Erhöhung Mindestlohn

Mindestlohnkommission
Vorsitzende
Wilhelmstraße 49
10117 Berlin
18.06.2025
Position der sächsischen IHKs zur geplanten Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro ab 2026

Sehr geehrte Vorsitzende,
mit großer Besorgnis betrachten wir die diskutierte Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro zum Jahresbeginn 2026. Die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind nicht geeignet, eine derartige Steigerung ohne erhebliche negative Folgen zu verkraften. Die Wirtschaft befindet sich seit mindestens drei Jahren in einer akuten konjunkturellen und strukturellen Krise. Unternehmen kämpfen mit deutlich zu hohen Energiekosten und einem zurückhaltenden Konsum. Eine Mindestlohnerhöhung um 17 Prozent stellt in diesem Umfeld eine massive Zusatzbelastung dar – insbesondere für ostdeutsche Betriebe, in denen das durchschnittliche Lohnniveau traditionell unter dem der westdeutschen Bundesländer liegt.
Mindestlohnerhöhungen haben Auswirkungen auf die gesamte Lohnstruktur der Betriebe und verringern den Lohnabstand zwischen ungelernter und qualifizierter Arbeit. Unternehmen mit einem breiten Spektrum an Mitarbeiterqualifikationen werden gezwungen, auch die Löhne über dem Mindestlohn anzuheben, was zusätzliche Kosten verursacht. In Verbindung mit den ohnehin hohen Lohnnebenkosten führt dies dazu, dass arbeitsintensive Tätigkeiten immer weniger wettbewerbsfähig sind. Die betriebliche Kostenbelastung steigt – und mit ihr langfristig auch die volkswirtschaftlichen Folgekosten.
Wir fordern daher eine konsequente Entpolitisierung des Verfahrens zur Festsetzung des gesetzlichen Mindestlohns. Politische Eingriffe – wie z. B. die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde im Oktober 2022 ohne Empfehlung der Mindestlohnkommission – haben das Vertrauen in das unabhängige Verfahren nachhaltig erschüttert. Die Mindestlohnkommission muss als zentrales, sachverständiges und unabhängiges Gremium wieder uneingeschränkt handeln dürfen. Nur so kann die Akzeptanz und Stabilität des Mindestlohnsystems gewährleistet werden. Die Orientierung am rechtlich umstrittenen EU-Referenzwert von 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten lehnen die sächsischen IHKs ab. Die Aufgabe der Mindestlohnkommission bestand darin, die Höhe des Mindestlohns im Rahmen einer Gesamtabwägung zu bestimmen – unter Berücksichtigung der Tariflohnentwicklung, der Beschäftigungswirkungen und der Wettbewerbsbedingungen. Diese Aufgabe darf sie nicht aus dem Blick verlieren und sich nicht einseitig auf den 60-Prozent-Referenzwert verengen – wirtschaftliche Tragfähigkeit und tarifliche Entwicklungen müssen weiterhin gleichwertig berücksichtigt werden.
Zusammenfassend fordern wir:
  • Konsequente Entpolitisierung des Mindestlohnverfahrens / Primat der Mindestlohnkommission:
Keine politischen Eingriffe mehr in die Festsetzung des Mindestlohns. Die Mindestlohnkommission soll als unabhängiges Gremium agieren und ihre Empfehlungen ausschließlich auf Basis fachlicher Expertise und unter Einbeziehung der Sozialpartner treffen. Sie muss wieder vollständig für die Festsetzung des Mindestlohns zuständig sein Es darf keine Verengung auf einzelne Referenzwerte erfolgen.
  • Berücksichtigung der wirtschaftlichen und regionalen Realitäten:
Die Mindestlohnkommission muss die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die besonderen Herausforderungen ostdeutscher Unternehmen bei ihren Empfehlungen berücksichtigen.
  • Schutz des Lohnabstandsgebots und der Wettbewerbsfähigkeit:
Die Mindestlohnanpassungen dürfen die Lohnstrukturen nicht gefährden und müssen bestehende Branchenmindestlöhne berücksichtigen. Die Wettbewerbsfähigkeit arbeitsintensiver Branchen ist zu schützen. Diese Faktoren sind dringend bei der Gesamtabwägung der Mindestlohnkommission zu berücksichtigen.
Der deutsche Mindestlohn ist im europäischen Vergleich bereits hoch, insbesondere wenn man die (kaufkraftbereinigten) Einkommens- und Produktivitätsunterschiede zu anderen Ländern berücksichtigt. Eine weitere Erhöhung des Mindestlohns würde den Wettbewerbsnachteil verschärfen, da Unternehmen die Preise kaum weiter erhöhen können und so Arbeitsplätze gefährdet wären. Wohlstand entsteht nicht durch staatliche Lohnvorgaben, sondern durch Investitionen, Innovationen, weniger Bürokratie und Abgaben, günstige Energiekosten sowie bessere Qualifizierung. Dort müssen die politischen Schwerpunkte gesetzt werden.
Im Namen der Landesarbeitsgemeinschaft
der Sächsischen Industrie- und Handelskammern

Christoph Neuberg
Hauptgeschäftsführer der IHK Chemnitz