BMWK-Vorschlag für einen Industriestrompreis

Am 05.05.2023 hat das Wirtschaftsministerium einen ersten offiziellen Vorschlag für einen Industriestrompreis veröffentlicht.
Der Vorschlag beruht auf zwei Säulen: Erstens ein langfristiger Transformationsstrompreis für die preisgünstige Bereitstellung von erneuerbarem Strom. Der Transformationsstrompreis setzt sich zusammen aus dem schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien und gezielten Maßnahmen, die energieintensiven Unternehmen Zugang zu erneuerbarem Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen garantieren. Die hier genannten Ideen sind jedoch nicht neu und wurden von der DIHK bereits zu Jahresbeginn sehr skeptisch bewertet. Zweitens ein mittelfristiger Brückenstrompreis für energieintensive Unternehmen, der sich an die bereits bestehende Strompreisbremse für energieintensive Unternehmen (ca. 150 TWh) von 6 Cent anschließt.
Einordnung:
Die derzeit diskutierten Modelle laufen alle darauf hinaus, dass der Staat Industriebetrieben einen gewissen Preis garantiert und die Differenz zum Marktpreis ausgleicht (Differenzkontrakt). Sollte der Marktpreis darunter liegen, müssten die Unternehmen die Differenz an den Staat erstatten. Unternehmen, die den Industriestrompreis in Anspruch nehmen können, profitieren davon. Aus dem gewählten Ansatz ergeben sich aber gesamtwirtschaftlich mehrere Nachteile:
  1. Der Adressatenkreis für einen Industriestrompreis wird beschränkt bleiben. Vermutlich wird eine der einschlägigen Branchenlisten zum Einsatz kommen und damit direkt Nachteile für Teile der Wirtschaft schaffen. In jedem Fall wären Branchen jenseits der Industrie ausgeschlossen. Der Staat würde einmal mehr über Wohl und Wehe von Branchen bestimmen können.
  2. Es wird nur ein eingeschränktes Volumen (derzeit geplant etwa in der Größenordnung von ¼ des Industriestrompreiskontingents in Frankreich) zur Versteigerung zur Verfügung stehen. Damit haben Unternehmen einen Vorteil, die mit höheren Preisen klarkommen, da sie einen höheren Preis bieten und damit den Zuschlag bekommen können. Unternehmen, die einen sehr günstigen Strompreis benötigen, fielen durchs Raster. Das eigentliche Ziel des Industriestrompreises würde verfehlt.
  3. Dem Staat werden ggf. erhebliche Kosten entstehen, die irgendwer tragen muss. Es besteht ein erhebliches Risiko, dass die Kosten auf alle anderen Stromkunden umgelegt werden.
  4. Weder der Erzeuger des Stroms noch der Industriebetrieb nehmen weiter am Markt teil, da der Staat Ausfallrisiken komplett übernimmt. Dies wird negative Auswirkungen auf die Liquidität insbesondere der Terminmärkte haben, da eine Absicherung der Anlagenbetreiber gegen Windflauten nicht mehr nötig ist. Zudem entfällt der Anreiz, flexibel auf kurzfristige Marktsignale zu reagieren, um beispielsweise bei geringen Marktpreisen den Windstrom in die Wasserstofferzeugung fließen zu lassen. Aufgrund des Ausbaus von Wind und PV wird flexibles Verhalten aber immer wichtiger. Sollte es sich um einen Endkundenpreis handeln, entfällt auch der Anreiz einer netzdienlichen Stromabnahme.
Bewertung:
Aus DIHK-Sicht überwiegen daher die Nachteile. Die DIHK hat mit einem Positionspapier vom Juni 2022 vorgeschlagen, sich am amerikanischen IRA-Modell zu orientieren und über Steuererleichterungen günstigere Strompreise zu erreichen: Demnach sollen regenerative Anlagen z. B. schneller abgeschrieben werden können, wenn sie einen langfristigen Liefervertrag mit einem oder mehreren Abnehmern schließen (PPA). Dieses Modell hat den Vorteil, dass es nicht auf Branchen und Strommengen beschränkt ist, den Ausbau erneuerbarer Energien anregen kann und zu keinen Marktverzerrungen führt, da Hedging am Terminmarkt weiter notwendig ist. Es bleibt allerdings der Nachteil, dass Strommengen, die nicht über den PPA abgedeckt werden, weiter den Marktpreisen unterliegen.