Konjunkturumfrage

Südhessische Wirtschaft steht vor Rezession

Die Energiekrise macht den südhessischen Unternehmen schwer zu schaffen. Schon jetzt laufen die Geschäfte deutlich schlechter als im Frühsommer – und ein Ende der Krise ist nicht absehbar. Um mit einem blauen Auge davonzukommen, bedarf es einer Kraftanstrengung der Politik. So lauten die zentralen Erkenntnisse der Konjunkturumfrage der IHK Darmstadt im Herbst.

Pressemeldung vom 21. Oktober 2022

Als größtes Risiko für ihre weitere wirtschaftliche Entwicklung stufen die Unternehmen in Südhessen die massiv gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise ein. Diese Auffassung äußern aktuell vier von fünf Unternehmen, in der Industrie sind es fast alle – und damit so viele wie noch nie. Dies ist ein zentrales Ergebnis aus der aktuellen Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt Rhein Main Neckar, für die sie rund 900 Unternehmen aus der Region befragt hat.
Dabei reagieren die Unternehmen auf die gestiegenen Strom-, Gas- und Kraftstoffpreise unterschiedlich. 58 Prozent der Unternehmen versuchen, die gestiegenen Kosten an Kunden weiterzugeben. „In der derzeitigen Situation wird dies nur teilweise gelingen. Viele Unternehmen müssen befürchten, auf einem Teil der gestiegenen Kosten sitzen zu bleiben“, schätzt IHK-Hauptgeschäftsführer Robert Lippmann die Situation ein. Jedes dritte Unternehmen sucht nach verbliebenen Möglichkeiten, Energie effizienter zu nutzen, in der Industrie ist es sogar jedes zweite. Bereits jedes siebte Unternehmen sieht sich aktuell nicht im Stande, die Produktion im Inland im gewünschten Umfang aufrecht zu erhalten.

Geschäftsklimaindex bricht ein

Auch abseits der noch ungelösten Energiekrise sieht sich die südhessische Wirtschaft mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert. Infolge anhaltender Lieferkettenprobleme, hoher Inflation, zunehmender Arbeitskräfteengpässe und lahmender Weltkonjunktur nimmt die Verunsicherung in allen Wirtschaftszweigen zu. Bereits heute klagen Unternehmen über schlechter laufende Geschäfte. Die Industrie meldet weniger Neuaufträge aus dem In- und Ausland, das Baugewerbe berichtet von Stornierungen, und der Einzelhandel hat mit zunehmend preisbewussten und zurückhaltenden Konsumenten zu kämpfen. Auch bei den Dienstleistern hat sich die Geschäftslage deutlich eingetrübt.
Die schlechtere Lage zeigt sich auch im IHK-Geschäftsklimaindex, in dem Lage und Erwartung der Unternehmen abgebildet werden. Er beträgt aktuell 76 Punkte und liegt damit weit unter der Wachstumsschwelle von 100. Gegenüber Frühsommer 2022 verliert der IHK-Geschäftsklimaindex 22 Punkte, im Vergleich zum Jahresbeginn sogar 33. „Das zeigt nachdrücklich, wie sehr die Unternehmen durch die Gas- und Energiekrise, aber auch Materialknappheit und Lieferprobleme sowie steigende Zinsen belastet sind“, betont IHK-Präsident Matthias Martiné.
Aktuell beurteilen nur noch 27 Prozent aller Unternehmen in Südhessen ihre Lage als gut, 51 Prozent als befriedigend, 22 Prozent als schlecht. Gegenüber Frühsommer gibt der Saldo aus zufriedenen und unzufriedenen Unternehmen elf Punkte ab, er liegt jetzt bei plus fünf Prozentpunkten. Beim Blick auf die kommenden Monate sind die Unternehmen sehr pessimistisch. Nur sieben Prozent rechnen mit einer Verbesserung der Situation, 42 Prozent sind davon überzeugt, dass es so bleibt wie es ist. 51 Prozent fürchten eine weitere Verschlechterung. Damit beträgt der Erwartungssaldo minus 44 Prozentpunkte, gegenüber der Umfrage im Frühsommer gibt er 27 Punkte ab.

Vollbremsung bei den Investitionen

Eine Vollbremsung legen die Unternehmen bei den Investitionen hin. Viele Investitionsprojekte werden kurzerhand aufgegeben, weil sie sich bei den aktuellen Energiepreisen nicht rechnen und vielfach Planungssicherheit fehlt. Ebenfalls negativ blicken die Unternehmer auf das künftige Auslandsgeschäft. Zu stark wiegen die Wettbewerbsnachteile durch hohe Energiepreise und die noch immer angespannten Lieferketten.
Martiné warnt: „Wir stehen am Beginn einer handfesten Rezession. Explodierende Energiekosten, eine nachlassende Investitionsneigung der Unternehmen und schwindendes Verbrauchervertrauen sind eine toxische Mischung.“
Die Unternehmen bräuchten schnell umfassende Entlastung und Klarheit über die Rahmenbedingungen am Energiemarkt, fordert Lippmann. Vor diesem Hintergrund gingen die von der Expertenkommission in Berlin vorgelegten Vorschläge zur Dämpfung des Gaspreisanstiegs zwar in die richtige Richtung. „Der Kommissionsvorschlag allein bringt keine Entlastung. Es braucht jetzt endlich konkrete Entscheidungen der Politik, die zügig und unbürokratisch den Preisdruck dämpfen“, mahnt Lippmann. Dazu gehöre auch die Erweiterung und Sicherung des Energieangebots, indem die verfügbaren Kohle- und Ölkraftwerke in den Markt zurückgeholt werden. Auch sollte man sich nicht davor scheuen, die Strom- und Energiesteuer auf Gas temporär auf die europäischen Mindestsätze zu senken.

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Dr.Peter Kühnl
Dr. Peter Kühnl
Bereich: Unternehmen und Standort
Themen: Wirtschaftspolitik, Konjunktur, Statistik