Entgeltfortzahlung

Freistellung und Ehrenamt

Muss ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer wegen ehrenamtlicher Tätigkeiten freistellen? Muss er ihm dabei auch noch sein Entgelt weiterzahlen und wenn ja, bekommt er es erstattet?

Grundsätzliches

Unternehmen müssen Mitarbeiter für ehrenamtliche Tätigkeiten freistellen, wenn diese im öffentlichen Interesse liegen. Private Ehrenämter dagegen können nur freiwillig zur Freistellung führen. Ein Anspruch des Mitarbeiters besteht nicht: Unternehmen können dann frei entscheiden, ob Sie das private Ehrenamt durch Freistellung unterstützen oder nicht.

Privates versus öffentliches Ehrenamt

Industrie- und Handelskammer (IHK), Freiwillige Feuerwehr, Technisches Hilfswerk (THW), Landessportbund - viele Organisationen, Vereine und Verbände beschäftigen eine Vielzahl von ehrenamtlichen Helfern. Im Regelfall wird eine solche ehrenamtliche Tätigkeit in der Freizeit ausgeübt. Will der Arbeitnehmer sich aber auch während der Arbeitszeiten ehrenamtlich betätigen, so wird dies oftmals problematisch. Dann stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf hat, für die ehrenamtliche Tätigkeit von seiner Arbeit freigestellt zu werden und ob er weiterhin bezahlt werden muss oder nicht.
Zur Beantwortung dieser Fragen ist die Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen Ehrenämtern wichtig:

Privates Ehrenamt

Engagiert sich ein Arbeitnehmer in einem privaten Ehrenamt, wie beispielsweise im Tierschutz oder im Wanderverein, kann er dies auch nur privat, also neben der Arbeit, ausüben. Hier hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Freistellung und müsste sich gegebenenfalls Urlaub nehmen. Sollte er dennoch während der Arbeitszeit einem privaten Ehrenamt nachgehen, verstößt er gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten (ArbG Passau 16.01.1992, BB 1992, 567).

Öffentliches Ehrenamt

Nimmt ein Arbeiter oder Angestellter jedoch ein öffentliches Ehrenamt wahr, genießt er verhältnismäßig hohen Schutz. Hintergrund ist, dass die meisten Vereine und Verbände nur aufgrund ihrer ehrenamtlichen Helfer bestehen können und gleichzeitig sehr wichtige gesellschaftliche Funktionen erfüllen. So sitzen beispielsweise in Prüfungsausschüssen von Kammern und Verbänden über 300.000 ehrenamtliche Prüfer und Prüferinnen, welche zur Sicherung und zum Erhalt der Qualität in der Berufsbildung beitragen. Auch die Freiwillige Feuerwehr besteht ausschließlich aus freiwilligen Mitgliedern und ist zur Gefahrenabwehr unabdingbar.
Um solche für die Gesellschaft wichtigen Aufgaben abzusichern, haben die meisten Bundesländer in ihren Verfassungen das Recht festgeschrieben, sich ehrenamtlich zu betätigen. So sieht für Hessen Artikel 25 der Hessischen Landesverfassung vor, dass eine staatsbürgerliche Pflicht zur Übernahme von Ehrenämtern besteht und Arbeitgeber die für das Ehrenamt erforderliche freie Zeit zu gewähren haben. Dies bedeutet, es besteht bei einem öffentlichen Ehrenamt ein Anspruch auf Freistellung gegenüber dem Arbeitgeber. Generell kann dies dahingehend ausgelegt werden, dass dem Arbeitnehmer keine Nachteile aus der Wahrnehmung eines solchen Ehrenamtes entstehen dürfen.
Für eine Vielzahl öffentlicher Ehrenämter bestehen ferner spezielle gesetzliche Regelungen, welche genau festlegen, für wie viele Tage im Jahr der Arbeitnehmer für das Ehrenamt von seiner Arbeit freigestellt wird und vor allem, ob er hierfür vergütet wird. Oftmals wird auch ein Ausgleichsanspruch des Arbeitgebers gegen die Gemeinde oder sonst zuständige Stelle für das hierbei gezahlte Arbeitsentgelt gewährt.
Im Folgenden sollen die am häufigsten vorkommenden Fälle genauer dargestellt werden:

Ehrenamtliche bei der freiwilligen Feuerwehr

In Paragraf 11 Hessisches Brand- und Katastrophenschutzgesetz (HBKG) wird geregelt, dass Arbeitnehmer, die während der Arbeitszeit an Einsätzen, Übungen und Ausbildungsveranstaltungen teilnehmen, für die Dauer der Teilnahme unter Gewährung des Arbeitsentgelts von der Arbeitsleistung freizustellen sind. Daneben besteht ein Anspruch auf bezahlte Freistellung auch während der erforderlichen Regeneration nach Einsätzen. An einem solchen Anspruch kann es indes bei flexiblen Arbeitszeitmodellen (zum Beispiel bei der „Gleitzeit“) fehlen, wenn der Arbeitnehmer sowohl über die Lage als auch die Dauer der Arbeitszeit entscheiden und hierdurch den Eintritt einer Kollision zwischen Arbeitszeit und ehrenamtlicher Tätigkeit vermeiden kann.
Tipp: Dem Arbeitgeber ist auf Antrag das gewährte Arbeitsentgelt einschließlich der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesagentur für Arbeit, sowie zur betrieblichen Altersversorgung zu erstatten (Paragraf 11 Absatz 8 HBKG). Anträge sind jedoch innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung der Freistellung zu stellen.

Ehrenamtliche THW-Hilfskräfte

Das Gesetz über das Technische Hilfswerk enthält in Paragraf 3 Absatz 1 THW-Gesetz ein umfassendes Benachteiligungsverbot der Arbeitnehmer. Danach sind Arbeitnehmer und auch Auszubildende, die während der Arbeitszeit an Einsätzen oder Ausbildungsveranstaltungen teilnehmen, für die Dauer der Teilnahme unter Gewährung des Arbeitsentgelts von der Arbeitsleistung freigestellt. Den Arbeitgebern wird jedoch das weitergewährte Arbeitsentgelt einschließlich der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesagentur für Arbeit, sowie zur betrieblichen Altersversorgung erstattet (Paragraf 3 Absatz 2 THW-Gesetz). Der Erstattungsanspruch des Arbeitsgebers setzt voraus, dass der Arbeitsausfall mehr als zwei Stunden am Tag oder mehr als sieben Stunden innerhalb von zwei Wochen beträgt. Dann wird aber auch das Gehalt für die gesamte Ausfallzeit ersetzt.
Wird der Arbeitnehmer während seines Urlaubs zu einem Einsatz herangezogen, so sind aufgrund des umfassenden Benachteiligungsverbots die betroffenen Tage nicht auf den Urlaubsanspruch anzurechnen. Der Arbeitnehmer hat dann einen Anspruch auf erneute Gewährung (Bundesarbeitsgericht-Urteil vom 10.05.2005 – 9 AZR 251/04).
Tipp: Dieser Grundsatz dürfte für alle spezialgesetzlich geregelten Freistellungsfälle mit umfassendem Benachteiligungsverbot gelten.

Kinder- und Jugendbetreuer

In Paragraf 43 Hessisches Kinder- und Jugendhilfegesetz ist festgelegt, dass Arbeitnehmer zwölf Tage im Jahr oder alternativ 24 halbe Tage für ehrenamtliche Jugendarbeit bezahlt freizustellen sind. Der Arbeitnehmer muss die Freistellung zuvor beim Jugendamt oder einer im Gesetz bestimmte Einrichtung beantragen.
Tipp: Der Arbeitgeber kann die Freistellung jedoch immer dann verweigern, wenn in dem vom Beschäftigten vorgesehenen Freistellungszeitraum dringende betriebliche Erfordernisse der Freistellung entgegenstehen.
Das Land erstattet auf Antrag den Arbeitgebern die für die Fortsetzung der Entgelte entstandenen Kosten. Die Beiträge zur Sozialversicherung werden allerdings nicht erstattet. Der Arbeitgeber muss den Erstattungsanspruch innerhalb eines Jahres geltend machen.

Ehrenamtliche Mandatsträger

Bei einem in einer Gemeindevertretung ehrenamtlich engagierten Arbeitnehmer muss der Arbeitgeber gemäß Paragraf 35a Hessische Gemeindeordnung (HGO) die für die Mandatsausübung erforderliche Freistellung von der Arbeit gewähren. Unabhängig hiervon ist dem Mandatsträger bis zu zwei Wochen Urlaub für die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen im Zusammenhang mit dem Mandat zu gewähren. Der Arbeitgeber kann die Entgeltzahlung einstellen und der Gebietskörperschaft den beim Mitarbeiter entstandenen Fehlbetrag mitteilen. Dann muss die jeweilige Gemeinde dies an seiner Stelle zahlen. Der Arbeitgeber könnte aber auch das Entgelt weiterzahlen und anschließend von der Gemeinde Erstattung der dadurch entstandenen Kosten verlangen.

Helfer des Roten Kreuzes

Spezielle gesetzliche Regelungen, wie etwa bei der freiwilligen Feuerwehr, existieren nicht für Helfer des Roten Kreuzes und anderer Hilfsdienste. Werden diese zu einem Unglücksfall herangezogen, wird auf allgemeine Grundsätze zur Vergütung zurückgegriffen. Es besteht dann ausnahmsweise eine Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers aus Paragraf 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ohne Erstattungsmöglichkeit.

Ehrenamtliche Prüfertätigkeiten

Die Prüfertätigkeit in einem Prüfungsausschuss der IHK ist ein wichtiges Ehrenamt. Für diese Prüfertätigkeit besteht ebenfalls gemäß Artikel 25 der Hessischen Landesverfassung ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeit. Die weiteren Details wie entgeltliche Fortzahlung und Anzahl der jährlich gewährten Freistellungstage sollten individuell zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart werden. Wenn der Arbeitgeber keine Lohnfortzahlung zusagt, kann der Mitarbeiter für seine Prüfertätigkeit bei der IHK nach Aufwandsentschädigungen anfragen. Mittlerweile sehen die meisten Tarifverträge hierfür auch schon eigene Bestimmungen vor, welche die genauen Voraussetzungen regeln. Sie sind meist arbeitnehmerfreundlich gestaltet. Hintergrund ist, dass nicht nur die Arbeitnehmer selbst sondern vor allem Arbeitgeber von der ehrenamtlichen Prüfertätigkeit ihrer Arbeitnehmer profitieren. Die Alternative zum ehrenamtlichen Prüfungswesen wäre der Aufbau eines staatlichen Prüfungswesen oder spezieller Zertifizierungseinrichtungen. Beides müsste letztendlich von den ausbildenden Unternehmen bezahlt werden. Das wäre teurer und weniger praxisnah. Gleichzeitig wären Abschlüsse sehr schwer vergleichbar.

Ehrenamtliche Tätigkeit

Gesetzes-grundlage
Maximale Anzahl der Freistellungs-Tage
Entgelt-Fortzahlungs-Pflicht
Erstattung möglich?

Freiwillige Feuerwehr

Paragraf 11 Hessisches Brand- und Katastrophen-schutzgesetz



unbegrenzt


Ja


Ja
(Antragsfrist: 6 Monate)


Technisches Hilfswerk (THW)

Paragraf 3 THW-Gesetz

unbegrenzt
Ja, wenn mehr als 2 Stunden am Tag oder 7 Stunden innerhalb von 2 Wochen

Ja, bei der jeweiligen THW-Geschäftsstelle

Kinder- und Jugendbetreuer


Paragraf 43 Hessisches Kinder- und Jugendhilfegesetz

12
(oder 24 halbe Tage)


ja

Ja, mit Ausnahme der Sozial-Versicherungs-Beiträge,
(Antragsfrist: 1 Jahr)


Ehrenamtliche Mandatsträger


Paragraf 35 a HGO

unbegrenzt

nein

Ja (falls Entgeltfortzahlung erfolgte)
Rotes Kreuz/
sonstige Hilfsdienste

Paragraf 616 BGB

unbegrenzt

ja

nein
Prüfertätigkeiten
Tarif- bzw. Arbeitsvertrag
tariflich geregelt oder individuell vereinbart     tariflich geregelt oder individuell vereinbart    
nein
Stand: Mai 2022