Teilschulnetzplanung

Sächsisches Staatsministerium für Kultus
Staatsminister
Herr Conrad Clemens
Carolaplatz 1
01097 Dresden

28.01.2025
Themen mit Blick auf die Evaluierung der Teilschulnetzplanung Berufsbildende Schulen

Sehr geehrter Herr Staatsminister,
als Partner in der beruflichen Bildung beteiligen sich die Industrie- und Handelskammern aktiv am Prozess der Weiterentwicklung der Teilschulnetzplanung. Dieser Prozess ist aus unserer Sicht von großer Bedeutung, um die Struktur der beruflichen Bildung weiterhin den aktuellen Bedürfnissen des Arbeitsmarktes und den Anforderungen der Wirtschaft anzupassen. Zur aktuell in Erarbeitung befindlichen Evaluation der Teilschulnetzplanung Berufsbildende Schulen haben wir als Mitglieder über den Landesausschuss für Berufsbildung Stellung genommen. Dennoch verweisen wir auch an dieser Stelle nochmals darauf, dass sich diese Teilschulnetzplanung im Rahmen ihrer anstehenden Evaluation insbesondere bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Attraktivität und Qualität der Berufsausbildung in Sachsen messen lassen muss. Dies gilt jedoch nicht nur rückblickend, sondern muss auch maßgeblich für die Fortschreibung der Planung sein. Selbiges betrifft notwendige Anpassungen, die sich aus den Entwicklungen rund um den Strukturwandel in der sächsischen Wirtschaft ergeben (vgl. z. B. Ansiedlungen TSMC Dresden und CTC Delitzsch). Wir bitten Sie daher, dies im Sinne unserer Ausbildungsbetriebe und ihrer künftigen Auszubildenden unbedingt zu berücksichtigen.
Zudem möchten wir die Gelegenheit nutzen und darüber hinaus darauf hinweisen, dass der Blick auf die Teilschulnetzplanung nur ein Aspekt der Gesamtentwicklung der beruflichen Bildung in Sachsen ist. Die Herausforderungen, vor denen die berufliche Bildung in unserem Land steht, sind umfassender und reichen weit über die reine Schulstruktur hinaus. Folgende zentrale Faktoren werden in den kommenden Jahren entscheidend die Qualität und Zukunftsfähigkeit der beruflichen Bildung in Sachsen beeinflussen:
  • Lehrerversorgung: Zu den wichtigsten Faktoren für die Qualität der beruflichen Bildung zählt ohne jeden Zweifel die Lehrerversorgung. Die Verfügbarkeit von qualifizierten Lehrkräften in den verschiedenen Bereichen ist ein zentrales Element für den Erfolg der Ausbildung. Der zunehmende Lehrermangel, insbesondere im Bereich der beruflichen Schulen, stellt eine ernsthafte Herausforderung dar. Um eine nachhaltige und qualitätsvolle Ausbildung gewährleisten zu können, müssen sowohl die Ausbildung von Lehrkräften als auch die Attraktivität des Berufsbildes für Lehrer und Lehrerinnen weiter gestärkt werden. Gleichzeitig sollten flexible Modelle zur Lehrerversorgung, wie z. B. der Einsatz von Fachkräften aus der Praxis, stärker in Betracht gezogen werden.
  • moderne Ausstattung der Berufsschulzentren: Neben der Lehrerversorgung ist auch in die bauliche Substanz und die technische Infrastruktur von großer Wichtigkeit, wenn es um eine qualitativ hochwertige Berufsausbildung am Lernort Berufsschule geht. Dies entspricht schließlich auch dem Ziel, die Einrichtungen zu Kompetenzzentren weiterzuentwickeln. Die Schulträger müssen finanziell in die Lage versetzt werden, hierfür regelmäßig investieren zu können. Die langfristige Fortführung des Digitalpaktes Schule ist hierfür notwendig. Zudem sollte die Unterstützung der Schulträger über das sächsische Programm „Fachkräfteförderung durch Stärkung der berufsbildenden Schulen“ im Rahmen des Just Transition Funds (JTF) nicht länger von den Vorgaben des Teilschulnetzplanes berufsbildende Schulen abhängig gemacht werden.
  • Schaffung ausreichender Unterbringungsangebote für Auszubildende: Noch immer sind Quantität und Qualität der Unterbringungsangebote für Auszubildende nicht mit jenen für Studierende in Sachsen zu vergleichen. Um hier eine Angleichung zu bewirken, sollten die Mittel aus dem Bundesförderprogramm „Junges Wohnen“ im Freistaat auch zukünftig angemessen für Investitionen der Schulträger in Wohnheime für Auszubildende bereitgestellt werden. Die Staatsregierung muss dazu eine Förderrichtlinie erlassen, die den Aus- und Neubau von Wohnheimen für Auszubildende sowohl am Lernort Berufsschule als auch am Lernort Ausbildungsbetrieb unterstützt.
  • konjunkturelle und strukturelle Entwicklungen: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, konjunkturelle Schwankungen und strukturelle Entwicklungen wirken sich direkt auf die Anforderungen der Unternehmen an Fachkräfte aus. In Zeiten wirtschaftlichen Wachstums wird eine starke Nachfrage nach qualifizierten Auszubildenden und Fachkräften bestehen. Gleichzeitig erfordert eine Rezession oder konjunkturelle Schwächephasen eine flexiblere Anpassung der Bildungsangebote an die sich verändernden Branchenbedürfnisse. Selbiges gilt für Transformationen in den regionalen Wirtschaftsstrukturen. Dies betrifft nicht nur die Anzahl, sondern auch die Art der Ausbildungsplätze und die Qualifikationen, die vermittelt werden müssen. Es gilt, die berufliche Bildung mithin so zu gestalten, dass sie dynamisch auf konjunkturelle Schwankungen und strukturelle Entwicklungen der Wirtschaft reagieren kann und gleichzeitig die Fachkräftesicherung langfristig gewährleistet wird.
  • Demografische Entwicklung: Die demografische Entwicklung stellt eine der größten Herausforderungen für die berufliche Bildung in Sachsen dar. Die spätestens ab Mitte der 2030er Jahre wieder drastisch sinkende Zahl an Jugendlichen, die in den Arbeitsmarkt eintreten, und die zunehmende Alterung der Bevölkerung machen es notwendig, neue Wege in der Nachwuchsgewinnung zu gehen. Dies betrifft insbesondere die Anwerbung von Auszubildenden, die sich künftig hauptsächlich auf ein breites Angebot an schulischen und außerschulischen Praktika in Ausbildungsbetrieben sowie sonstige praktische Berufsorientierungsangebote stützen sollte. Schule und Wirtschaft müssen hierbei noch enger als bisher kooperieren. Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass die Ausbildungsangebote auch in ländlichen Regionen attraktiv bleiben, um Fachkräfteverluste in der Fläche und mithin regionale Ungleichgewichte zu vermeiden. Neben den o. g. Unterbringungsangeboten sind auch kürzere Fahrtwege und Taktungen im ÖPNV hierfür bedeutsam.
Wir appellieren daher an die sächsische Landesregierung, nicht nur die Teilschulnetzplanung zu evaluieren und weiterzuentwickeln, sondern auch eine umfassende Strategie zur Sicherstellung einer zukunftsfähigen beruflichen Bildung insgesamt zu erarbeiten.

Die Industrie- und Handelskammern stehen Ihnen gerne als Partner zur Seite, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln und die berufliche Bildung in Sachsen nachhaltig zu stärken.
Im Namen der Landesarbeitsgemeinschaft
der sächsischen Industrie- und Handelskammern

Christoph Neuberg
Hauptgeschäftsführer der IHK Chemnitz