„Lästiger Papierkram fällt weg“
Manfred Pentz ist hessischer Minister für Entbürokratisierung. Im Interview erklärt er, wie bestehende Gesetze unternehmensfreundlicher werden, welche Pflichten bereits abgeschafft wurden – und was der Bund und Europa von Hessen als »Schnellboot des Bürokratieabbaus« lernen können.
Interview: Matthias Voigt
Manfred Pentz, hessischer Minister für Entbürokratisierung.
IHK: IHK-Präsident Christian Jöst sagt: »Jeder Politiker, den ich treffe, ist für Bürokratieabbau. Geändert hat sich aber bisher fast nichts.« Wieso läuft es mit Ihnen als Minister für Entbürokratisierung anders als bisher?
Manfred Pentz: Weil wir als Landesregierung liefern. Wir werden noch in diesem Jahr das erste Bürokratieabbaugesetz in Hessen verabschieden, mit dem wir 120 Vorschriften in über 90 Gesetzen abschaffen oder vereinfachen. Das hat es in Hessen noch nicht gegeben und wir arbeiten bereits am zweiten und dritten Abbaugesetz. Das ist ein klarer Weg und diesen wollen wir nicht nur in unserem Bundesland gehen, sondern auch auf Bundesebene und in Europa.
IHK: Sie hatten im Interview mit uns vor gut einem Jahr angekündigt, für jedes neue Gesetz sollen künftig zwei bestehende entschlackt werden oder ganz entfallen. Wie weit sind Sie hier schon gekommen?
Manfred Pentz: Wir haben uns innerhalb der Landesregierung auf die Ziele und Grundsätze der Regulierung geeinigt. Darin ist eine konsequente Überprüfung von Vorschriften mit dem Ziel des Bürokratieabbaus enthalten. Viel wichtiger als das Verhältnis neuer Gesetze zu abgeschafften Gesetzen ist es aber, dass die bestehenden Gesetze bürger- und unternehmensfreundlicher ausgestaltet werden. Indem wir mehr Flexibilität, zum Beispiel bei Unternehmensansiedlungen, schaffen und der örtlichen Verwaltung mehr Ermessensspielräume einräumen.
IHK: In welchen Bereichen planen Sie, mit dem Bürokratieabbau zu beginnen? Wo sehen Sie Spielraum, um schnell konkrete Maßnahmen zur Entbürokratisierung umzusetzen?
Manfred Pentz: Wir beginnen ja nicht mehr, wir sind mittendrin. Konkrete Maßnahmen finden Sie in fast allen Bereichen. In der Kommunikation mit den Verwaltungen haben wir zum Beispiel das Schriftformerfordernis standardmäßig abgeschafft. Auf deutsch: für sehr viele Anliegen an den Staat reicht es jetzt, einfach eine E-Mail zu schreiben. Lästiger Papierkram fällt weg. Wir haben beim Planungsrecht die Beteiligung von Behörden und Institutionen zurückgeführt, damit Infrastrukturmaßnahmen schneller umgesetzt werden können. Die Bauordnung wird gerade entschlackt und wir haben Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, landesrechtliche Vorschriften auszusetzen. Vereine und Ehrenamt haben wir nicht nur durch Vereinfachungen bei der staatlichen Förderung entlastet, sondern wir übernehmen als Land auch die GEMA-Gebühren. Das alles sind wichtige erste Schritte und Sie kennen das ja: die ersten Schritte sind immer die schwersten. Wir haben jetzt Fahrt aufgenommen und wollen in dieser Legislaturperiode noch viel erreichen.
IHK: Generell gesprochen: Wie lange wird es dauern, bis Unternehmen die angekündigten Entlastungen durch Entbürokratisierung auch spüren können?
Manfred Pentz: Das parlamentarische Verfahren beim ersten Bürokratieabbaugesetz ist sehr weit vorangeschritten. Ich gehe davon aus, dass die Entlastungen zum Jahresbeginn in Kraft treten. Wir müssen aber festhalten: Die entscheidenden Vorgaben für die Unternehmen kommen aus Berlin und Brüssel. Wir haben den Anspruch, dass der Bund dem hessischen Modell folgt. Die kürzlich im Bundeskabinett beschlossenen Eckpunkte und Gesetze gehen in die richtige Richtung, es hapert aber an der Geschwindigkeit. Hier wünsche ich mir mehr Mut und größere Schritte. Ähnlich ist es mit der europäischen Ebene. Wir haben jetzt einen vernünftigen Weg bei den Lieferketten gefunden, die Entwaldungsverordnung ist vorläufig gestoppt und die Omnibus-Pakete der EU-Kommission lassen auf Verbesserungen bei den Berichts- und Dokumentationspflichten hoffen. Hessen ist das Schnellboot des Bürokratieabbaus. Doch erst wenn uns die großen Tanker Bund und Europa folgen, werden wir spürbare Verbesserungen sehen.
IHK: Damit Unternehmen ihre Berichts- und Dokumentationspflichten mit überschaubarem Zeitaufwand erfüllen können, muss sich die digitale Erreichbarkeit der Verwaltung verbessern. Teilen Sie die Ansicht und wie soll dies gelingen?
Manfred Pentz: Die Digitalisierung ist sicherlich ein wichtiges Werkzeug. Aber aus Sicht der Entbürokratisierung warne ich auch vor zu viel Erwartung in diesem Bereich. Als erstes müssen wir überprüfen, ob Vorschriften überhaupt noch notwendig sind. Überflüssige Berichts- und Dokumentationspflichten werden ja nicht sinnvoller, weil sie digital auszufüllen sind. Für mich gilt: Was ich abschaffe, muss ich gar nicht erst digitalisieren.
IHK: In Ihrer Rede im Landtag haben Sie für einen Kulturwandel im Verhältnis zwischen Staat und Bürgern geworben. Sie forderten ein neues Mindset in den Amtsstuben, in den Institutionen und in den Unternehmen. Was erwarten Sie von den Unternehmen?
Manfred Pentz: Ganz offen gesprochen: Bürokratie kommt nicht immer vom Staat. Wenn man zum Beispiel DIN, ISO oder andere Branchenstandards und technische Regelungen anschaut – da lohnt sich auch von Seiten der Wirtschaft ein kritischer Blick. Ich habe immer gesagt, Bürokratieabbau ist eine Teamleistung. Das heißt, dass auch jeder im Team Deutschland seine Verantwortung übernehmen muss. Auch die Unternehmen und Branchenverbände.
IHK: Laut einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn fühlen acht von zehn Unternehmen aufgrund der Bürokratiebelastung eine abnehmende Freude an ihrer unternehmerischen Tätigkeit. Wie wollen Sie ihnen wieder Zuversicht und Freude am Handeln bescheren?
Manfred Pentz: Mitmachen beim Bürokratieabbau. Wir haben in Hessen einige Institutionen geschaffen, in denen sich Unternehmen, aber auch Gewerkschaften und Kommunen, Verbände und andere gesellschaftliche Akteure aktiv am Abbau von Vorschriften beteiligen können: in Wiesbaden das Bündnis gegen Bürokratie, in Brüssel das Sounding Board der Wirtschaft. Wenn wir gemeinsam echte Erfolge erreichen, dann bin ich mir sicher – dann kommt auch die Lust am Unternehmertum zurück.
Zur Person
Der gebürtige Darmstädter Manfred Pentz (45) ist seit Januar 2024 hessischer Minister für den Bund, Europa, Internationales und Entbürokratisierung. Von 2014 bis 2024 war er Generalsekretär der CDU Hessen. Zu Beginn seiner Laufbahn absolvierte Pentz eine Ausbildung als Versicherungskaufmann, einige Jahre später beendete er sein berufsbegleitendes Studium als Versicherungsbetriebswirt.
Der gebürtige Darmstädter Manfred Pentz (45) ist seit Januar 2024 hessischer Minister für den Bund, Europa, Internationales und Entbürokratisierung. Von 2014 bis 2024 war er Generalsekretär der CDU Hessen. Zu Beginn seiner Laufbahn absolvierte Pentz eine Ausbildung als Versicherungskaufmann, einige Jahre später beendete er sein berufsbegleitendes Studium als Versicherungsbetriebswirt.
Dieser Artikel ist erstmals erschienen im IHK-Magazin „Wirtschaftsdialoge”, Ausgabe 6/2025. Sie möchten das gesamte Heft lesen? Die „Wirtschaftsdialoge” können Sie auch online als PDF-Datei herunterladen.
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Matthias Voigt
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Kommunikation und Marketing
Themen: IHK-Magazin, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit