Kündigungsschutzklage

Reichweite der Klagefrist

Häufig wird sich ein Arbeitgeber nach Ausspruch einer Kündigung die Frage stellen, wie lange er mit einer möglichen Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers rechnen muss und ab wann er sicher sein kann, dass die ausgesprochene Kündigung tatsächlich wirksam ist.
Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er gemäß Paragrafen 4 und 7 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung beim Arbeitsgericht Klage auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist.
Beachte: Dies gilt einheitlich auch für Kündigungen in Kleinbetrieben, in denen das KSchG nur beschränkt anwendbar ist, für außerordentliche Kündigungen (Paragrafen 23 Absatz 1 Satz 2, 13 Absatz 1 KSchG) und für die Änderungskündigung.
Die Klagefrist gilt ebenso für die Kündigung von Berufsausbildungsverhältnissen, soweit nicht nach Paragraf 111 Absatz 2 Satz 5 Ar­beits­ge­richts­ge­setz (ArbGG) eine Verhandlung vor einem zur Beilegung von Streitigkeiten aus einem Berufsausbildungsverhältnis gebildeten Ausschuss stattfinden muss.
Hat der Arbeitnehmer es versäumt, den Unwirksamkeitsgrund rechtzeitig geltend zu machen, wird die ursprünglich unwirksame Kündigung wirksam. Es handelt sich insofern um eine prozessuale Ausschlussfrist.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 8. November 2007- 2 AZR 314/06 macht deutlich, dass die Vorschrift des Paragraf 4 Satz 1 KSchG, insbesondere das Tatbestandsmerkmal der „sonstigen Unwirksamkeitsgründe” weit auszulegen ist.

Unwirksamkeitsgründe

Hierunter fallen grundsätzlich alle denkbaren Unwirksamkeitsgründe, wie beispielsweise
  1. tariflich vereinbarte Unkündbarkeit des Arbeitnehmers,
  2. Zurückweisung wegen nicht vorgelegter Vollmachtsurkunde gemäß Paragraf 174 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),
  3. Kündigung wegen Betriebsübergang,
  4. fehlende beziehungsweise nicht erfolgte Anhörung des Betriebsrats,
  5. Nichtbeachtung von Sonderkündigungsschutz (zum Beispiel Paragraf 9 Mutterschutzgesetz (MuSchG), Paragraf  18 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG)),
  6. Verstoß gegen die guten Sitten gemäß Paragraf 138 BGB oder ähnliches,
  7. unzulässige Befristung eines Arbeitsvertrages (Paragraf 14 Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG)),
  8. unzulässige Kündigung eines befristeten Arbeitsvertrages, ohne dass eine Kündigungsmöglichkeit im Vertrag vereinbart war (Paragraf 15 Absatz 3 TzBfG),
  9. Arbeitgeber hat sich bei der Länge der Kündigungsfrist verrechnet: Wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit rechtlich gebotener Frist auslegen lässt, muss der Arbeitnehmer die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist geltend machen. Das BAG argumentiert neuerdings so: bedürfte die Kündigung der Umdeutung in eine Kündigung mit zutreffender Frist, gilt die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung als rechtswirksam und beendet das Arbeitsverhältnis zum „falschen“ Termin, wenn die Kündigungsschutzklage nicht binnen drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung erhoben worden ist (Urteil des BAG vom 15. Mai 2013 – 5 AZR 130/12).
In diesen Fällen muss die Drei-Wochen–Frist in jedem Fall eingehalten werden, der Arbeitgeber muss nach deren Ablauf also grundsätzlich nicht mehr mit einer Klage des Arbeitnehmers rechnen.

Ausnahmefälle

In folgenden Ausnahmefällen muss die Drei-Wochen-Frist nicht eingehalten werden, sodass der Arbeitgeber auch nach Ablauf dieser Frist noch mit einer Klage rechnen muss.
  1. Mangelnde Schriftform der Kündigung. Hier ist die Anrufung des Arbeitsgerichts auch außerhalb der Klagefrist noch möglich (Paragraf 623 in Verbindung mit Paragraf 125 BGB).
  2. Fehlende Schriftform oder Nichtangabe der Kündigungsgründe bei einer außerordentlichen Kündigung eines Auszubildenden nach Ablauf der Probezeit (Paragraf 22 Berufsbildungsgesetz (BBiG)). Die Folge ist die Unwirksamkeit und Nichtigkeit der Kündigung (Paragraf 125 BGB); eine Heilung ist nicht möglich.
  3. Zustimmung einer Behörde. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf (zum Beispiel bei Kündigung Schwerbehinderter), läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.
  4. Fehlender Zugang (zum Beispiel Kündigungsschreiben kam nicht an, wobei der Arbeitgeber den Zugang auch nicht beweisen kann).

Keine Vertretungsmacht

Eine Besonderheit stellt in diesem Zusammenhang die Kündigung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht dar. Denn der Beginn der Klagefrist nach Paragraf 4 KSchG setzt den Zugang einer formwirksamen, dem Arbeitgeber zurechenbaren Kündigung voraus. Das ist gerade nicht der Fall, wenn beispielsweise ein Personalsachbearbeiter die Kündigung im Namen des Arbeitgebers ausspricht, ohne eine schriftliche Vollmachtsurkunde vorzuweisen. Die erforderliche Zurechenbarkeit wird erst durch eine – nachträglich – erteilte Genehmigung hergestellt. Daher beginnt die Drei-Wochen-Frist erst mit dem Zugang der Genehmigung beim Arbeitnehmer (BAG, Urteil vom 6. September 2012 – 2 AZR 858/1).
In Bezug auf die Kündigung durch einen Geschäftsunfähigen existiert bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung dazu, ob eine unwirksame Kündigungserklärung besteht, welche die Klagefrist aus Paragraf 4 KSchG überhaupt auslöst. Daher muss der Arbeitgeber hier unter Umständen auch nach drei Wochen noch mit einer Klage rechnen.
Beachte: Im Rahmen dieser Ausnahmemöglichkeiten sind allerdings immer auch die Grenzen der Verwirkung zu beachten. Hier sind Umstands- und Zeitmoment entscheidend.
Verspätete Klagen können auch nachträglich gemäß Paragraf 5 KSchG noch zugelassen werden, wenn der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben.
Gleiches gilt, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist des Paragraf 4 Satz 1 KSchG Kenntnis erlangt. Der Antrag ist allerdings nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses beziehungsweise nach Kenntnis von der Schwangerschaft möglich.
Gemäß Paragraf 6 KSchG hat ein Arbeitnehmer, der innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im KlageKüwege geltend gemacht hat, dass eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliege, zwar die Möglichkeit, sich später auch noch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe zu berufen.
Allerdings ist dies nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz möglich, später nicht mehr.
Stand: April 2023