Steuerschuld aus Rechnung
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seiner aktuellen Entscheidung vom 1. August 2025 (C‑794/23, RS P-GmbH II) seine bisherige Linie zum falschen Umsatzsteuerausweis von Unternehmern gegenüber Endverbrauchern bestätigt und geschärft. Bereits 2022 entschieden die europäischen Richter: Weist ein Unternehmer in einer Rechnung einen zu hohen Mehrwertsteuerbetrag aus, schuldet er den überhöhten Teil nicht, wenn die Leistung ausschließlich an Endverbraucher erbracht wurde, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Denn es fehlt in diesem Fall an einer Gefährdung des Steueraufkommens.
Indoor-Spielplatz stellt Rechnung mit zu geringem Steuersatz
Im Streitfall betrieb eine österreichische Gesellschaft einen Indoor-Spielplatz und stellte über Jahre hinweg Kleinbetragsrechnungen mit einem zu hohen Umsatzsteuersatz an Besucher aus. Die Kassenbons wurden an namentlich nicht bekannte Kunde gegeben. Allerdings blieb in der ersten Entscheidung offen, ob die höhere Steuer dann zu zahlen sei, wenn sich nicht exakt ermitteln lässt, ob die Rechnung an einen Unternehmer oder einen Endverbraucher gegeben wurde. Das Bundesfinanzministerium hatte hierauf mit Schreiben vom 27. Februar 2024 reagiert und die Anwendung des § 14c UStG, welcher den unrichtigen Steuerausweis regelt, bei Rechnungen an Endverbraucher eingeschränkt. Unter den Begriff des Endverbrauchers fasste das Ministerium auch privat handelnde Unternehmer. Gleichzeitig schloss es eine Schätzung in Mischfällen ausdrücklich aus.
Endverbraucher sind ausschließlich Nichtunternehmer
Mit der aktuellen Entscheidung hat der EuGH nun klargestellt, dass im Kern eine enge Auslegung des Begriffs „Endverbraucher“ gilt. Nach Meinung der Richter gelten als Endverbraucher ausschließlich Nichtunternehmer. Unternehmer, die eine Leistung ausnahmsweise privat oder für nichtwirtschaftliche Zwecke beziehen und deshalb kein Vorsteuerrecht hätten, sind keine Endverbraucher in diesem Sinne. Denn für solche Fälle bleibt das Risiko eines Vorsteuerabzugs bestehen – und damit die Gefährdung des Steueraufkommens. Ob eine Steuerschuld „kraft Rechnung“ entsteht, ist jeweils rechnungsbezogen zu prüfen.
Für typische Kassenbon-Massenfälle erkennt der EuGH ausdrücklich eine Schätzung an, um den Anteil der Rechnungen zu bestimmen, bei denen ein Risiko der Steuergefährdung besteht. Diese Schätzung muss sich auf objektive, aktuelle und nachvollziehbare Kriterien stützen (Art der Leistung und Abrechnung, Modalitäten der Erbringung, statistische Informationen zum Kundenkreis u. a.) und nur eine widerlegbare Vermutung begründen.
Mit dieser Entscheidung dürfte die aktuelle Linie der Finanzverwaltung wackeln. Es ist damit zu rechnen, dass der Endverbraucherbegriff auf Grundlage des Urteils von der Finanzverwaltung künftig enger gefasst wird und Schätzungen möglich sind. Bis zu einer offiziellen Anpassung empfiehlt es sich, betroffene Sachverhalte sorgfältig zu dokumentieren und im Massengeschäft eine belastbare Schätzung vorzunehmen, um bei Nachfragen des Finanzamts gewappnet zu sein.
Stand: 24. September 2025