Ausserordentliche Kündigung

Informationen zur fristlosen Kündigung

Eine außerordentliche Kündigung liegt vor, wenn das Arbeitsverhältnis aus einem wichtigen Grund, meist fristlos, aufgelöst werden soll. Sie wird oft einfach als fristlose Kündigung bezeichnet.
Als Körperschaft des öffentlichen Rechts hat die IHK die Aufgabe, die gewerblichen Wirtschaft zu vertreten. Darüber hinaus beraten wir unsere Mitgliedsunternehmen. Sie sind Arbeitnehmer und benötigen rechtliche Beratung? Bitte wenden Sie sich an das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Rubrik Arbeitsrecht oder den Verein ArbeitnehmerHilfe.

I. Grundsatz

Eine fristlose Kündigung ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn ein wichtiger Grund gegeben ist. Arbeitsverhältnisse sind grundsätzlich auf eine gewisse Dauer angelegt. Die tägliche Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer setzt ein Mindestmaß an Vertrauen und Verständigung voraus. Kann diese Zusammenarbeit einer Seite aus irgendwelchen Gründen nicht mehr zugemutet werden, so kommt als letztes und schärfstes Mittel, wenn eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist oder nicht mehr zumutbar erscheint, die außerordentliche Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist in Frage.

II. Kündigungserklärung

Wann muss eine fristlose Kündigung spätestens erklärt werden?

Die fristlose Kündigung kann nur innerhalb zwei Wochen erklärt werden. Die Frist beginnt ab dem Zeitpunkt, in dem der die Kündigung aussprechende Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen sichere Kenntnis erlangt.

Wie muss die Kündigungserklärung ausgesprochen werden?

Die außerordentliche Kündigung kann fristlos oder entfristet ausgesprochen werden. In den meisten Fällen wird die außerordentliche Kündigung fristlos ausgesprochen, das heißt ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Sie kann aber auch entfristet ausgesprochen werden, also mit einer Auslauffrist. Die Auslauffrist kann im Interesse des Arbeitgebers liegen, wenn er für die Besetzung des Arbeitsplatzes Vorsorge treffen muss.
Wird bei der fristlosen Kündigung eine Frist eingehalten, muss aber eindeutig klargestellt werden, dass es sich auch um eine außerordentliche Kündigung handelt. So ist zum Beispiel denkbar, dass die Fristberechnung unrichtig erfolgt ist. Es darf bei dem Kündigungsadressaten kein Zweifel aufkommen, was gewollt ist.

Muss einer fristlosen Kündigung stets eine Abmahnung vorausgehen?

Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wonach insbesondere eine fristlose Kündigung stets nur als letztes Mittel in Frage kommt, ist vor Ausspruch einer Kündigung aus wichtigem Grund in der Regel eine Abmahnung erforderlich.
Von der Abmahnung kann aber grundsätzlich abgesehen werden, wenn der Arbeitnehmer einen besonders schwerwiegenden Vertrauensbruch begangen hat.

III. Kündigungsgrund

Wann ist eine fristlose Kündigung möglich?

Die fristlose Kündigung ist nur in Ausnahmefällen möglich. Voraussetzung ist, dass ein wichtiger Grund nach Paragraph 626 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorliegt.
Nach Paragraph 626 Absatz 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Der Begriff des wichtigen Grundes enthält also zwei Elemente, nämlich beschreibende Merkmale und Zumutbarkeitsgesichtspunkte.
Im Rahmen der beschreibenden Merkmale müssen Tatsachen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegen. Dem Grunde nach müssen dies schwerwiegende Vertragsverletzungen oder strafbare Handlungen sein. Es können aber auch Fälle sein, auf Grund derer die Arbeitsvertragsparteien das wechselseitige Vertrauen vollständig verloren haben.
Unter dem Zumutbarkeitsgesichtspunkt darf dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht zumutbar sein, das vertragsmäßige Ende oder den Ablauf der Kündigungsfrist abzuwarten.

Bedarf eine fristlose Kündigung der schriftlichen Mitteilung der Kündigungsgründe?

Der gekündigte Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber verlangen, dass ihm die Kündigungsgründe ohne schuldhaftes Zögern schriftlich mitgeteilt werden.
Hintergrund ist der Rechtsgedanke, dass der gekündigte Arbeitnehmer beurteilen können soll, ob es sich lohnt, der Kündigung zu widersprechen. Die Wirksamkeit der Kündigung bleibt mithin von der Mitteilung unberührt. Der kündigende Arbeitgeber kann jedoch schadensersatzpflichtig werden, wenn er die Mitteilung versäumt oder verspätet macht.
Folglich hängt die Wirksamkeit der Kündigung nicht von der Angabe des Kündigungsgrundes ab, außer bei einem Berufsausbildungsverhältnis. Bei einem Berufsausbildungsverhältnis muss der Kündigungsgrund bei Ausspruch der Kündigung schriftlich mitgeteilt werden (Paragraph 22 Absatz 3 Berufsbildungsgesetz (BBiG)).

IV. Beweislast: Wer muss nachweisen, dass ein wichtiger Grund vorliegt?

Dass ein wichtiger Grund vorliegt, muss jeweils derjenige beweisen, der die Kündigung erklärt. So muss der Arbeitgeber bei Ausspruch der fristlosen Kündigung beim Arbeitsgericht beweisen, dass ein wichtiger Grund zur Kündigung vorlag. Der wichtige Grund muss im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorgelegen haben.
Nach dem Ausspruch der Kündigung entstandene Gründe können nur zur Begründung einer neuen Kündigung angeführt werden.
Falls der Arbeitgeber den wichtigen Grund nicht darlegen und beweisen kann, wird das Gericht die Kündigung für unwirksam erklären.

V. Checkliste: Welche Fragen sollte sich der Arbeitgeber vor Ausspruch der fristlosen Kündigung fragen?

  1. Ist die Kündigung des Arbeitsvertrages zulässig?
  2. Bedarf die Kündigung einer Zustimmung oder ist eine Anzeige erforderlich (zum Beispiel Mutterschutz, Schwerbehinderte)?
  3. Liegt ein wichtiger Grund für die Kündigung vor?
  4. Innerhalb welcher Frist muss die fristlose Kündigung ausgesprochen werden?
  5. Muss der Betriebsrat vor der Kündigung gehört werden?
  6. Ist ein "milderes Mittel" als die fristlose Kündigung möglich (zum Beispiel Abmahnung, ordentliche statt außerordentlicher Kündigung)?

VI. Rechtsprechung

In der Rechtsprechung haben sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ganze Kataloge gebildet, wann im Einzelfall eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt ist und wann nicht. In jedem Einzelfall ist aber der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Von einer außerordentlichen Kündigung darf nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn nicht auch mildere Mittel im Arbeitsrecht ausreichen.
Im Allgemeinen kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein, wenn:
  • Der Arbeitnehmer trotz mehrmaliger Abmahnung ständig zu spät kommt, überhaupt nicht kommt oder vorzeitig den Arbeitsplatz verlässt;
  • beharrliche Arbeitsverweigerung;
  • schwerwiegenden Vertragsverletzungen;
  • schwerem Vertrauensbruch;
  • Straftaten (zum Beispiel Diebstahl, Unterschlagung);
  • eigenmächtiger Urlaubsantritt;
  • ausländerfeindliche Äußerungen;
  • sexuelle Übergriffe;
  • Vortäuschen einer Krankheit
  • grobe Beleidigungen.

VII. Exemplarische Rechtsprechungsübersicht für fristlose Kündigung

1. Zeiterfassung:

  • Ein vorsätzlicher Stempelmissbrauch ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne von Paragraph 626 Absatz 1 BGB darzustellen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch an. Denn es stellt einen schweren Vertrauensbruch dar, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber vorsätzlich dadurch täuscht, dass er einen anderen Arbeitnehmer veranlasst, an seiner Stelle die Stempeluhr zu betätigen (vergleich Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 24.11.2005, Aktenzeichen 2 AZR 39/05 und BAG, Urteil vom 21.04.2005, Aktenzeichen 2 AZR 255/04).
  • Eine Manipulation an einer Stechuhr ist auch ohne konkreten Schaden ein ausreichender Grund zur fristlosen Kündigung eines Arbeitnehmers.Recherchen der Firma hatten ergeben, dass der Mitarbeiter Arbeitszeiten in das Gerät eingegeben hatte, die nicht mit seinen tatsächlichen Zeiten übereinstimmten. Zu seiner Rechtfertigung erklärte der Arbeitnehmer, er habe das schon „seit längerem” so gemacht, weil er nicht nach Stunden, sondern nach Arbeitsergebnissen bezahlt werde. Ein Schaden sei deshalb gar nicht entstanden. Nach dem Urteil müssen sich Firmen derartige Unkorrektheiten „nicht einen Tag länger” gefallen lassen. Nachdem der Arbeitnehmer freimütig bekannt hat, die Arbeitszeiten schon längere Zeit manipuliert zu haben, ist auch keine besondere Abmahnung mehr erforderlich. Manipulationen an Arbeitszeiterfassungsgeräten erfüllen den Straftatbestand der Urkundenfälschung und des Betruges (vergleich Arbeitsgericht Frankfurt am Main (ArbG), Urteil vom 24.02.2005; Aktenzeichen 18/2 Ca 4896/03).
  • Das Verlassen des Betriebes während der Arbeitszeit, ohne zuvor ordnungsgemäß die Stechuhr betätigt zu haben, kann grundsätzlich eine fristlose Kündigung rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber für dieses Verhalten bereits abgemahnt wurde (vergleich Landesarbeitsgericht (LAG) Frankfurt, Urteil vom 07.09.1999, Aktenzeichen 9 Sa 111/99).
  • Die Angabe falscher Arbeitszeiten rechtfertigt allerdings nicht automatisch eine fristlose Kündigung. Vielmehr muss dem zu kündigenden Mitarbeiter ein Betrugsvorsatz nachgewiesen werden. Unachtsamkeit oder Nachlässigkeit bei den Arbeitszeitangaben kann zwar ein Grund für eine arbeitsrechtliche Sanktion (zum Beispiel Abmahnung) sein, rechtfertigen prinzipiell aber noch keine Betrugskündigung (LAG Frankfurt, Urteil vom 08.02.2006, Aktenzeichen 6 Sa 1191/05). Eine fristlose Kündigung kann demnach gerechtfertigt sein, wenn ein Mitarbeiter das zum Nachweis der Arbeitszeit bestimmte Formular wissentlich und vorsätzlich falsch ausfüllt; insbesondere, wenn damit ein persönlicher Vorteil angestrebt wird, zum Beispiel um sich Nachtzuschläge zu verschaffen (LAG Hamm, Urteil vom 02.11.2006, Aktenzeichen 17 Sa 646/06).
  • Entfernt ein Arbeitnehmer sich während der Arbeitszeit mehrfach unerlaubt vom Arbeitsort, begeht er Arbeitszeitbetrug, der eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann (vergleich ArbG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.06.2006, Aktenzeichen 7 Ca 10530/05; ArbG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.11.2006, Aktenzeichen 1 Ca 5687/06).

2. Internet- und Telefonnutzung:

  • Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung kann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer das Internet während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken in erheblichem zeitlichem Umfang („ausschweifend”) nutzt und damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt (vergleich BAG, Urteil vom 07.07.2005, Aktenzeichen 2 AZR 581/04).
  • Privattelefonate in erheblichen Umfang am Arbeitsplatz rechtfertigen grundsätzlich die fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds. Die hierfür nach Paragraph 103 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats muss dem Betroffenen nicht schriftlich mitgeteilt werden (vergleich BAG, Urteil vom 04.03.2004, Aktenzeichen 2 AZR 147/03).
Tipp: Unternehmen ist zu empfehlen, für die private Nutzung von E-Mail- und Internetanlagen sowie das Telefon klare Regeln vorzugeben, etwa zulässige Nutzungszeiten sowie den erlaubten Umfang (zum Beispiel nicht mehr als x Minuten pro Tag/y Minuten pro Woche, nur in Pausen) und auch Verbote zu Inhalten. Die beschränkte Privatnutzungserlaubnis sollte mit der Vereinbarung von Kontrollrechten einhergehen.

3. Urlaub:

Fristlose Kündigung wegen eigenmächtigem Urlaubsantritt (vergleich LAG Hamm, Urteil vom 13.06.2000, Aktenzeichen 19 Sa 2246/99).

4. Unpünktlichkeit:

  • In Fällen ständiger Verspätungen kommt eine außerordentliche Kündigung ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Unpünktlichkeit des Arbeitnehmers den Grad und die Auswirkung einer beharrlichen Arbeitsverweigerung und einer beharrlichen Verletzung seiner Arbeitspflicht erreicht hat. Eine beharrliche Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsvertrag ist in der Regel dann anzunehmen, wenn eine Pflichtverletzung trotz Abmahnung wiederholt begangen wird und sich daraus der nachhaltige Wille der vertragswidrig handelnden Partei ergibt, den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen zu wollen (vergleich BAG, Urteil vom 17.03.1988, Aktenzeichen 2 AZR 576/87, BAG, Urteil vom 5. April 2001 – 2 AZR 580/99 , LAG Frankfurt, Urteil vom 10.11.2004, Aktenzeichen 2 Sa 756/04 ).
  • Stört das wiederholte Zuspätkommen eines Arbeitnehmers den Betriebsablauf eines Unternehmens, kann ihn der Unternehmer selbst dann kündigen, wenn die einzelnen Verspätungen in der Vergangenheit eher gering waren. Dies beispielsweise in einem Fall, bei dem ein Mitarbeiter nach zweieinhalbjähriger Betriebszugehörigkeit ordentlich gekündigt wurde, nachdem er insgesamt 15-mal zu spät angetreten und bereits 3-mal abgemahnt worden war. Die Verspätungen betrugen meistens nicht mehr als 5 Minuten, störten jedoch den reibungslosen Betriebsablauf (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.11.2006, Aktenzeichen 5 Sa 271/06).

5. Diskriminierung:

  • Sexuelle Belästigung einer Kollegin auf einer privaten Feier mit Betriebsbezug (vergleiche LAG Berlin, Urteil vom 03.03.2006, Aktenzeichen 13 Sa 1906/05). Eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz liegt auch beim Zeigen und sichtbarem Anbringen von pornografischen Darstellungen, welche von den Betroffenen erkennbar abgelehnt werden, vor. (Vergleich LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.09.2006, Aktenzeichen 3 Sa 163/06).
  • Außerordentliche Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses wegen rassistischen Verhaltens (vergleiche BAG, Urteil vom 01.07.1999, Aktenzeichen 2 AZR 676/98).
  • Fristlose Kündigung wegen herabsetzender Äußerungen des Arbeitnehmers über den Arbeitgeber (vergleiche BAG, Urteil vom 17.02.2000, Aktenzeichen 2 AZR 927/98).
  • Wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung ist die Beleidigung eines Vorgesetzten mit den Worten „Du bist ein Arschloch” (vergleiche LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.11.2000, Aktenzeichen 9 Sa 967/00).
  • Die schwere Beleidigung einer Mitarbeiterin eines Firmenkunden mit den Worten "Du dumme Sau" rechtfertigt vorliegend keine fristlose Kündigung (vergleiche LAG Hamm, Urteil vom 26.05.2006, Aktenzeichen 8 (19) Sa 195/06).

6. Diebstahl, Unterschlagung, Verkehrsdelikte und allgemeine Straftaten:

  • Kassiererin einer Supermarktkette hat zwei Pfandbons im Wert von insgesamt 1,30 Euro eingelöst, ohne diese vorher von dem Filialleiter abzeichnen zu lassen. (vergleiche BAG vom 10. 06. 2010, Aktenzeichen: 2 AZR 541/09).
    Vor dem Ausspruch einer Kündigung müssen Arbeitgeber eine zweistufige Prüfung vornehmen. Auf der ersten Stufe ist maßgeblich, ob ein Sachverhalt an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung zu begründen.Auch nach dem neuen Urteil des BAG bleibt es bei dem Grundsatz: Delikte wie Diebstahl, Betrug oder Unterschlagung zum Nachteil des Arbeitgebers sind grundsätzlich ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung. Auf den Wert der Sache kommt es dabei nicht an.
    Auf der zweiten Stufe ist eine Abwägung im Einzelfall vorzunehmen. Es ist eine Prognose anzustellen, ob trotz des Fehlers des Arbeitnehmers eine weitere Zusammenarbeit möglich ist. Die aktuelle Rechtsprechung des BAG macht deutlich, dass differenzierter auf die vorzunehmende Interessenabwägung zu schauen ist. Dabei sind insbesondere das Alter des Arbeitnehmers, die Betriebszugehörigkeit und die mit der Kündigung verbundene soziale Härte sowie etwaige Unterhaltspflichten einzubeziehen und zu gewichten.
    Ein Verstoß wiegt umso schwerer, wenn das Fehlverhalten mit den vertraglich geschuldeten Aufgaben des Arbeitnehmers zusammenhängt. Liegt der Verstoß außerhalb des konkreten Aufgabenbereichs des Arbeitnehmers und erfolgt nur bei Gelegenheit der Arbeitsleistung, ist dies weniger stark zu berücksichtigen.
  • Die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung wegen Diebstahls braucht nicht an dem Fehlen einer Abmahnung zu scheitern. Bei einem Diebstahl handelt es sich um eine Störung im Vertrauensbereich. Deshalb ist eine vorherige Abmahnung als Teil des Kündigungsgrundes nur dann erforderlich, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen, etwa auf Grund einer unklaren Regelung oder Anwendung annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen (vergleiche BAG, Urteil vom 13.12.1984, Aktenzeichen 2 AZR 454/83).
  • Der dringende Verdacht eines Diebstahls bzw. einer Unterschlagung geringwertiger Gegenstände aus dem Eigentum des Arbeitgebers stellt an sich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar. Allerdings kann die Würdigung, ob dem Arbeitgeber deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. der vertragsmäßigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar ist, zur Feststellung der Nichtberechtigung der außerordentlichen Kündigung führen (vergleiche BAG, Urteil vom 12.08.1999, Aktenzeichen 2 AZR 923/98).
  • Erhebliche Verkehrsverstöße eines LKW-Fahrers rechtfertigen nach erfolgloser Abmahnung zumindest die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber. Ein LKW-Fahrer war bereits deshalb ermahnt und abgemahnt worden, weil er eine rotzeigende Ampel missachtet (Rotlichtverstoß) und Beladungsvorschriften für den Gefahrgut-LKW nicht eingehalten hat. Als er anschließend eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung beging, die zu einem einmonatigen Fahrverbot führte und zudem mit einer verkehrsunsicheren Bereifung fuhr, weil er die vorgeschriebene tägliche Reifenkontrolle unterlassen hatte, sah das LAG Köln eine darauf beruhende ordentliche Kündigung als gerechtfertigt an (vergleiche LAG Köln, Urteil vom 04.09.2006, Aktenzeichen 14 Sa 635/06; rechtskräftig).
  • Grobe Beleidigungen eines Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber in einer öffentlichen Sitzung rechtfertigen eine außerordentliche fristlose Kündigung. Das entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen in einem Fall, in dem der Arbeitnehmer geäußert hatte, der Arbeitgeber „lüge wie gedruckt; wie er mit Menschen umgehe, da komme er – der Mitarbeiter – sich vor wie im Dritten Reich“. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass diese Äußerungen unter anderen einen Angriff auf die Menschenwürde darstellen. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers werde in solchen Fällen regelmäßig zurücktreten müssen. Für die Gesamtabwägung der Interessen sei auch von Bedeutung gewesen, dass der Arbeitnehmer die Chance vertan habe, seine beleidigenden Äußerungen auf Vorhalt zurückzunehmen und dass er seinen Arbeitgeber bereits in einem früheren Rechtsstreit beschimpft habe (Urteil des LAG Hessen vom 14.09.2010 – 243/10).
  • Eine außerdienstliche Straftat von erheblichem Gewicht, die zu einer konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses führt, kann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Dabei sind an die Verhaltenspflichten eines im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmers besondere Anforderungen zu stellen. Ein derartiger gravierender Fall liegt vor, wenn der Arbeitnehmer in 29 Fällen Betäubungsmittel an Minderjährige abgegeben hat (vergleiche LAG Köln, Urteil vom 13.02.2006, Aktenzeichen 14 (12) Sa 1338/05).

7. Alkohol

Eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers wegen Trunkenheit kommt nur in Betracht, wenn durch zusätzliche Umstände eine alsbaldige Beendigung des Arbeitsverhältnisses unverzichtbar erscheint. Als belastende Umstände in diesem Sinne sind beispielsweise die Uneinsichtigkeit des Arbeitnehmers nach früheren Vorfällen, vergebliche Abmahnungen, unverantwortliche Handlungen im alkoholisierten Zustand sowie besondere betriebliche Gefahren berücksichtigungsfähig (vgergleiche Sächsisches LAG, Teilurteil vom 16.02.2006, Aktenzeichen 8 Sa 968/04).

8. Pflichtverletzungen

  • Ein stellvertretender Küchenleiter einer Großküche, der die Qualität, die hygienische Unbedenklichkeit und die Quantität des angelieferten Gemüses und Obstes zu prüfen und zu dokumentieren hat, begeht eine schwerwiegende Pflichtverletzung, wenn er gleichzeitig Inhaber des Unternehmens ist, das dieses Obst und Gemüse liefert und diesen Umstand und die damit verbundene Interessenkollision dem Arbeitgeber verheimlicht (vergleiche LAG Köln, Urteil vom 25.09.2006, Aktenzeichen 14 Sa 658/06).
  • Eine solche außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn eine Patientenbetreuerin in einer Vielzahl von Fällen unter Gefährdung der Gesundheitsinteressen der Patienten ihre Arbeit nicht oder nachlässig verrichtet und insgesamt vier Abmahnungen zu keiner Besserung führen (vergleiche LAG Köln, Urteil vom 30.10.2006, Aktenzeichen 14 Sa 158/06).
  • Verstößt ein Angestellter bewusst gegen Lebensmittelvorschriften, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Bei einem beachtlichen Gesundheitsrisiko für den Kunden und einer erheblichen Beeinträchtigung der Geschäftsinteressen des Arbeitgebers sei auch nach langjähriger unbeanstandeter Zusammenarbeit eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt. Im vorliegenden Fall hatte ein Fleischereiangestellter Hackfleisch vom Vortag verarbeitet (LAG Frankfurt, Urteil vom 27.04.2006, Aktenzeichen 5 Sa 1710/05).
Hinweis:
Die hier genannten Fälle sind Beispiele; wann im Einzelfall eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein kann und wann nicht. Ob eine außerordentliche Kündigung im konkreten Fall gerechtfertigt ist, hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab.
Stand: September 2021