Genossenschaftsgesetz
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Sächsisches Staatsministerium der Justiz
Frau Ministerialrätin Hansastraße 4 01097 Dresden |
23.07.2025
Stellungnahme zum Referentenentwurf des Genossenschaftsgesetzes (RefE_GenG)
Sehr geehrte Frau Ministerialrätin,
die Sächsischen Industrie- und Handelskammern bedanken sich für die Möglichkeit, zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform eine abgestimmte Stellungnahme abgeben zu können:
Im Rahmen des Referentenentwurfes (RefE_GenG) werden insgesamt drei große Ziele verfolgt. Neben der Förderung der Digitalisierung des Genossenschaftsrechts soll auch die Attraktivität dieser Gesellschaftsform gesteigert werden. Zudem sollen weitere Maßnahmen gegen unseriöse Genossenschaften ergriffen werden. Der Entwurf von 2025 baut auf dem Entwurf von 2024 auf und konkretisiert bzw. erweitert zahlreiche Regelungen.
Insbesondere die geplante Abschaffung fast aller Schriftformerfordernisse zugunsten der Textform führt zu erheblichen Fortschritten im Rahmen der Digitalisierung. Zukünftig soll die Textform die Regel darstellen, sodass die Schriftform nur noch in bestimmten Ausnahmefällen eine Rolle spielt – etwa beim Ausschluss eines Mitgliedes gemäß § 68 Abs. 2 Satz 1 GenG per Einschreiben sowie beim schriftlichen Prüfungsbericht des Prüfungsverbandes gemäß § 58 GenG. Dies wird durch die Einführung technikneutraler Sprache (z. B. „Kopie“ statt „Abschrift“ oder „Protokoll“ statt „Niederschrift“) unterstützt und ist insoweit konsequent. Um die Rechtsautonomie der Genossenschaft zu wahren, kann abweichend von der gesetzlichen Normierung der Textform weiterhin die Schriftform als Formerfordernis in den Satzungen geregelt werden.
Die neuen Regelungen zu digitalen Versammlungsformen, Sitzungen und Beschlussfassungen (einschließlich hybrider und virtueller Formate sowie gestreckter Verfahren) tragen zur Klarstellung der bereits bestehenden Möglichkeiten bei. Der Entwurf 2025 ergänzt dies um Übergangsregelungen, die es Genossenschaften ermöglichen, auch ohne Satzungsänderung hybride Versammlungen einheitlich mit elektronischer Abstimmung durchzuführen. Zudem wird klargestellt, dass Vertreterversammlungen künftig für alle Mitglieder per Bild- und Tonübertragung zugänglich gemacht werden können. Mitglieder können auf Antrag auch als Gäste ohne Stimmrecht teilnehmen – ein Schritt zur Stärkung der Transparenz und Teilhabe, wobei andererseits auch die organisatorischen Grenzen, insbesondere vorhandene Kapazitätsgrenzen Berücksichtigung finden. Dies ist besonders für Genossenschaften mit sehr großer Mitgliederzahl von Bedeutung.
Ergänzend zu den bereits mit dem Vierten Bürokratieentlastungsgesetz eingeführten Formerleichterungen zum Beitritt von Mitgliedern und der Beteiligung mit weiteren Anteilen (Text- statt Schriftform) wird nunmehr im Entwurf 2025 folgerichtig klargestellt, dass die Mitteilung über die Eintragung eines neuen Mitglieds in die Mitgliederliste sowie die Ablehnung der Zulassung als Mitglied (vorbehaltlich einer abweichenden Satzungsregelung) ebenfalls in Textform erfolgen kann. Die Zulassung selbst soll weiterhin formfrei möglich sein.
Der Entwurf 2025 ergänzt diese Regelungen um weitere Klarstellungen zur investierenden Mitgliedschaft. So wird geregelt, dass investierende Mitglieder, die eine Wohnung der Genossenschaft nutzen, automatisch als vollwertige Mitglieder gelten. Zudem wird der Wechsel zwischen Mitgliedschaftsformen (z. B. bei Exmatrikulation oder Ruhestand) erleichtert und kann durch Satzung automatisiert werden.
Im Übrigen wurde eine großzügige Übergangsregelung geschaffen, wonach Bestandsgenossenschaften die neuen Regeln zur elektronischen Vertreterwahl und zur einheitlichen elektronischen Abstimmung in hybriden Versammlungen auch dann anwenden können, wenn ihre Satzung entsprechend des bisherigen Gesetzeswortlauts noch eine andere Art der Wahl bzw. Abstimmung vorsieht. Dies gilt für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes. Langfristig müssen die Satzungen allerdings angepasst werden. Durch den langen Übergangszeitraum soll den Bestandsgenossenschaften genügend Zeit für die Anpassung der Satzungen eingeräumt werden. Zudem sollen Genossenschaftsregister und Notare vor einer Änderungsflut bewahrt werden.
Zur Steigerung der Attraktivität der Genossenschaft als Rechtsform sind Regelungen zur Beschleunigung der Gründung und Eintragung vorgesehen. Die geplante Frist für Eintragungen im Genossenschaftsregister von 20 Werktagen nach Eingang der Anmeldung bzw. Behebung etwaiger Eintragungshindernisse ist geeignet, den Gründungsprozess schneller und effektiver zu durchlaufen, was im Rahmen der Gründung zu mehr Planungs- und Rechtssicherheit führt. Durch die beabsichtigte notarielle Vorprüfung, den Wegfall der Erteilung einer Registerbescheinigung sowie die Zusammenlegung von Genossenschaftsregistern auf einzelne Registergerichte innerhalb der Länder kann eine spürbare Entlastung der Registergerichte erreicht werden.
Ob die Standardisierung der Gründungsgutachten die Attraktivität steigert, bleibt abzuwarten. Insbesondere im Hinblick auf den Bürokratieaufwand kommt es auf die konkrete Umsetzung an. Ein Formular zum Ankreuzen wird dem jedenfalls nicht gerecht. Die Standardisierung sollte in jedem Fall möglichst einfach und praxisnah erfolgen. Der Entwurf 2025 sieht hierzu eine Verordnungsermächtigung vor, die eine einheitliche Struktur der Gutachten ermöglichen soll.
Inwieweit eine ausdrückliche Stellungnahme des Prüfungsverbandes im Gründungsgutachten zur Zulässigkeit des Förderzweckes der Genossenschaft zur Beschleunigung der Förderzweckprüfung beiträgt, lässt sich kaum beurteilen. Die Zulässigkeit des Förderzweckes muss auch ohne Stellungnahme geprüft werden. Der Entwurf 2025 ergänzt hierzu, dass die bloße gemeinschaftliche Vermögensanlage kein zulässiger Förderzweck ist und Vorratsgründungen unzulässig sind.
Im Hinblick auf die Förderung von Engagement innerhalb der Gesellschaft sind die geplanten Möglichkeiten zum Ruhen der Vorstandstätigkeit (§ 24 GenG-E) in besonderen Lebenssituationen (Mutterschutz, Elternzeit, Pflege eines Angehörigen oder Krankheit) positiv hervorzuheben. Diese Regelung kann insbesondere die Beteiligung von Frauen und pflegenden Angehörigen in Vorstandsämtern fördern.
Die Maßnahmen gegen unseriöse Genossenschaften (Kapitalanlagegenossenschaften) wie die Ausweitung der Rechte und Pflichten der Prüfungsverbände, die Stärkung der Staatsaufsicht über genossenschaftliche Prüfungsverbände sowie erweiterte Handlungsspielräume bei Förderzweckverfehlungen sind grundsätzlich nachvollziehbar, jedoch kritisch zu betrachten. Insbesondere da laut Begründung im Referentenentwurf nur wenige Fälle bekannt sind, ist fraglich, ob hinsichtlich weniger Einzelfälle umfassende Regelungen getroffen werden sollten. Hier sollte Aufwand und Nutzen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.
Der Entwurf 2025 geht hier weiter: Prüfungsverbände müssen künftig ihre Satzungen veröffentlichen, regelmäßig Berichte an die Aufsichtsbehörden übermitteln und bei Verdacht auf Förderzweckverfehlung oder unerlaubte Investmentgeschäfte die BaFin informieren. Zudem wird die Zuverlässigkeit der Vorstände von Prüfungsverbänden gesetzlich überprüft.
Kritisch sehen wir u.a. die Möglichkeit der Prüfungsverbände statt oder neben der Einberufung einer außerordentlichen General-/Vertreterversammlung im Fall der Feststellung von Mängeln die Mitglieder der Genossenschaft unmittelbar zu informieren (§ 60 Abs. 3 GenG-E). Die Veröffentlichung von „ungefilterten“ Mängelfeststellungen sind u.U. geeignet, eine Genossenschaft in Misskredit zu bringen und unkalkulierbare Reputationsverluste und infolgedessen Liquiditätsprobleme herbeizuführen, z.B. auch durch Weiterverbreitung in Social-Media-Kanälen. Insbesondere im Bankensektor ist dies ein unkalkulierbares Risiko, welches eigentlich durch das Konstrukt der Sicherungseinrichtungen vermieden werden soll. Zum Beispiel könnten Anleger dazu animiert werden, ihre Einlagen kurzfristig und in größerem Umfang abzuziehen. Selbst die BaFin kommuniziert Feststellungen in der Öffentlichkeit nur in allgemeiner Art, ohne auf Details zu den Mängeln einzugehen.
Fazit
Im Großen und Ganzen sind die geplanten Änderungen im RefE_GenG – insbesondere in der überarbeiteten Fassung von 2025 – zu begrüßen. Durch die enthaltenen Regelungen kann eine umfassende Modernisierung des Genossenschaftsrechts erzielt und der Weg zur weiteren Digitalisierung bereitet werden. Wichtig ist jedoch, dass die Umsetzung praxisnah erfolgt und insbesondere kleinere Genossenschaften nicht durch übermäßige Bürokratie belastet werden.
Im Namen der Landesarbeitsgemeinschaft
der sächsischen Industrie- und Handelskammern
der sächsischen Industrie- und Handelskammern
Christoph Neuberg
Hauptgeschäftsführer