Brexit

Warenursprung und Präferenzkalkulation

Zollfreiheit für Ursprungswaren

Das Handels- und Kooperationsabkommen (EU-UK Trade and Cooperation Agreement, TCA) gewährt Zollfreiheit für Ursprungserzeugnisse aus der EU und dem Vereinigten Königreich.
Das heißt: Die Einfuhr von Waren aus der Europäischen Union in das Vereinigte Königreich und umgekehrt ist zollfrei, wenn es sich nachweislich um Ware handelt, die den Ursprungsregeln des Abkommens entspricht. Zu beachten ist jedoch, dass Zollverfahren für alle Warenlieferungen zwischen den Vertragsparteien des TCA notwendig sind.
Das Abkommen wird seit dem 1. Januar 2021 vorläufig angewendet, bis die für das Inkrafttreten erforderlichen Verfahren (förmliche Ratifizierung mit dem Ziel eines regulären Inkrafttretens) abgeschlossen sind.

Ursprungsregeln

Zollfreiheit gilt nur für Ursprungserzeugnisse der Vertragsparteien. Sie wird also dann gewährt, wenn die Ware ihren Ursprung in der EU oder im Vereinigten Königreich hat.
Dies ist der Fall, wenn die Ware in der EU bzw. im Vereinigten Königreich gemäß Artikel ORIG.3 des Freihandelsabkommens
  • vollständig gewonnen wird im Sinne des Artikels ORIG.5,
  • vollständig aus Ursprungswaren hergestellt wird
  • oder ausreichend be- bzw. verarbeitet wurde. Dabei darf nur ein bestimmter Anteil an Materialien aus Drittstaaten verwendet werden. Hierbei sind produktspezifische Ursprungsregeln zu beachten, die einen Ursprung je nach Warentarifkapitel verleihen können (Artikel ORIG.5 in Verbindung mit Anhang ORIG.2 (Regeln) und Anhang ORIG.1 (Erläuterungen)). Sollten diese Regeln nicht zum Ursprung führen, können die erlaubten Toleranzen unter Umständen dennoch einen Ursprung verleihen (Artikel ORIG.6).
Welche Schritte als nicht ausreichende Be- oder Verarbeitung gelten, definiert das Abkommen in Artikel ORIG.7
Ein Merkblatt des Zolls informiert ausführlich über die im Abkommen vereinbarten Verfahrens- und Ursprungsregeln. Das Merkblatt soll bei Bedarf fortlaufend aktualisiert werden.
Auch die britische Regierung hat eine ausführliche Erklärung der Ursprungsregeln in einem Leitfaden zusammengestellt.

Kumulierung

Das Abkommen sieht in Artikel ORIG.4 neben einer eingeschränkten bilateralen Kumulierung (für Vormaterialien mit Ursprung in der jeweils anderen Vertragspartei) auch eine vollständige bilaterale Kumulierung vor (für Vormaterialien, die in der jeweils anderen Vertragspartei be- oder verarbeitet wurden, ohne dabei den Ursprung zu erlangen) vor.

Präferenznachweise

Wie bei allen jüngeren Freihandelsabkommen gilt als einzig möglicher Präferenznachweis die Erklärung zum Ursprung auf einem Handelspapier. Diese folgt einem festgelegten Wortlaut und ist auch als Langzeiterklärung für mehrere Sendungen innerhalb eines Jahres möglich. Den Wortlaut zur Erklärung zum Ursprung finden Sie im Anhang ORIG-4 des Abkommens. Es handelt sich um den üblichen Wortlaut, wie er auch in anderen Handelsabkommen der EU vorgesehen ist. Die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 ist nicht möglich. Erklärungen zum Ursprung können auch nachträglich ausgestellt werden.  

Ursprungsnachweise ausgestellt in der EU

Bis zu einem Wert von 6.000 Euro kann die Erklärung zum Ursprung von jedermann erstellt werden. Ab einem Warenwert von 6.000 Euro dürfen nur Registrierte Ausführer (REX) eine Ursprungserklärung abgeben. Dazu ist die REX-Nummer ist in dem Feld “Ausführer-Referenznummer” einzutragen. Der Ermächtigte Ausführer gilt nicht.

Ursprungsnachweise ausgestellt im Vereinigten Königreich

Ausführer im Vereinigten Königreich müssen ihre GB EORI-Nummer unabhängig von Wertgrenzen auf der Erklärung zum Ursprung abgeben. Bei der Einfuhr in die EU ist dann der Ursprung mit “GB”, die beantragte Begünstigung (Präferenzzollsatz) mit „300“ sowie der jeweils gewählte Ursprungsnachweis mit einer der folgenden Codierungen in der Zollanmeldung anzugeben:
  • U116 Erklärung zum Ursprung
  • U118 Erklärung zum Ursprung für Mehrfachsendungen identischer Ursprungserzeugnisse
  • U117 Gewissheit des Einführers
Weitere Details sind der Fachmeldung ATLAS-Info 0109/20 vom 30. Dezember 2020 zu entnehmen.

Gewissheit des Einführers

Falls keine Erklärung zum Ursprung vorhanden ist, kann der Warenursprung auch durch eine Selbstauskunft des Importeurs gemäß Artikel ORIG.21 (Gewissheit des Einführers) des Abkommens bestätigt werden. In diesem Fall beantragt der Importeur auf Basis seiner Kenntnis der Ware auf eigene Verantwortung die Präferenz und damit eine zollfreie Abfertigung.
Der Warenursprung muss anhand der in Artikel ORIG.24 des Abkommens genannten Informationen gegenüber den Zollbehörden bewiesen werden können. Dazu zählen beispielsweise Kalkulationsunterlagen, Wareneingangsrechnungen für die bei der Herstellung eingesetzten Vormaterialien, Informationen über Wert, Gewicht, zolltarifliche Einreihung der eingesetzten Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft oder Einzelheiten zum Herstellungsprozess.
In seiner Fachmeldung vom 30. März 2021 rät der Zoll daher vor einer leichtfertigen Verwendung und Codierung des Präferenznachweises “U117 – Gewissheit des Einführers” ab.
Diese Codierung erfordere belastbare Informationen und komme nur dann zum Tragen, wenn eine enge Beziehung zwischen Exporteur und Importeur bestehe. Beispiele sind hier etwa verbundene Unternehmen, bei denen ein gemeinsamer (elektronischer) Zugriff auf erforderliche Daten möglich ist.
Bei einer unzutreffenden Anmeldung der Präferenz mittels der „Gewissheit des Einführers“ ist ein nachträglicher Wechsel der Art des Präferenzursprungsnachweises nicht möglich. Bei einer Falschcodierung drohen folglich erhebliche Nacherhebungen von Zöllen, auch wenn die Falschcodierung bei Abgabe der Zollanmeldung irrtümlich erfolgt ist.

Lieferantenerklärungen

Nachdem das Abkommen am 31. Dezember 2020 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde, kann bei Neuausstellung von Lieferantenerklärungen Großbritannien (GB) als präferenzbegünstigtes Land angegeben werden. Voraussetzung ist, dass die Waren die Ursprungsregeln erfüllen oder, dass für Handelsware eine Lieferantenerklärung des Vorlieferanten vorliegt, auf der das Vereinigte Königreich genannt ist.

Übergangsregelung: Erklärung zum Ursprung ohne EU-Lieferantenerklärung

Lieferantenerklärungen können auch nachgereicht werden, da das Abkommen erst im Dezember beschlossen wurden. Der Ausführer muss jedoch sicherstellen, dass ihm sein Lieferant die Lieferantenerklärung bis zum 1. Januar 20222 nachreicht. Sollte der EU-ansässige Ausführer bis zum 1. Januar 2022 nicht im Besitz der Lieferantenerklärung sein, muss er dies dem britischen Einführer bis zum 31. Januar 2022 mitteilen. Vorab kann die Erklärung zum Ursprung auf dem Handelspapier abgegeben werden.
Nähere Informationen finden Sie auf der Internetseite des Zolls.

Auswirkungen auf EU-Handelsabkommen

Auf seiner Internetseite erläutert der deutsche Zoll, dass das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich keinerlei Relevanz für die übrigen präferenziellen Handelsabkommen der EU-27 hat.
Für Unternehmen, die britische Vormaterialien in ihrer Produktion benutzen, bedeutet dies eine erstmalige Kalkulation in Bezug auf den Präferenzursprung für andere EU-Abkommen. Eine Anleitung finden Sie auf der Website des Zolls
  • Jede Vorleistung (Erzeugnisse, Materialien oder jeder Be- oder Verarbeitungsvorgang, nachstehend VK-Inhalt), die im Vereinigten Königreich erbracht wird, verliert ihre europäische Präferenzeigenschaft. Mit anderen Worten: Aus dem Vereinigten Königreich in die EU eingeführte Waren (Vorleistungen, also Vorprodukte und Verarbeitungsvorgänge) gelten seit dem 1. Januar 2021 für die Zwecke ihrer Verwendung im Rahmen der EU-Präferenzregelungen als Waren ohne Ursprungseigenschaft; die Ware muss daher als Drittlandsware eingestuft werden. Das TCA regelt nur die Ursprungsbestimmung im Warenverkehr zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich!
  • Ursprungsnachweise, die vor Ablauf des Übergangszeitraums in der EU oder im Vereinigten Königreich für Waren mit einem VK-Inhalt ausgestellt oder ausgefertigt werden, können innerhalb ihrer Geltungsdauer für die Gewährung einer Präferenzbehandlung nur dann anerkannt werden, wenn die Ausfuhr der Warensendungen bis zum 31. Dezember 2020 erfolgt oder gewährleistet ist. Sinngemäß gilt dies auch für Ursprungsnachweise aus Präferenzpartnerländern der EU. Die weitere Verwendung derartiger Ursprungsnachweise für EU-Ursprungswaren im Rahmen von Kumulierungsbestimmungen ist ausgeschlossen.
  • Lieferantenerklärungen, die vor dem 1. Januar 2021 im Vereinigten Königreich ausgefertigt wurden, verlieren automatisch ihre Gültigkeit. Wurden sie hingegen in den EU-27-Mitgliedstaaten ausgefertigt, so sind die jeweiligen Lieferanten dazu verpflichtet, ihre Kunden darüber zu informieren, wenn die von ihnen ausgefertigte Lieferantenerklärung für die gelieferte Ware aufgrund von maßgeblichen VK-Inhalten ab 1. Januar 2021 nicht mehr gültig ist.
  • Ermächtigte bzw. registrierte Ausführer müssen in ihren Ursprungskalkulationen sicherstellen, dass VK-Inhalte ab dem 1. Januar 2021 nicht mehr als EU-Ursprungskomponenten berücksichtigt werden. Ggf. müssen Lieferketten entsprechend angepasst werden. Im Einzelfall kann es auch erforderlich sein, das zuständige Hauptzollamt darüber zu informieren, dass die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der vereinfachten Verfahren nicht mehr vorliegen.
Die vorstehenden, ursprungsrechtlichen Ausführungen finden auf Nordirland in gleicher Weise Anwendung wie auf das übrige Vereinigte Königreich!