Girls' Day: Karrierewege für Mädchen

Inzwischen ist der Girls‘ Day, der sogenannte Mädchen-Zukunftstag, am vierten Donnerstag im April ein fester Termin in vielen Kalendern der Betriebe in der Region. In diesem Jahr gibt es am 27. April eine Erweiterung: Mit der Aktion „Ich werde Chefin“ ruft die IHK Südlicher Oberrhein Unternehmerinnen und Frauen in Führungspositionen dazu auf, Schülerinnen ab der achten Klasse den Chefinnen-Alltag vorzustellen. IHK Südlicher Oberrhein und IHK-Akademie Südlicher Oberrhein engagieren sich intensiv, um mehr Mädchen die männlich etablierten Berufe und Bereiche näherzubringen.
Tobias Betz nimmt seinen Beruf als Ausbilder Metall in der Ausbildungswerkstatt der IHK-Akademie Südlicher Oberrhein in Offenburg sehr genau. Ebenso genau überprüft er die Werkstücke der ihm anvertrauten Auszubildenden. Hin und wieder verzichtet er jedoch aufs genaue Maß nehmen. Jedenfalls bei den Dingen, denen Michelle Sielaff den letzten Schliff verpasst hat. „Er sagt, ich wäre für diese Arbeit gemacht“, hebt Michelle Sielaff die Schultern und lächelt. Die 21-Jährige ist im ersten Jahr der Ausbildung zur Industriemechanikerin bei der Maja-Maschinenfabrik Hermann Schill in Goldscheuer. Die elfmonatige „Grundausbildung in Metall“ absolviert sie im Rahmen der überbetrieblichen Ausbildung bei der IHK-Akademie Südlicher Oberrhein, weil ihr Ausbildungsbetrieb bestimmte Voraussetzungen dafür nicht vorhalten kann.
„Ich will was mit meinen Händen machen. Und ich will einen guten Lohn für meine Arbeit.“
Industriemechanik – das war in den vergangenen Jahrzehnten nicht gerade eine „Girls‘ Challenge“. Nicht unbedingt ein Beruf, in den junge Damen geströmt sind. Der Girls‘ Day ist hingegen eine Einrichtung, die seit Jahren den Weg für junge Frauen in bei Männern etablierten Berufen freimacht. Nicht, dass Michelle Sielaff das gebraucht hätte: „Ich will was mit meinen Händen machen. Und ich will einen guten Lohn für meine Arbeit“, erläutert sie selbstbewusst. Dass das nicht in jedem Beruf für sie passt – diese Erfahrung hat sie bereits gemacht. Sie brach die Ausbildung im Einzelhandel ab, weil das Warten auf Kunden und das Attraktiv-Machen der Verkaufskulisse sie nicht genügend ausfüllten. Die zweijährige Berufsschule für Pflege und Gesundheit hat sie hinter sich – und dazu von früher Kindheit an die Pflege naher Familienangehöriger, für die sie bereits als Teenager die Verantwortung übernahm.
Die Frage, ob sie einen „Mädels-Bonus“ hat in der Werkstatt der IHK-Akademie Südlicher Oberrhein, verneinen Michelle Sielaff und Tobias Betz unisono. „Die Jungs behandeln mich wie eine von ihnen“, meint sie. Und Tobias Betz fügt hinzu: „Und ich mache auch keinen Unterschied. Muskeln wird sie sich automatisch noch ein paar zulegen, weil wir hier einfach mehr heben als nur ein Smartphone.“ Tobis Betz spricht aus Erfahrung. Seit 14 Jahren ist er in der Metallausbildung und betreut im Schnitt zwei junge Frauen pro Jahr. Ein „bisschen anders“ sind die jungen Damen allerdings schon, hat er festgestellt. „Und das“, so Tobias Betz, „führt meistens dazu, dass in der Gruppe insgesamt mehr Ruhe herrscht und alle miteinander wesentlich dynamischer arbeiten.“
„Die ersten Jahre in der Selbstständigkeit waren kein Zuckerschlecken.“
Eine, die voller Dynamik ist und seit 2006 bereits selbstständig, ist Monika Schäfer. Die Gründerin der DieSignAgentur in Offenburg wusste schon im zarten Alter von fünf Jahren, dass sie ihre eigene Chefin werden würde: „Mein Vater war geschäftsführender Gesellschafter, meine Mutter war als Dolmetscherin selbstständig“, erinnert sie sich. „Eine berufstätige Mutter, die auch noch ihre eigene Chefin war, war für mich eine Selbstverständlichkeit“, resümiert Monika Schäfer. Dass ihre Eltern neben der Arbeit auch beide ehrenamtlich engagiert waren, hat ebenso auf Monika Schäfer „abgefärbt“: Sie ist Mitglied im IHK Einpersonen- und Kleinstunternehmensausschuss und gehört dem Präsidium der IHK an. Keine Frage, dass sie sich deshalb auch bei der Aktion „Ich werde Chefin“ engagiert. Damit ruft die IHK Südlicher Oberrhein Unternehmerinnen und Frauen in Führungspositionen dazu auf, Schülerinnen ab der achten Klasse im Rahmen des Girls’ Days am 27. April den Chefinnen-Alltag vorzustellen.
„Natürlich habe auch ich mich nicht gleich in die Selbstständigkeit getraut“, erinnert sich Monika Schäfer, aber „ich war nach dem Studium die einzige Grafikerin in der Marketingabteilung eines großen Industrieunternehmens und konnte mir meinen Arbeitsplatz selbst gestalten.“ Ihr Blick zurück ist völlig unverklärt: „Die ersten Jahre in der Selbstständigkeit waren kein Zuckerschlecken.“ Was sie als größte Herausforderung empfunden hat: „Definitiv die Trennung zwischen Job und Privatleben hinzukriegen. Irgendwann am Tag einen Feierabend zu finden.“
Wenn sie am 27. April zum Girls‘ Day junge Frauen im Rahmen der Aktion „Ich werde Chefin“ coacht, gibt sie ihnen vor allen Dingen eines mit auf den Weg: „Wer sich die Verbindung zwischen Beruf und Familie wünscht, für den ist die Selbstständigkeit ideal. Man muss aber schon sehr ehrlich mit sich selbst sein, ob man das Zeug zur Unternehmerin hat, ob man ausreichend Disziplin aufbringt und ob man auch Lust auf die ganze Bürokratie hat, die eine Selbstständigkeit mit sich bringt.“
Alle Informationen und Möglichkeiten zur Anmeldung – sowohl für Unternehmerinnen und Führungsfrauen als auch für Schülerinnen ab der achten Klasse – zur IHK-Aktion Aktion „Ich werde Chefin“ am 27. April finden Sie hier.
Fragen beantwortet Isabell Heinrich von der IHK Südlicher Oberrhein.
21.04.2023