Landesregierung

Wirtschaft zieht Halbzeitbilanz

In einem Pressegespräch in Wiesbaden hat die IHK-Arbeitsgemeinschaft Hessen der schwarz-grünen Landesregierung einige Empfehlungen ins Hausaufgabenheft für die zweite Hälfte der Legislaturperiode geschrieben.
Wenn man Unternehmer landauf landab in den vergangenen Monaten nach ihrer Einschätzung zur Arbeit der schwarz-grünen Landesregierung in Hessen befragte, kamen eher positive Urteile heraus. Viele bekundeten, dass sie zu Anfang der Legislaturperiode der Koalition von CDU und Bündnis 90 / Die Grünen mit Skepsis begegnet seien. Zur Halbzeit Mitte 2016 ist ein überwiegend positives Bild entstanden, wobei auch beachtliche Einschränkungen gemacht werden.
In einem Pressegespräch in Wiesbaden stellte die IHK-Arbeitsgemeinschaft Hessen am 4. Juli ihre Kommentierung und die Empfehlungen für die wirtschaftspolitischen Schwerpunkte für die zweite Hälfte der Legislaturperiode vor. Die Aussagen basierten auf einem Positionspapier, das zuvor von den Vollversammlungen der zehn hesssichen IHKs beraten und verabschiedet worden war.

Fachkräftemangel eingrenzen

Eines der wichtigsten Anliegen der IHKs ist eine gute Berufs- und Studienorientierung in den Schulen. Denn dies gilt als ein Mittel zur Eingrenzung des Fachkräftemangels. Die IHKs hoben hervor, dass dieses Thema in der Landespolitik nun den richtigen Stellenwert erhalten hat. Die IHK-Vertreter bekräftigten zugleich, dass das neue Bündnis für Ausbildung, das die Landesregierung auf den Weg gebracht hat, als sinnvoll anerkannt werde. Die rückläufige Entwicklung bei den Azubi-Zahlen besage aber, dass hier weiter intensive Anstrengungen erforderlich sind. 

Energiekosten senken

Nachhaltige Initiativen zur Energiekosten-Senkung sind aus Sicht der Kammer-Organisationen ausgeblieben. Die Finanzpolitik sei mit dem Schuldenabbau weiter auf Kurs. Allerdings beklagen die hessischen IHKs, dass die mittelbare Anhebung der Realsteuern in Hessen den Gewebestandort schleichend, aber deutlich teurer machen. Die Landesmittel für den Straßenbau sind aufgestockt worden. Dies reiche aber immer noch nicht aus, um den erheblichen Investitionsstau aufzulösen. Auf der positiven Seite wurde verbucht, dass mit dem Bau von Terminal 3 die Zukunft des Drehkreuzes Frankfurter Flughafen gesichert worden ist.
Für die zweite Hälfte der Legislaturperiode richten sich die Anforderungen der IHKs insbesondere auf die Gewinnung von Fachkräften, mehr Sprachförderung bei der Integration der Flüchtlinge, weitere Impulse für die Digitalisierung, die Sicherung der Verkehrsinfrastruktur, die Rücknahme der kommunalen Steuerschraube, die Senkung der Energiekosten und eine spezifische Förderung der hessischen Regionen.

Fachkräfte gewinnen

Bei der dualen Berufsausbildung ist Hessen zu einem Angebotsmarkt geworden. In vielen Regionen sind deutlich mehr offene Stellen vorhanden als unvermittelte Bewerber. Zuletzt standen in Hessen jedem unvermittelten Bewerber 1,3 unbesetzt gemeldete Stellen gegenüber. Die Berufs- und Studienorientierung ist in Hessen seit 2015 für alle Schulformen vorgeschrieben, nun muss an der flächendenkenden Umsetzung gearbeitet werden. Gerade an den Gymnasien blicken manche Lehrkräfte oft einseitig in Richtung Universität.
Berufsschulen sind ein wichtiger Partner der Kammern im System der dualen beruflichen Bildung. Darum ist der Erhalt möglichst vieler Berufsschulstandorte in den Regionen durch eine faire regionale Aufgabenteilung nötig. Im aktuell laufenden Diskussionsprozess um die Neustrukturierung der Berufsschulstandorte sollte auf die regionalspezifischen Besonderheiten Rücksicht genommen werden. Durch den Erhalt möglichst vieler Standorte in der Fläche solle die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe vor Ort unterstützt werden.

Flüchtlinge integrieren

Mit dem Asylkonvent hat die Landesregierung aus sicht der hessischen IHKs den richtigen Impuls gegeben und eine Reihe von notwendigen Maßnahmen ergriffen. Sprachkurse müssen aber auch jenseits des 21. Lebensjahres angeboten werden. Mit der Umsetzung der 3 plus 2-Regelung, also einer mindestens zweijährigen Bleibedauer nach der Berufsausbildung, ist den beteiligten Betrieben Rechtssicherheit für das zahlreich vorhandene betriebliche Engagement gegeben worden.

Impulse für Wirtschaft 4.0

Für die Digitalisierung müssen Schüler Medien- und Informatikkompetenz lernen. Unterrichtscurricula im digitalen Zeitalter setzen gezielte Investitionen in die Aus- und Weiterbildung der Lehrer voraus. Die Berufsschulen brauchen eine Modernisierungsrevolution.
Bei der Breitband-Versorgung bestehen Defizite noch in Teilen des ländlichen Raumes. Die Strategie des Landes muss darauf zielen, in die Gewerbegebiete künftig Glasfaser-Anschlüsse zu legen und auf diese Weise die Wettbewerbsfähigkeit der hessischen Wirtschaft zu unterstützen. 

Verkehrsinfrastruktur sichern

Die Landesregierung hat ein Landesstraßenbau-Programm mit 540 einzelnen Projekten vorgelegt, das aber nur ein Viertel der insgesamt nötigen Maßnahmen abbildet. Daher müssen dafür mehr Investitionsmittel bereit gestellt werden. Als Deutschlands wichtigster Schienenknoten muss Hessen weiter gestärkt werden. Viele Schieneninfrastrukturprojekte sind seit langer Zeit in Planung, werden aber zu langsam umgesetzt. Dies muss deutlich beschleunigt werden.
Der Bau von Terminal 3 des Flughafens Frankfurt wird dazu beitragen, dass sich der Flughafen in seiner Drehkreuzfunktion entwickeln kann. Dies darf nicht eingeschränkt werden, wenn als nächstes eine Lärmobergrenze eingerichtet wird. Das Land muss betriebliche Einschränkungen verhindern, insbesondere eine Ausweitung des Nachtflugverbots.

Kommunale Steuerschraube

Durch die Reform des Kommunalen Finanzausgleichs zum 1.Januar dreht sich die Steuererhöhungsspirale weiter. Dies macht den Standort Hessen für Betriebe immer teurer; eine Korrektur des Kommunalen Finanzausgleichs ist erforderlich.
Für das Erreichen der schwarzen Null im Landeshaushalt bis zum Jahr 2020 hat die Landesregierung die Unterstützung der Wirtschaftskammern. In den kommenden Jahren sollte die Landesregierung die Ausgaben des Landes in allen Teilbereichen – Ausnahme Investitionen – überprüfen. Bei den Personalausgaben sind größere Anstrengungen als bislang erforderlich.

Energiekosten senken

Aufgrund der durch die Energiepolitik gestiegenen Stromkosten haben sich die Investitionsbedingungen in dieser Legislaturperiode weiter verschlechtert. Die Abwanderung von Produktionsprozessen und Arbeitsplätzen droht sich zu beschleunigen. Neue zusätzliche Belastungen für die hessischen Unternehmen müssen vermieden werden. Die Zeit von regulatorischen Experimenten muss beendet werden. Ganz grundsätzlich lautet die Forderung: Energiepolitik müsse mehr als bisher als ein Beitrag für den Erhalt einer starken hessischen Wirtschaft und für den Wirtschaftsstandort Hessen verstanden werden.

Regionen fördern

Aus Sicht der Wirtschaftskammern braucht der ländliche Raum besondere Unterstützung. Aufgabe der Landesregierung ist es, gerade dort die Leistungsfähigkeit der Verkehrs- und Breitbandinfrastruktur zu sichern.
Anders stellt sich die Aufgabe in der Metropolregion FrankfurtRheinMain dar. Durch das Wachstum der Wirtschaft und der Bevölkerung entstehen zahlreiche neue Herausforderungen. Eine gemeinsame Strategie zur Weiterentwicklung des Wirtschaftsraums ist in Verbindung mit den Landesregierungen in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nötig.

Ansprechpartner:

Reinhard Fröhlich
Industrie- und Handelskammer Frankfurt
Geschäftsführer Unternehmenskommunikation