Konjunktur Metropolregion Rhein-Neckar

Wenig Licht, viel Schatten

Die Industriekonjunktur in Rhein-Neckar ist schwach wie selten, auch Handel und Dienstleister blicken pessimistisch in die Zukunft. Die IHK fordert eine Entbürokratisierung und bessere Wirtschaftspolitik.

Pressemeldung vom 22. Februar 2024

Die Stimmung der Unternehmen in der Metropolregion Rhein-Neckar zum Jahresbeginn 2024 ist gedrückt. Dies zeigt die Konjunkturumfrage der IHK Metropolregion Rhein-Neckar. Der Konjunkturklimaindex ist gegenüber dem Vorjahr um acht Punkte auf aktuell 96 Punkte gesunken. An der gemeinsamen Umfrage der Industrie- und Handelskammern Rhein-Neckar, Pfalz, Darmstadt und Rheinhessen – die unter der Kooperationsmarke IHK Metropolregion Rhein-Neckar zusammenarbeiten – haben sich 730 Unternehmen beteiligt. Nun liegen auch die Ergebnisse aus einzelnen Branchen vor.
Nur 29 Prozent der Unternehmen sind mit ihrer aktuellen Geschäftslage zufrieden, 20 Prozent sind unzufrieden. Über die Hälfte der Unternehmen (51 Prozent) spricht von bestenfalls befriedigenden Geschäften. Der Saldo aus positiven und negativen Lageeinschätzungen liegt bei mageren plus neun Prozentpunkten. „So schleppend liefen die Geschäfte zu Jahresbeginn schon lange nicht mehr“, fasst Robert Lippmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Darmstadt, die Ergebnisse zusammen. Beim Blick in die Zukunft sind die Unternehmen pessimistisch. „Das zieht die Investitionsneigung der Unternehmen nach unten. Dabei bräuchten wir gerade jetzt einen investitionsgetragenen Aufschwung“, ergänzt Lippmann.
So schleppend liefen die Geschäfte zu Jahresbeginn schon lange nicht mehr.

Robert Lippmann

Am stärksten nachgelassen hat die Geschäftslage in der Industrie. So gibt der Saldo aus positiven und negativen Lageeinschätzungen gegenüber der Vorumfrage 16 Prozentpunkte ab. Er liegt jetzt bei plus acht Prozentpunkten. Das ist der zweitschlechteste Wert seit Beginn der Konjunkturberichterstattung in der Metropolregion Rhein-Neckar vor 14 Jahren. Die Industrie erwartet sogar, dass sich die Konjunktur weiter abkühlt. Das Exportgeschäft wird nach Einschätzung der Industrie immer schwieriger. Auch die schleppende Umsetzung der Energiewende und die hohen Energiepreise machen den Unternehmen zu schaffen. 40 Prozent der Unternehmen, die im Ausland investieren, tun dies laut der Umfrage aus Kostengründen. „Das ist ein vergleichsweise hoher Wert“, erläutert Robert Lippmann. „Leider passt es zur Direktinvestitionsbilanz auf Bundesebene. Es fließen mehr Direktinvestitionen aus Deutschland ab, als nach Deutschland einfließen. Das ist ein Votum gegen die aktuelle Standortqualität.“
Durchwachsen zeigt sich die Geschäftslage im Handel. Zufriedene und unzufriedene Händler halten sich nahezu die Waage (Saldo plus einen Prozentpunkt). Gegenüber dem Vorjahr verliert der Saldo aus positiven und negativen Lageeinschätzungen zwölf Punkte. Insbesondere der Großhandel scheint konjunkturell Gegenwind zu verspüren, sein Lagesaldo sinkt noch stärker. Obwohl die Kaufkraft der Verbraucherinnen und Verbraucher allmählich wieder steigt, bleiben die Erwartungen des Handels pessimistisch. 61 Prozent der Händler sehen in der weiteren Entwicklung der Inlandsnachfrage ein Risiko. Offensichtlich fehlt der Glaube an einen bevorstehenden Aufschwung.
Die Dienstleister sind mit ihrem aktuellen Geschäft vergleichsweise zufrieden. Gegenüber der Vorjahresumfrage gibt der Lagesaldo nur einen Prozentpunkt ab. Er liegt aktuell bei plus 14 Prozentpunkten. Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Teilbranchen. Dem Kreditgewerbe und den unternehmensnahen Dienstleistern geht es gut, ganz im Gegensatz zum Gastgewerbe. Hier stehen die Unternehmen wegen der Mehrwertsteueranpassung sowie steigender Kosten für Wareneinsatz und Personal unter Druck. Die Erwartungen an die Zukunft sind bei den Dienstleistern von Skepsis geprägt. Als größtes Risiko für die weitere wirtschaftliche Entwicklung sieht die Branche den Fachkräftemangel. Fast zwei von drei Dienstleistern (63 Prozent) teilen diese Einschätzung.
Alles in allem sei das keine Situation, mit der man zufrieden sein könne, sagt Lippmann. Immerhin scheine die Politik jetzt zu erkennen, dass es Handlungsbedarf gebe. „Was es sicher nicht braucht, sind weitere Subventionstöpfe auf fragwürdiger Finanzierungsgrundlage. Stattdessen müssen die Unternehmen von Bürokratie und Regulierung entlastet werden“, mahnt Lippmann. Die Bürokratiebelastung durch das Lieferkettengesetz sei so ein Negativbeispiel. „Nötig ist auch eine Wirtschaftspolitik der ruhigen Hand, das heißt, eine möglichst berechenbare Wirtschaftspolitik, die Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher nicht überrascht und verunsichert. Hier ist den Unternehmen in den letzten Jahren eindeutig zu viel zugemutet worden.“  
Hintergrund: IHK Metropolregion Rhein-Neckar

Die vier Industrie- und Handelskammern in der Metropolregion Rhein-Neckar – IHK Darmstadt, IHK Pfalz, IHK für Rheinhessen und IHK Rhein-Neckar – arbeiten unter der Kooperationsmarke „IHK Metropolregion Rhein-Neckar“ zusammen. Sie vertreten die Interessen von rund 160.000 überwiegend mittelständisch geprägten Unternehmen. Um der wachsenden Bedeutung der Wirtschaftsregion Rhein-Neckar gerecht zu werden, erstellen die vier IHKs seit einigen Jahren zusätzlich zu ihren regionalen Konjunkturberichten zum Jahresbeginn einen gemeinsamen Bericht zur aktuellen Geschäftslage und zu den Erwartungen der Unternehmen in der Metropolregion. Die Federführung beim diesjährigen Bericht übernahm die IHK Darmstadt.
Dr.Peter Kühnl
Bereich: Unternehmen und Standort
Themen: Wirtschaftspolitik, Konjunktur, Statistik