Scheinselbstständigkeit?!

Selbstständige Kraftfahrer ohne eigenes Fahrzeug

I Selbstständige Kraftfahrer ohne eigene Fahrzeuge

Personalengpässe durch Urlaub und Krankheit sind ein ständiges Problem jedes Unternehmers und müssen durch eine Personalreserve oder Aushilfskräfte kompensiert werden. Ein Weg, den Verkehrsunternehmer mit Vorsicht beschreiten sollten, ist einen „Selbstständigen Kraftfahrer ohne eigenes Fahrzeug” einzusetzen.
Von Rentenversicherungsträgern und Krankenkassen werden derart eingesetzte Kraftfahrer in der Regel wie abhängig beschäftigte Arbeitnehmer behandelt, für die Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden müssen (sogenannte Scheinselbstständige). Diese Rechtsauffassung der Sozialversicherungsträger ist beispielsweise durch das Landessozialgericht Baden-Würrtemberg (siehe “Mehr zum Thema”) bestätigt worden. Die Begründung liegt darin, dass der angeblich Selbstständige Kraftfahrer in diesen Fällen in die Betriebsorganisation des Verkehrsunternehmens eingebunden ist, damit eine persönliche Abhängigkeit hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung besteht und er kein eigenes betriebliches Risiko trägt. An dieser sozialrechtlichen Bewertung ändert sich auch dann nichts, wenn das zuständige Gewerbeamt eine entsprechende Gewerbeanmeldung ohne Einwände entgegennimmt und auch das Finanzamt diesen „Selbstständigen Kraftfahrer” zur Einkommensteuer aus Gewerbebetrieb veranlagt!
Wird ein solches Beschäftigungsverhältnis bei einer Betriebsprüfung festgestellt, können vom Auftraggeber die Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge vier Jahre rückwirkend eingefordert werden. Dies kann auch zu strafrechtlichen Konsequenzen führen, wenn ein Betrug zu Lasten der Sozialversicherungsträger festgestellt wird.

Wer gilt nach der Gesetzesänderung von 2012 als Selbstständiger?

  • Sie besitzen eine Gemeinschaftslizenz zum Gütertransport.
  • Sie besitzen eine andere berufsspezifische Beförderungsermächtigung, um gewerblich Waren oder Personen im Straßenverkehr zu befördern.
  • Sie sind befugt auf eigene Rechnung zu arbeiten.
  • Sie sind nicht durch einen Arbeitsvertrag an einen Arbeitgeber gebunden.
  • Sie haben einen freien Gestaltungsspielraum was Ihre Auftraggeber angeht.
  • Sie haben mehrere Auftraggeber.
  • Ihre Einkünfte hängen direkt von den erzielten Gewinnen Ihrer Tätigkeit ab.

Wie sind die Arbeitszeiten für selbstständige Kraftfahrer zu verstehen?

  • Arbeitszeit nach der Gesetzesänderung ist die Zeit (ohne Ruhepausen), in der sich der selbstständige Kraftfahrer am Arbeitsplatz befindet, für seine Kunden da ist und seine Funktionen und Tätigkeiten ausführt.
  • Administrative Tätigkeiten, die keinen direkten Bezug mit der gerade ausgeführten/ spezifischen Transportdienstleistung haben, zählen nicht dazu.
  • Bereitschaftszeit (also keine Arbeitszeit) ist die Zeit, in der sich ein Fahrer für einen in der Zukunft liegenden Transport bereithalten muss. Dabei muss vor Fahrtantritt klar sein, wann und wo sich der Fahrer für diesen Transport bereithalten muss.
  • Bei der Arbeitszeit sind selbstständige und angestellte Kraftfahrer jetzt gleichgestellt: maximale Wochenarbeitszeit von 60 Stunden bei einer maximalen Durchschnittswochenarbeitszeit von 48 Stunden im Zaietraum von vier Monaten. Bei Nachtarbeit zwischen 0 und 4 Uhr darf in einem Zeitraum von 24 Stunden nicht länger als 10 Stunden gearbeitet werden.
  • Faktisch werden Bürotätigkeiten wie Rechnungslegung oder Kundenaquise also nach Feierabend oder an Wochenenden erledigt.

Wie erfassen und dokumentieren Sie Ihre Arbeitszeiten?

  • Die Arbeitszeiten hinterm Steuer werden - wie gehabt - durch den digitalen Tachografen oder durch Schaublätter nachweisen.
  • Der selbstständige Kraftfahrer ist weiter verpflichtet, seine Arbeitszeit täglich aufzuzeichnen, soweit sie nicht durch ein analoges oder digitales Kontrollgerät aufgezeichnet wird. 
  • Die Aufzeichnungspflicht gilt allerdings nicht für allgemeine administrative Tätigkeiten, die keinen direkten Zusammenhang mit der gerade ausgeführten spezifischen Transporttätigkeit aufweisen.
  • Die Aufzeichnungen sind zwei Jahre aufzubewaren.

II Abhängige Beschäftigung oder Selbstständige Tätigkeit?

Die Sozialversicherungsträger haben in einem „Katalog bestimmter Berufsgruppen zur Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbstständiger Tätigkeit” folgende Kriterien festgelegt:

1. Güterbeförderung

Frachtführer/Unterfrachtführer:
„Es ist davon auszugehen, dass Frachtführer im Sinne der Paragraphen 407 und folgende HGB dann ein Selbstständiges Gewerbe ausüben, wenn sie beim Transport ein eigenes Fahrzeug einsetzen und für die Durchführung ihres Gewerbes eine Erlaubnis nach Paragraph 3 Güterkraftverkehrsgesetz oder die Gemeinschaftslizenz nach Artikel 3 der Verordnung (EWG) 881/92 besitzen. Dies gilt auch dann, wenn sie als Einzelperson ohne weitere Mitarbeiter nur für ein Unternehmen tätig sind und dabei die Farben oder ein „Logo” dieses Unternehmens nutzen. Voraussetzung ist allerdings, dass ihnen weder Dauer noch Beginn und Ende der Arbeitszeit vorgeschrieben wird und sie die – nicht nur theoretische – Möglichkeit haben, Transporte auch für weitere eigene Kunden auf eigenen Rechnung durchzuführen. Ob sie diese Möglichkeit tatsächlich nutzen, ist nicht entscheidend.
Um ein eigenes Fahrzeug im Sinne der vorherigen Ausführungen handelt es sich nur dann, wenn es auf den Erwerbstätigen zugelassen ist und von ihm mit eigenen Kapitalaufwand erworben oder geleast wurde. Eine indirekte oder direkte Beteiligung an der Fahrzeug-/Leasingfinanzierung durch den Auftraggeber spricht gegen die Annahme einer Selbstständigen Tätigkeit.”

2. Personenbeförderung

Omnibusfahrer:
„Omnibusfahrer, die keine eigenen Busse besitzen, jedoch für Busunternehmen Linienfahrten, Reiserouten, Schulfahrten etc. ausführen, sind auf Grund der damit verbundenen Eingliederung in die Betriebsorganisation des Busunternehmens und der persönlichen Abhängigkeit hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung als Arbeitnehmer zu beurteilen.”
Taxifahrer: (analog der Mietwagenfahrer)
„Taxifahrer, die kein eigenes Fahrzeug verwenden, gehören auf Grund der damit verbundenen persönlichen Abhängigkeit zu den abhängig Beschäftigten. Taxifahrer mit eigenem Fahrzeug sind als Selbstständige anzusehen, wenn Sie über eine Konzession verfügen. Eine Arbeitgebereigenschaft der „Taxizentrale” gegenüber diesen Personen scheidet aus.”
Dies macht auch deutlich, dass es auch nicht ausschlaggebend ist, wie viele verschiedene Auftraggeber ein angeblich „Selbstständiger Kraftfahrer” hat.

III Handlungsempfehlung

Neben dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg gab es 2011 ein gegensätzliches Urteil des Landessozialgerichts Bayern. Um eine rechtlich verbindliche Auskunft zu erhalten empfehlen wir Ihnen, ein Statusfeststellungsverfahren.

1. Statusfeststellungsverfahren

Da theoretisch die Möglichkeit besteht, dass es Fälle gibt, in denen auch ein „Selbstständiger Kraftfahrer” ohne Fahrzeug im sozialversicherungsrechtlichen Sinne selbständig ist, können sich Auftraggeber und Auftragnehmer vor Beginn oder unmittelbar nach Aufnahme der Tätigkeit Gewissheit darüber verschaffen, indem sie einen sogenannten Statusfeststellungsantrag nach Paragraph 7a des Sozialgesetzbuches IV bei der Deutschen Rentenversicherung (vormals BfA) stellen. Das Statusfeststellungsverfahren ist nur objektiven Zweifelsfällen vorbehalten. Die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung, ob es sich um eine Selbstständige Tätigkeit handelt, ist verbindlich.
Überdies hat die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Clearingstelle eingerichtet, bei der sozialversicherungsrechtliche Statusfragen geklärt werden können. Bestehen Zweifel, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt oder nicht, kann dann das erwähnte Statusfeststellungsverfahren beantragt werden. Der Antrag kann sowohl vom Auftraggeber/Arbeitgeber als auch vom Auftragnehmer/Arbeitnehmer gestellt werden.
Einen Statusfeststellungsantrag und weitere Informationen sind erhältlich bei:
Deutsche Rentenversicherung, Ruhrstr. 2, 10709 Berlin
Tel.: 030/865-1, Fax: 030/865-27240,
Internet: http://www.deutsche-rentenversicherung.de
Clearingstelle für sozialversicherungsrechtliche Statusfragen
10704 Berlin
Service-Telefon: 0800 1000 4800
Hinweis: Dieses Merkblatt soll – als Service Ihrer IHK – nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größter Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.