Nicht alles ist Käse
Die Molkerei Hüttenthal in Mossautal ist die letzte Privatmolkerei im Odenwald. Mit einer starken Regionalisierung, hoher Qualität und Nischenprodukten behauptet sich das Familienunternehmen gegen die Konkurrenz der Großkonzerne. Nach der erfolgreichen Übergabe an die vierte Generation blickt man optimistisch in die Zukunft – auch wegen eines neuen Produkts.
Text: Stephan Köhnlein
Weichkäse mit Rotkultur, halbfester Schnittkäse, Ziegenmilch-Spezialitäten und seit einiger Zeit auch hochwertiges Speiseeis – bei der Privatmolkerei Hüttenthal in Mossautal findet man eine Reihe von Produkten abseits des Mainstreams der Branche. „Wir sind eben keine Molkerei für den 400-Gramm-Gouda im Discounter“, stellt Geschäftsführer Julius Kohlhage klar. Genau diese Spezialisierung ist Teil des langjährigen Erfolgsrezepts des Familienbetriebs.
Die beiden Geschäftsführer Julius und Annalena Kohlhage. 
 
Bereits in der vorangegangenen Generation hat man sich entschlossen, die Molkerei nicht zu einem Industriebetrieb auszubauen. Statt Masse setzte man auf Klasse. „Es wurde Wert auf ein qualitatives Wachstum gelegt, bei dem wir Produkte schaffen, die die Großen so nicht herstellen können“, sagt Julius Kohlhage. Er führt den Betrieb mit seiner Frau Annalena. Vor einem Jahr haben sie die Molkerei von deren Eltern übernommen. Die beiden 30-Jährigen kennen sich seit der Schulzeit und haben mittlerweile einen zweijährigen Sohn. Julius Kohlhage studierte internationale Weinwirtschaft und Agrarwirtschaft, sie BWL und Leadership Management. Der Einstieg in die Milchverarbeitung fiel ihm leicht. Schließlich gebe es Überschneidungen zur Weinwirtschaft, erklärt er. In beiden Bereichen spielen unter anderem Hygieneanforderungen, Fermentationsprozesse, eine präzise Temperaturführung sowie ein feines Gespür für Sensorik und Reifung eine zentrale Rolle.
Hinter den beiden Jungunternehmern liegen schwierige Jahre: Corona und Ukrainekrieg seien große Herausforderungen gewesen, verbunden mit einer großen Unsicherheit, in der immer wieder auch die Frage aufkam, ob die Molkerei wirklich noch eine Zukunft habe. Mittlerweile befindet man sich jedoch nach diversen gemeinsamen Kraftakten wieder in ruhigerem Fahrwasser. „Das ist kein Betrieb, den man alleine stemmt – das muss man zusammen als Paar machen“, betont der Unternehmer.
Fünf Millionen Liter Kuhmilch pro Jahr
Die Hüttenthaler Privatmolkerei ist fest in der Region verwurzelt. Die rund 30 Mitarbeiter*innen wohnen fast alle in Mossautal und der nächsten Umgebung, die Milch kommt von Betrieben im Umkreis von maximal 35 Kilometern, das Liefergebiet hat einen Radius von rund 60 Kilometern. Bis zu fünf Millionen Liter Kuhmilch verarbeitet die Molkerei pro Jahr, dazu nochmals rund 100.000 Liter Ziegenmilch. Diese verarbeitete Milchmenge entspricht in etwa auch dem Jahresumsatz in Euro.
Ein besonderes Traditionsprodukt ist der Schichtkäse, ein Frischkäse aus Kuhmilch, der sich durch seine feste, leicht bröckelige Konsistenz von Quark unterscheidet. „Wir sind einer der drei letzten Betriebe in Deutschland, die Schichtkäse noch herstellen.“ Die Nachfrage ist da, besonders zur Käsekuchensaison und erst recht, seit ein großes Werk in Schefflenz im Neckar-Odenwald-Kreis vor Kurzem geschlossen wurde. Zwar habe man die Produktion etwas erhöht, beliefere unter anderem große qualitätsorientierte Bäckereien. Doch unter dem Strich sei man der bewährten Strategie treu geblieben: „Wir wollen nicht den Massenmarkt bedienen“, sagt Kohlhage.
Speiseeis als neues Geschäftsfeld
Eine neuere Erfolgsgeschichte ist das selbst hergestellte Speiseeis. „Meine Frau und ich hatten uns überlegt, in welchem Bereich wir noch wachsen können. Und weil wir einen Hofladen haben, der schon sehr gut läuft, haben wir uns gesagt: Da bieten wir auch Eis an.“ Zunächst habe man das Eis extern aus eigener Milch und Sahne produzieren lassen. Doch nachdem es immer wieder zu Lieferproblemen gekommen sei, habe man sich entschlossen, die Produktion selbst zu übernehmen.
Neu im Sortiment: verschiedene Eissorten.
 
Das Eis bietet für die Molkerei einen großen Vorteil: Joghurt oder Buttermilch haben nur eine Mindesthaltbarkeit von etwa 25 Tagen. „Wenn da mal die Nachfrage sinkt, bekommen wir das relativ schnell zu spüren“, sagt Julius Kohlhage. „Eis hingegen ist bis zu einem Jahr haltbar und lässt sich schon vor der eigentlichen Saison produzieren. So hatten wir auf einmal ein Produkt, das sich auch langfristig über den Winter herstellen lässt und das wir dann im Frühling und Sommer verkaufen können.“
Auch hier setzt man auf Qualität, wie Julius Kohlhage betont: „Wir müssen keine Milch ersetzen, keine Sahne durch irgendwelche Fette.“ In der Herstellung wird mit hochwertigen Fruchtzubereitungen oder französischer Valrhona-Kuvertüre gearbeitet. „Wir haben jetzt schon zwei Mitarbeiter alleine fürs Eis“, sagt der Unternehmer. Der Umsatz liege bereits im sechsstelligen Bereich. „Wir sehen da noch großes Potenzial.“
Dieser Artikel ist erstmals erschienen im IHK-Magazin „Wirtschaftsdialoge”, Ausgabe 5/2025. Sie möchten das gesamte Heft lesen? Die „Wirtschaftsdialoge” können Sie auch online als PDF-Datei herunterladen.
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Matthias Voigt
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