personenhandelsgesellschaft (OHG, KG): Anmeldung der Auflösung sowie der Liquidatoren und deren Vertretungsmacht in notariell beglaubigter Form beim zuständigen Registergericht durch alle Gesellschafter (§ 143 HGB).
      • GmbH; UG (haftungsbeschränkt): Anmeldung der Auflösung sowie der Liquidatoren und deren Vertretungsmacht in notariell beglaubigter Form beim zuständigen Registergericht durch jeweiligen gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft.
    • Nach der Auflösung: Einreichung des Gläubigeraufrufes beim Bundesanzeiger
Beachte:
Die Auflösung führt noch nicht zur Beendigung der Gesellschaft, vielmehr schließt sich die Abwicklung (Liquidation) an, deren Ziel es ist, die Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen, das verbleibende Vermögen unter den Gesellschaftern zu verteilen sowie die Gesellschaft aus dem Handelsregister zu löschen. Die Gesellschaft ist vollbeendet, wenn die Beendigung der Liquidation und die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister eingetragen ist. Die vollbeendete Gesellschaft hört damit auf zu existieren. Unter Umständen kommt auch eine Löschung durch das Registergericht wegen Vermögenslosigkeit in Betracht.

Die Liquidationsphase verläuft je nach Rechtsform unterschiedlich. Zu den Einzelheiten siehe folgende Merkblätter:
GmbH: www.ihk.de/bodensee-oberschwaben | Dok.-Nr. 77460
OHG: www.ihk.de/bodensee-oberschwaben | Dok.-Nr. 95080
KG: www.ihk.de/stuttgart | Dok.-Nr. 30363

6. Abmeldungen, Löschungen und Sonstiges

  • Fahrzeuge um- bzw. abmelden
  • Post benachrichtigen (Nachsendeauftrag bei Standortwechsel)
  • Kunden/Geschäftspartner/Lieferanten informieren
  • Steuerberater über reduzierten Geschäftsumfang informieren (ggfs. Mandat kündigen)
  • Kündigungen Mitgliedschaften/Verbände
  • Geschäftskonto auflösen
  • Kreditkartenverträge kündigen und Daueraufträge beenden
  • Lastschriften/Einzugsermächtigungen widerrufen
  • Einträge im Internet löschen (Homepage löschen oder anpassen)
  • ggf. Räumungsverkauf, Gutscheine einlösen •
  • Entsorgung/Verkauf der Betriebs- und Geschäftsausstattung (Mobiliar/Maschinen/Fahrzeuge)
  • Liquidität während der Abwicklungsphase planen
  • Nachhaftung bei Gewährleistung beachten
  • Wiederherstellung der gemieteten Räume; eventuell Renovierung
Beachte:
Für Geschäftsunterlagen gelten bestimmte Aufbewahrungsfristen. Für Bücher, Inventare, Jahresabschlüsse und sonstige steuerlich relevante Unterlagen sind das in der Regel 10 Jahre.
Wichtig:
Gewährleistungsverpflichtungen werden durch die Betriebsaufgabe nicht aufgehoben. Bei einem Einzelunternehmen haftet der frühere Inhaber persönlich bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist. Wenn die Arbeiten nicht mehr selbst ausgeführt werden können, muss ggf. ein anderer Betrieb beauftragt werden. Bei einer GmbH bzw. einer UG (haftungsbeschränkt) sind im Falle einer Liquidation schon bestehende Gewährleistungsverpflichtungen (wie alle anderen noch nicht fälligen Verbindlichkeiten) zu sichern, beispielsweise durch Hinterlegung von Geld, sofern der Betrag bekannt ist, oder durch Bürgschaften. Bei Verstoß gegen diese Regelung haftet der Liquidator. Bei einer OHG, KG oder GbR sind die noch nicht fälligen Verbindlichkeiten (also auch Gewährleistungsverpflichtungen) ebenfalls zurückzubehalten oder abzusichern.
Die hier dargestellten Informationen sowie eine übersichtliche Checkliste finden Sie nebenstehend auch als Download (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1780 KB).