Politik setzt auf Ausgaben – doch die Wirtschaft wartet auf Reformen

Die südhessische Wirtschaft steckt fest. Trotz Milliardenprogrammen der Bundesregierung bleibt der erhoffte Aufschwung aus. Die Geschäfte laufen schlechter als zuletzt, und der Blick in die Zukunft bleibt pessimistisch. Vom angekündigten Herbst der Reformen sind die Unternehmen enttäuscht. Das zeigt die aktuelle Konjunkturumfrage der IHK Darmstadt.

Pressemeldung vom 21. Oktober 2025

Der Aufschwung lässt auf sich warten. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt Rhein Main Neckar, für die sie rund 900 Unternehmen aus der Region befragt hat. Die Industrie meldet weitere Rückgänge bei Aufträgen und Umsatz, die Einzelhändler berichten von verunsicherten Kunden. Bei den Dienstleistern ist die Lage durchwachsen, insbesondere Dienstleistern mit Kunden in der Industrie geht es nicht gut. Für die kommenden Monate ist die Mehrheit der Unternehmen pessimistisch. Der angekündigte Herbst der Reformen ist aus Sicht der Unternehmen eine herbe Enttäuschung.

IHK-Index verspricht kein Wachstum

Der IHK-Geschäftsklimaindex fasst Lage und Erwartung der Unternehmen zusammen. Gegenüber Frühsommer 2025 verliert der Index zwei Punkte. Er liegt mit aktuell 88 Punkten auf dem gleichen Niveau wie zum Ende der Ampelregierung. Nur 20 Prozent der befragten Unternehmen in Südhessen beurteilen ihre Lage als gut, 50 Prozent als befriedigend, 30 Prozent als schlecht. Gegenüber Frühsommer verliert der Saldo aus zufriedenen und unzufriedenen Unternehmen sechs Punkte. Er liegt jetzt bei minus zehn Prozentpunkten. „Die Effekte des von der Regierung beschlossenen Sondervermögens haben die Unternehmen noch nicht erreicht. Hinzu kommt, dass das weltwirtschaftliche Umfeld unter anderem durch die US-Zölle rauer geworden ist“, bewertet Robert Lippmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Darmstadt Rhein Main Neckar, das Umfrageergebnis.
Die Zukunftserwartungen haben sich nicht verbessert. Nur zwölf Prozent der Unternehmen rechnen mit einem Aufschwung, 61 Prozent glauben, dass es so bleibt, wie es ist. Mehr als jedes vierte Unternehmen (27 Prozent) befürchtet eine weitere Verschlechterung. Damit bleibt der Saldo aus positiven und negativen Erwartungen fast unverändert bei minus 15 Prozentpunkten. „Die Stimmung in den Unternehmen ist angespannt – viele spüren, dass Entlastungen zwar angekündigt, aber noch nicht umgesetzt sind“, erläutert Hauptgeschäftsführer Lippmann. „Die Unternehmerinnen und Unternehmer nehmen ein politisches Bemühen wahr. Einen wirtschaftspolitischen Befreiungsschlag erkennen sie aber nicht.“
Die Unternehmerinnen und Unternehmer nehmen ein politisches Bemühen wahr. Einen wirtschaftspolitischen Befreiungsschlag erkennen sie aber nicht.

Robert Lippmann

In der Folge sind die Betriebe bei Personal- und Investitionsentscheidungen zurückhaltend. „Bei den einen fehlt die Zuversicht, bei den anderen das Geld“, ergänzt IHK-Konjunkturexperte Peter Kühnl. Nur 26 Prozent der Unternehmen wollen mehr investieren, während 37 Prozent der Unternehmen sich gezwungen sehen, bei Investitionen den Rotstift anzusetzen. In der Personalplanung ist die Zurückhaltung der Unternehmen noch deutlicher.

Appell an die Politik: Mehr Mut zeigen

Als größtes Risiko für die weitere wirtschaftliche Entwicklung sehen die südhessischen Unternehmen die Inlandsnachfrage, trotz der mobilisierten Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur. Diese Auffassung äußern zwei von drei Unternehmen (67 Prozent, plus fünf Prozentpunkte). „Die konjunkturelle Talsohle dürften wir mit Rekordverschuldung durchschreiten. Aber ohne Reformen bleibt der Aufschwung ein Strohfeuer“, mahnt Lippmann.
Nach den Risiken gefragt, nennen die Unternehmen am zweithäufigsten die Wirtschaftspolitik (65 Prozent der Nennungen, plus fünf Prozentpunkte). Robert Lippmann: „Vom wirtschaftspolitischen Neuanfang der Regierung haben die Unternehmen mehr erwartet. Strukturreformen kommen kaum voran. Die Unternehmen brauchen weniger Ankündigungen – und mehr konsistente Entscheidungen und verlässliche, auf Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtete Rahmenbedingungen. Bürokratie, Infrastruktur, Fachkräftesicherung und Energieversorgung sind die Themen, bei denen es vorangehen muss. Was Wachstum und Innovation fördert, muss Vorrang haben, allen voran der Abbau von Genehmigungs- und Meldepflichten.“
Was Wachstum und Innovation fördert, muss Vorrang haben, allen voran der Abbau von Genehmigungs- und Meldepflichten.

Robert Lippmann

Als drittgrößtes Risiko sehen die Unternehmen die Entwicklung der Arbeitskosten (57 Prozent der Nennungen). „Hier macht sich die beschlossene Erhöhung des Mindestlohnes für 2026 und 2027 bemerkbar. Jedes dritte Unternehmen sieht sich gezwungen, im eigenen Unternehmen deswegen auch die Gehälter höherer Lohngruppen anzuheben“, ergänzt Lippmann.
Alles in allem wünscht sich IHK-Hauptgeschäftsführer Lippmann mehr Mut zu Reformen und Umsetzungstreue bei angekündigten Reformprojekten. Lippmann nennt ein Beispiel: „Das Lieferkettengesetz zu entschärfen, war ein Schritt in die richtige Richtung. Jetzt gilt es, nachzulegen bei Bürokratieabbau, Fachkräftezuwanderung und Energiepolitik. Mutlosigkeit kann sich unser Wirtschaftsstandort nicht länger leisten.“
Kontakt: Dr. Peter Kühnl, IHK Darmstadt, Telefon: 06151 871-1107, E-Mail: peter.kuehnl@darmstadt.ihk.de
Julia van Lottum
Bereich: Kommunikation und Marketing
Themen: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Social Media