Vertragsgestaltung

Arbeitnehmereigenschaft und Sozialversicherungspflicht

Die Frage der Arbeitnehmereigenschaft des GmbH-Geschäftsführers ist mit weitreichenden Konsequenzen verbunden: Ist der Geschäftsführer kein Arbeitnehmer, gelten nur die ausdrücklich festgelegten Bestimmungen des Geschäftsführeranstellungsvertrages. Fällt der Geschäftsführer aber unter den Arbeitnehmerbegriff, sind automatisch Arbeitnehmerschutzrechte anwendbar, beispielsweise die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder der gesetzliche Mindesturlaub.
Auch die Frage der Sozialversicherungspflicht ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Wenn Geschäftsführer sich in der Annahme versichern, versicherungspflichtig zu sein, dies aber tatsächlich nicht sind, besteht beispielsweise kein Anspruch auf Arbeitslosengeld oder -hilfe, obwohl oft jahrelang Versicherungsbeiträge entrichtet wurden. Die Rückforderung der gezahlten Beträge ist nur für maximal vier Jahre möglich.
Dieses Merkblatt gibt einen ersten Überblick über die entscheidenden Kriterien für die Einordnung eines Geschäftsführervertrags. Es kann fachkundigen Rat im Einzelfall jedoch nicht ersetzen. Die Informationen wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet. Es kann jedoch keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden.

Kann der Geschäftsführer einer GmbH Arbeitnehmer sein?

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist der Geschäftsführer niemals Arbeitnehmer, sondern ausschließlich Organ der GmbH. Als solches nimmt er die Arbeitgeberfunktion der Gesellschaft wahr.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) teilt diese Auffassung jedoch nicht. Es unterscheidet zwischen der Bestellung des Geschäftsführers und dem Geschäftsführeranstellungsvertrag. Während die Bestellung ein rein organschaftlicher Akt ist, entscheidet die Ausgestaltung des Gesellschafts- bzw. Anstellungsvertrags über die rechtliche Einordnung des Geschäftsführers als Arbeitnehmer oder Selbständiger. Der Geschäftsführer ist Arbeitnehmer, wenn er die dafür aufgestellten Kriterien der Rechtsprechung erfüllt: Er muss von der GmbH „persönlich abhängig” sein. Dies trifft dann zu, wenn der Geschäftsführer in die Betriebsabläufe der GmbH eingegliedert und insbesondere weisungsabhängig ist.
Die persönliche Abhängigkeit des GmbH-Geschäftsführers ist ausgeschlossen, wenn der Geschäftsführer auch Gesellschafter der GmbH ist und dabei über einen so großen Geschäftsanteil verfügt, dass er maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschafterversammlung hat. Dies dürfte sicherlich immer dann zutreffen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer über die Mehrheit der Anteile verfügt.
Auch ein Geschäftsführer, der nur geringe Anteile oder als Fremdgeschäftsführer keinerlei Anteile an der GmbH besitzt, ist aber nur dann Arbeitnehmer, wenn er nicht selbstverantwortlich über Zeit und Ort seiner Arbeitsleistung entscheiden kann und demzufolge weisungsabhängig ist.
Das Weisungsrecht wird im Wesentlichen nach folgenden Kriterien beurteilt:
  • Vorgegebene Einteilung der Arbeitszeit
  • Aufnahme in einen Dienstplan
  • Weisungsgebundenheit und Vorgaben hinsichtlich der konkreten Ausführung der Arbeitsleistung, z.B. umfangreiche Einzelweisungen, vorgegebene Arbeitsabläufe, Zuweisung konkreter Aufgaben mit Zeitvorgaben
  • Weitgehende Zustimmungsvorbehalte
  • Arbeitsorganisation des Geschäftsführers wird von der Gesellschafterversammlung aufgestellt und deren Einhaltung überwacht
  • Geschäftsführer und andere leitende Angestellte sind mit gleichartigen Aufgaben betraut und werden gleich behandelt
  • Aufgabenübertragung an Dritte unzulässig.
Als Arbeitnehmer sind also nur solche Geschäftsführer einzuordnen, die geringe oder keine Geschäftsanteile besitzen und darüber hinaus im Hinblick auf Zeit und Ort der Arbeit durch entsprechende Bestimmungen im Gesellschafts- bzw. Anstellungsvertrag erheblichen Beschränkungen unterliegen.
Liegen die genannten Kriterien nicht vor, sind GmbH-Geschäftsführer auch keine Arbeitnehmer.
Unerheblich ist die Bezeichnung im Anstellungsvertrag: Die Einordnung des Geschäftsführers als Arbeitnehmer kann also nicht dadurch verhindert werden, dass der Anstellungsvertrag übereinstimmend und ausdrücklich als freier Dienstvertrag bezeichnet wird!
Beachte: Besonderheiten ergeben sich bei der GmbH & Co. KG: Um die Arbeitnehmerstellung des Geschäftsführers zu vermeiden, sollte der Dienstvertrag mit dem Geschäftsführer stets mit der Komplementär-GmbH abgeschlossen werden.

Gilt trotzdem Arbeitsrecht, auch wenn der Geschäftsführer kein Arbeitnehmer ist?

In Einzelfällen sehen gesetzliche Bestimmungen die Gleichstellung des Geschäftsführers mit Arbeitnehmern vor. Darüber hinaus wendet die Rechtsprechung einige Vorschriften des Arbeitsrechts auch auf Geschäftsführer, die keine Arbeitnehmer sind, entsprechend an. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn sich der Geschäftsführer in einer mit einem Arbeitnehmer vergleichbaren wirtschaftlichen Abhängigkeit befindet.
  • Arbeitszeugnis: Dem Geschäftsführer muss nach seiner Abberufung ein Arbeitszeugnis ausgestellt werden. Es gelten für dessen Inhalt dieselben Grundsätze wie für Arbeitnehmer.
  • Arbeitnehmererfindung: Zwar gilt das Arbeitnehmererfindungsgesetz nicht für den Geschäftsführer. Gleichwohl muss dieser eine Erfindung der GmbH anzeigen und kann im Gegenzug eine angemessene Vergütung verlangen.
  • Arbeitszeit: Das Arbeitszeitgesetz ist auf Geschäftsführer nicht anwendbar.
  • Betriebliche Übung: Es entsteht keine so genannte „betriebliche Übung” zu Gunsten eines Geschäftsführers.
  • Betriebliche Altersversorgung: Das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) gilt nur, wenn eine entsprechende Altersversorgung für einen Geschäftsführer, der unselbständiger Arbeitnehmer ist, vereinbart wurde
  • Betriebsübergang: § 613a BGB gilt für Geschäftsführer nicht.
  • Gleichbehandlungsgrundsatz: Der so genannte Gleichbehandlungsgrundsatz gilt auch für Geschäftsführer, allerdings nur im Verhältnis der Geschäftsführer untereinander.
  • Insolvenzgeld: Dem wirtschaftlich abhängigen Geschäftsführer steht Insolvenzgeld nach den §§ 183 ff SGB III zu.
  • Kündigungsschutz: Als Organ der GmbH fällt der Geschäftsführer in der Regel nicht unter die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG), auch wenn der Geschäftsführer als Arbeitnehmer eingeordnet wird.
  • Kündigungsfrist: Die Kündigungsfrist eines Geschäftsführers richtet sich nach § 622 Absatz 1 BGB und nicht nach § 612 Nr. 3 BGB, der eigentlich auf freie Dienstverhältnisse anzuwenden ist.
  • Sonderkündigungsschutz: Bislang wurden die Vorschriften des besonderen Kündigungsschutzes (Mutterschutz, Schwerbehinderung u.a.) nicht auf den Geschäftsführer angewendet.
  • Urlaub: Der gesetzliche Mindesturlaub wird dem Geschäftsführer nicht zuerkannt. Aus Fürsorgegesichtspunkten hat er aber dennoch Anspruch auf angemessenen Erholungsurlaub, der vertraglich geregelt werden sollte.

Was sollte im Anstellungsvertrag geregelt sein?

Was gilt, wenn ein Arbeitnehmer zum Geschäftsführer bestellt wird?

Oft werden in einer GmbH Personen zum Geschäftsführer „befördert”, die bislang als Arbeitnehmer angestellt waren. Aus Sicht der GmbH ist es dann meist gewünscht, dass das Arbeitsverhältnis mit Übernahme der Geschäftsführertätigkeit aufgelöst und nicht nur suspendiert wird. Ansonsten müsste bei Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags etwa das Kündigungsschutzgesetz beachtet werden.
Um dies zu vermeiden reicht es nicht aus, den Geschäftsführer einfach nur zu bestellen. Dies betrifft nämlich nur das gesellschaftsrechtliche Organverhältnis, aber nicht das schuldrechtliche Anstellungsverhältnis. Es muss zusätzlich ein schriftlicher Vertrag mit klaren diesbezüglichen Bestimmungen abgeschlossen werden.
Tipp: Zur Vermeidung späterer Streitigkeiten empfiehlt es sich, die Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses ausdrücklich zu vereinbaren. Dies muss schriftlich geschehen und ist sowohl im Geschäftsführeranstellungsvertrag als auch in einem separaten Aufhebungsvertrag möglich. Die Formulierung könnte dabei etwa lauten:
„Beide Vertragspartner sind sich einig, dass das bisherige Arbeitsverhältnis mit der GmbH mit dem Ablauf des dem vereinbarten Vertragsbeginn des Dienstvertrags als Geschäftsführer vorangehenden Tages endet. Der bisherige Arbeitsvertrag wird samt aller Zusatzvereinbarungen aufgehoben.”
Diese Grundsätze gelten jedoch nicht, wenn ein Arbeitnehmer nur pro forma zum Geschäftsführer bestellt wird oder die Geschäftsführerstellung nur für eine kurze Zeit bei sonst unveränderten Vertragsbedingungen übertragen wird.
Natürlich kann umgekehrt auch Gegenteiliges vereinbart werden. Soll das ursprüngliche Arbeitsverhältnis aber nach Beendigung der Geschäftsführertätigkeit wieder aufleben, empfiehlt sich auch hier eine entsprechende ausdrückliche Regelung im Geschäftsführeranstellungsvertrag.

Müssen für den Geschäftsführer Sozialabgaben gezahlt werden?

Die Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers knüpft nicht an die Arbeitnehmereigenschaft, sondern an die in § 7 Absatz 1 SGB IV geregelte „Beschäftigung” an. Die Kriterien sind jedoch ähnlich. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Demnach liegt grundsätzlich Sozialversicherungsfreiheit vor, wenn der Geschäftsführer selbständig tätig ist. Eine Tätigkeit ist aber nicht nur bei persönlicher Abhängigkeit unselbständig, sondern es reicht hier bereits wirtschaftliche Abhängigkeit aus.
Auch hier kommt es nicht auf die Bezeichnung im Vertrag an. Maßgeblich ist die tatsächliche Durchführung des Anstellungsverhältnisses.
Im Gegensatz zur Arbeitnehmereigenschaft entscheiden über die Frage der Sozialversicherungspflicht nicht die Arbeitsgerichte, sondern die Sozialgerichte. Diese haben einen Prüfungskatalog entwickelt, anhand dessen eine eindeutige Beurteilung der Sozialversicherungspflicht möglich ist. Der Prüfungskatalog ist gegliedert in die jeweilige Beteiligung des Geschäftsführers am Stammkapital der GmbH. Es kommt aber stets auf eine Gesamtschau an. Die jeweilige Ausgestaltung der Geschäftsführertätigkeit im Einzelfall wird sozialversicherungsrechtlich wie folgt beurteilt:
  • Geschäftsführer besitzt mindestens 50 Prozent der Geschäftsanteile:
    Ist der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter mit einer Beteiligung am Stammkapital von mehr als 50 Prozent und stimmt diese Beteiligung mit seinem Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung weitgehend überein, handelt es sich in der Regel mangels Weisungsgebundenheit um eine selbständige Tätigkeit. Es liegt keine versicherungspflichtige Beschäftigung vor, es sei denn es kann durch besondere Umstände belegt werden, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer seinen Einfluss gar nicht ausüben kann, etwa weil er die Beteiligung am Stammkapital nur für einen Dritten treuhänderisch hält.
  • Gesellschafter besitzt weniger als 50 Prozent der Geschäftsanteile:
    Hier kommt es für die Frage der Versicherungspflicht auf die Umstände des Einzelfalls an. Entscheidend ist die faktische Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers. Als selbständig ist seine Tätigkeit z.B. dann einzuordnen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer über eine Sperrminorität verfügt. Ausreichend ist aber auch schon eine erhebliche tatsächliche Einflussmöglichkeit.
  • Geschäftsführer ohne Geschäftsanteile:
    Ein Fremdgeschäftsführer, der über keine Geschäftsanteile verfügt, ist in der Regel versicherungspflichtig. Diese Vermutung kann aber im Einzelfall widerlegt werden. Für Selbständigkeit können z.B. folgende Kriterien sprechen:
    • Unternehmerrisiko, Teilhabe an Gewinn und Verlust
    • Erfolgsabhängige Vergütung
    • Freie Gestaltung der Tätigkeit insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort
    • Besondere Kompetenz des Geschäftsführers
    • Alleinige Branchenkenntnis des Geschäftsführers
    • Befreiung vom Verbot des Insichgeschäfts (§ 181 BGB)
    • Abberufung nur aus wichtigem Grund.
Bei Unklarheiten sollten sowohl die GmbH als auch der Geschäftsführer selbst bei Aufnahme der Tätigkeit den sozialversicherungsrechtlichen Status bei der Deutschen Rentenversicherung verbindlich feststellen lassen. Den entsprechenden Antrag sowie einen Link zur Homepage finden Sie oben in der linken Spalte.

Details zu einzelnen Versicherungpflichten

Rentenversicherung

Steht fest, dass der Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig ist, so ist er dennoch von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit, wenn er
  • geringfügig beschäftigt ist
  • bereits ein Altersgeld aus der Rentenversicherung bezieht oder
  • nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgt wird.

Krankenversicherung

Der Geschäftsführer ist von der Krankenversicherungspflicht befreit, wenn sein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die jeweilige Entgeltgrenze überstiegen hat. Die Versicherungsfreiheit beginnt erst mit dem Ende des dritten Kalenderjahres mit überschrittener Entgeltgrenze.
Im Jahr 2021 beträgt die Grenze zur Versicherungspflicht 58.050,00 Euro = 4.837,50 Euro monatlich.
Dennoch besteht die Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Gesetzliche Unfallversicherung

Für den selbständigen Geschäftsführer besteht die Möglichkeit einer freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung.

Pflegeversicherung

Auch freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung sind wie gesetzliche Mitglieder versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung.
Selbständig beschäftigte Geschäftsführer mit privater Krankenversicherung sind verpflichtet, einen privaten Pflegeversicherungsvertrag bei der jeweiligen privaten Krankenversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten.
Stand: Juli 2021
Dieses Merkblatt gibt einen ersten Überblick über die entscheidenden Kriterien für die Einordnung eines Geschäftsführervertrags. Es kann fachkundigen Rat im Einzelfall jedoch nicht ersetzen. Die Informationen wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet. Es kann jedoch keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden.