Änderung UWG




Sächsisches Staatsministerium der Justiz
Hansastraße 4
01097 Dresden
21.07.2025
Anhörung zu 7034/2/8-III3 Änderung UWG

Sehr geehrte Damen und Herren,
in o.g. Angelegenheit bedanken wir uns im Namen der Landesarbeitsgemeinschaft der sächsischen Industrie- und Handelskammern für die Möglichkeit der Stellungnahme.
Ihre Einschätzung, dass es sich bei dem Referentenentwurf um eine 1:1 Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/825 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Februar 2024 handelt, teilen wir grundsätzlich. Die nun umzusetzenden Bestimmungen gewähren dem nationalen Gesetzgeber auch keinen Umsetzungsspielraum. Es kommt deshalb darauf an, dass die geplanten nationalen Regelungen die europäischen Vorgaben wiedergeben. Anders verhält es sich bei Art. 16e RL 2011/83 aufgrund dessen Absatzes 2.
Nach Anhörung unserer Gremien und einer besonders hervorzuhebenden Zuarbeit des Mitgliedes des Fachausschusses Recht und Steuern der IHK Dresden möchten wir dennoch folgende Punkte anmerken:

I. Die Umsetzung der Definitionen
a. Spezialbegriffe
Die RL 2024/825 umfasst umwelt- und nachhaltigkeitsbezogene Regelungen. Dazu verwendet sie Spezialbegriffe, die nur für diese Regelungen von Bedeutung sind. Es fällt auf, dass manche Begriffe nur in einer einzigen Vorschrift auftauchen. Die Begriffe „allgemeine Umweltaussage“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 RefE) und „anerkannte hervorragende Umweltleistung“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 RefE) werden nur in der neuen Nr. 4a Anhang zu § 3 Abs. 3 RefE verwendet. Vom „Nachhaltigkeitssiegel“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 RefE) und „Zertifizierungssystem“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 RefE) ist nur in der neuen Nr. 2a Anhang zu § 3 Abs. 3 RefE die Rede. Den Begriff der „Online-Schnittstelle“ (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 RefE) benutzt nur die neue Nr. 33 Anhang zu § 3 Abs. 3 RefE. In diesen Fällen bietet es sich an, die Definitionen als zusätzliche Sätze in diejenigen Vorschriften aufzunehmen, in denen sie verwendet werden.
Dadurch sind die Definitionen in dem rechtlichen Zusammenhang auffindbar, in dem sie ausschließlich eine Bedeutung haben.
b. Verbraucher
Die Definition des Begriffs „Verbraucher“ („Verbraucher im Sinne des § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs“) in § 2 Abs. 3 Nr. 5 RefE zu verankern, weil sie sich auf eine Definition des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezieht, ist nicht angemessen. Der Begriff hat in der RL 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken zentrale Bedeutung. Seit ihrem Erlass im Jahre 2005 enthält die Richtlinie in Art. 2 Buchst. a) eine eigenständige Definition. Sofern auf nationaler Ebene eine Begriffsdefinition nicht in § 2 Abs. 1 UWG aufgenommen wird, sollte für sie ein eigener Absatz vorgesehen werden.
c. Produkt
§ 2 Abs. 3 Nr. 6 RefE sieht eine Definition des Begriffs „Waren“ vor. Unionsrechtlich hat Art. 1 Nr. 1 Buchst. a) RL 2024/825 diese Definition in die RL 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken eingefügt. Dies ist als Art. 2 Buchst. ca) RL 2005/29 geschehen und damit im Anschluss an Buchstabe c), der eine Definition des Begriffs „Produkt“ enthält. In der ursprünglichen Fassung wurde der Begriff „Produkt“ definiert als „jede Ware oder Dienstleistung, einschließlich Immobilien, Rechte und Verpflichtungen.“ Art. 3 Nr. 1 Buchst. a) RL 2019/2161 (sog. „Omnibus-Richtlinie“) präzisierte den Begriff. Produkt ist seitdem „jede Ware oder Dienstleistung, einschließlich Immobilien, digitaler Dienstleistungen und digitaler Inhalte, sowie Rechte und Verpflichtungen.“ Der nationale Gesetzgeber hat diese Begriffsdefinition bislang nicht umgesetzt. In der UWG-Reform des Jahres 2008 zur Umsetzung der RL 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken sah der Gesetzgeber von einer Umsetzung bewusst ab. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu: „Der Begriff ´Produkt´ ist damit identisch mit dem Begriff ´Ware oder Dienstleistung´, der in dem geltenden UWG eingeführt ist (vgl. § 4 Nr. 6, 8 und 9; § 6 Abs. 1 und 2; § 7 Abs. 3 Nr. 1 und 2; § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG). Auch das Markengesetz verwendet den Begriff ´Ware oder Dienstleistung´.
Demgegenüber ist der Oberbegriff ´Produkt´ dem deutschen Wettbewerbsrecht fremd. Im Interesse einer einheitlichen Terminologie und weil der Begriff ´Produkt´ nicht zur weiteren Präzisierung beiträgt, soll dieser nicht in das UWG übernommen werden.“ Bei weiteren Änderungen des UWG griff der Gesetzgeber diesen Punkt nicht wieder auf. Die Tatbestände des geltenden UWG verwenden statt des Begriffs „Produkt“ die Umschreibung „Waren und Dienstleistungen“. Dies sollte im RefE konsequent beachtet werden.
Durch die Verweisung in Art. 2 Buchst. ca) RL 2005/29 auf die Definition des Art. 2 Nr. 5 RL 2019/771 bzw. in § 2 Abs. 3 Nr. 6 RefE auf § 241a Abs. 1 BGB und § 327a Abs. 3 Satz 1 BGB umfasst der Warenbegriff nur bewegliche Sachen. Den Umstand, dass die Definition des Produkts in Art. 2 Buchst. c) RL 2005/29 neben Waren und Dienstleistungen, digitalen Dienstleistungen und digitalen Inhalten auch Immobilien, Rechte und Verpflichtungen einbezieht, berücksichtigt § 2 Abs. 3 Nr. 6 RefE nicht. Hinzu kommt, dass in manchen geplanten Vorschriften des RefE nunmehr auch der Begriff „Produkt“ auftaucht (§ 2 Abs. 2 Nr. 4, Nr. 5 und Nr. 6, § 5b Abs. 3a sowie in den Nummern 4b, 4c und 10a des Anhangs zu § 3 Abs. 3 RefE). Es ist daher angebracht, den gegenwärtigen § 2 Abs. 1 UWG um die Definition des Begriffs „Produkt“ nach Art. 2 Buchst. c) RL 2005/29 in der Fassung des Art. 3 Nr. 1 Buchst. a) RL 2019/2161 zu erweitern und in § 2 Abs. 1 UWG auch die Definition des Begriffs „Waren“ nach Art. 2 Buchst. ca) RL 2005/29 aufzunehmen.
d. Verweisungen
§ 2 Abs. 3 RefE soll diejenigen Definitionen enthalten, die sich teilweise oder vollständig auf Definitionen im BGB oder in Unionsrechtsakten beziehen (Begr. RefE S. 29). Deshalb befinden sich auch die Definitionen der Begriffe Verbraucher und Waren in dieser Vorschrift. Der RefE verfolgt dabei zwei unterschiedliche methodische Wege.
Eine Variante benennt in den Definitionen die gesetzlichen Vorschriften, auf die sie Bezug nehmen. § 2 Abs. 3 Nr. 3 RefE zum Begriff der „Online-Schnittstelle“ erwähnt eine unionsrechtliche Vorschrift: „Im Sinne dieses Gesetzes ist eine ´Online-Schnittstelle´ eine solche im Sinne von Artikel 3 Buchstabe m der Verordnung (EU) 2022/2065.“ Die Verbraucherdefinition in § 2 Abs. 3 Nr. 5 RefE bezieht sich auf das BGB: „Im Sinne dieses Gesetzes sind ´Verbraucher´ Verbraucher im Sinne des § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.“ Diese Methode ist nicht anwenderfreundlich. Sie zwingt den Rechtsuchenden, andere nationale oder europäische Gesetze, Verordnungen oder Richtlinien heranzuziehen, um Inhalt, Umfang und Bedeutung eines Begriffs zu klären.
Die zweite Variante besteht darin, die Definitionen ohne Verweisung auf andere Bestimmungen auszuformulieren, auch wenn die unionsrechtliche Vorgabe eine Verweisung enthält. Auch diese Methode wendet der RefE an. Die Definition des Begriffs „Funktionalität“ in § 2 Abs. 3 Nr. 1 RefE lautet: „Im Sinne dieses Gesetzes ist ´Funktionalität´ die Fähigkeit der Waren, ihre Funktionen ihrem Zweck entsprechend zu erfüllen.“ In der Richtlinienbestimmung Art. 2 Buchst. w) RL 2005/29 heißt es: „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck ´Funktionalität´ die Funktionalität im Sinne des Artikels 2 Nummer 9 der Richtlinie (EU) 2019/771.“ In gleicher Weise verfährt der RefE mit dem Begriff „Haltbarkeit“ in § 2 Abs. 3 Nr. 2 RefE zur Umsetzung des Art. 2 Buchst. t) RL 2005/29. Die Ausformulierung der beiden Definitionen geht auf die Stellungnahme der Deutschen Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e. V. (GRUR) zum Diskussionsentwurf zurück (Begr. RefE S: 12). Dieser verwies noch auf die jeweiligen BGB-Vorschriften.
Die nationalen Definitionsvorschriften ohne Verweisungen auszuformulieren, sollte der Standard sein.
II. Nr. 33 des Anhanges zu § 3 RefE
Nr. 33 Anhang zu § 3 Abs. 3 RefE setzt Art.16e RL 2011/83 über die Rechte der Verbraucher um, den Art. 1 Nr. 4 RL 2023/2673 eingefügt hat. Die vorgesehene Regelung muss sowohl was den Standort im UWG als auch den geplanten Inhalt anbelangt als missglückt angesehen werden.
Die RL 2005/29 gilt nach ihrem Art. 3 Abs. 1 zwar auch für unlautere Geschäftspraktiken während des Vertragsabschlusses, die Art. 16a bis 16e RL 2011/83 sollten wegen ihres inhaltlichen Zusammenhangs jedoch nicht auf verschiedene Gesetze verteilt werden. Zudem wird Art. 16e RL 2011/83 mit den Worten „Unbeschadet der Richtlinie 2005/29/EG“ eingeleitet. Der Unionsgesetzgeber sieht die Regelung ebenfalls außerhalb der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Art. 16e RL 2011/83 sollte daher nicht im UWG umgesetzt werden.
Im Namen der Landesarbeitsgemeinschaft
der sächsischen Industrie- und Handelskammern

Christoph Neuberg
Hauptgeschäftsführer