"SPAteN"
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Sächsisches Staatsministerium für
Infrastruktur und Landesentwicklung
Frau Staatsministerin
Regina Kraushaar
Archivstraße 1
01097 Dresden
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16.06.2025
Zuarbeit zum Bürokratieabbau-Projekt „SPAteN“
Sehr geehrte Frau Staatsministerin,
als Interessenvertreter der gewerblichen Wirtschaft möchten wir uns herzlich für die Möglichkeit bedanken, im Rahmen Ihres Projekts zum Bürokratieabbau aktiv zuzuarbeiten. Die Einbindung der Wirtschaft in diesen Prozess ist ein wichtiges Signal und unterstreicht den partizipativen Ansatz Ihres Hauses.
Besonders begrüßen wir Ihren Vorschlag, einen halbjährlichen Austauschtermin zu etablieren. Ein regelmäßiger, offener Dialog ist aus unserer Sicht ein entscheidender Erfolgsfaktor, um gemeinsam praxisnahe und wirkungsvolle Lösungen zu entwickeln. Wir würden uns freuen, diesen Austausch aktiv mitzugestalten und stehen für eine enge und konstruktive Zusammenarbeit jederzeit gerne zur Verfügung.
In den letzten Wochen sind wir in den Austausch mit unseren Mitgliedsunternehmen getreten und haben Ansatzpunkte für das Bürokratieabbau-Projekt „SPAteN“ identifiziert. im Interesse einer praxisgerechten und wirtschaftlichen Bauausführung möchten wir höflich anregen, bei der Anwendung technischer Normen im Bauwesen eine klare Differenzierung vorzunehmen:
Schutzrelevante Normen, die der Sicherheit, dem Gesundheitsschutz und der öffentlichen Ordnung dienen, sollten selbstverständlich weiterhin zwingend einzuhalten sein. Komfortrelevante Normen hingegen, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehen und nicht durch öffentlich-rechtliche Vorschriften sollten aus unserer Sicht künftig stärker der Entscheidung des Bauherrn überlassen werden.
Wir sind überzeugt, dass eine solche Differenzierung zu mehr Flexibilität und Wirtschaftlichkeit im Bauwesen beitragen kann, ohne die berechtigten Interessen des Schutzes und der Sicherheit zu beeinträchtigen. Konkrete Beispiele sind:
- DIN 18040-2: Barrierefreies Bauen – Wohnungen
Diese Norm ist nur dann verbindlich anzuwenden, wenn es sich um öffentlich geförderte Bauvorhaben handelt oder eine bestimmte Nutzung vorliegt, wodurch eine verpflichtende Umsetzung im privaten Wohnungsbau nicht generell erforderlich ist. - Schallschutz: DIN 4109 als Mindeststandard, VDI 4100 als Komfortstandard
Während DIN 4109 den gesetzlichen Mindeststandard für den Schallschutz definiert, stellt die VDI 4100 einen erhöhten Komfortstandard dar. Es sollte dem Bauherrn ermöglicht werden, eigenständig zu entscheiden, welches Schutzniveau für sein Bauvorhaben angemessen ist. Die Unterschiede zwischen Mindeststandard, erhöhtem Schallschutz und „gerichtsfestem“ Bauen führen zu großer Verunsicherung. - DIN 4108-4: Wärmeschutz
Die Norm legt konservative Anforderungen an den baulichen Wärmeschutz fest. Alternativ besteht die Möglichkeit, einen individuellen Nachweis für Wärmebrücken zu erbringen, wodurch flexiblere und oft wirtschaftlichere Lösungen ermöglicht werden. - DIN 276: Kosten im Bauwesen
Diese Norm regelt die Kostengliederung im Bauwesen sehr detailliert, was durch die umfangreiche und teilweise redundante Systematik die Planung und Abrechnung erschweren kann. Eine Vereinfachung oder Modularisierung der Kostengliederung, insbesondere für kleinere Bauprojekte, sollte angestrebt werden. - DIN 18599: Energetische Bewertung von Gebäuden
Die Norm beinhaltet komplexe Regelungen zur Berechnung des Energiebedarfs von Gebäuden im Rahmen des Gebäudeenergiegesetzes. Für kleinere Bauvorhaben oder bestimmte Gebäudetypen könnten vereinfachte Nachweisverfahren und Ausnahmeregelungen eingeführt werden. - DIN 18040: Barrierefreies Bauen
In vielen Bundesländern ist die Einhaltung dieser Norm auch für kleinere Bauvorhaben verpflichtend, was die Planungskosten erhöht. Flexiblere Ausnahmeregelungen, insbesondere bei kleinen Gebäuden oder Umbauten, würden den privaten Wohnungsbau erleichtern. - DIN 18195 ff.: Abdichtung von Bauwerken
Die Normenreihe zur Abdichtung von Bauwerken ist äußerst detailliert und in ihrer Anwendung oft schwer auszulegen. Bereits geringfügige Abweichungen von den Vorgaben können im späteren Verlauf erhebliche Haftungsrisiken für Planer und Ausführende nach sich ziehen. - DIN EN 1990 ff.: Eurocodes und nationale Anhänge
Die Eurocodes und ihre nationalen Anhänge sind sehr technikorientierte und umfangreiche Normen mit hohem Dokumentationsaufwand. Eine Reduktion des Pflichtumfangs der Nachweise bei einfachen Bauwerken sowie die Einführung vereinfachter Standardlösungen für Wohnbauten bieten erhebliches Reformpotenzial. - Technische Baubestimmungen
Die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen verweist auf zahlreiche Normen, die im Baualltag häufig nicht relevant sind. Eine Konzentration auf sicherheitsrelevante Vorschriften und die Überprüfung der Notwendigkeit einzelner Nachweisanforderungen sind empfehlenswert. - Brandschutzvorschriften
Besonders bei Sonderbauten bestehen komplexe und teilweise überregulierte Anforderungen im Brandschutz. Die Einführung standardisierter Lösungen (z. B. Typengenehmigungen) sowie klare Regelungen für wirtschaftliche Nachweise ohne verpflichtende Gutachten könnten zu erheblichen Vereinfachungen führen.
Eine Abschaffung oder Deregulierung sollte nicht pauschal, sondern zielgerichtet und risikobasiert erfolgen. Besonders bei einfachen Wohngebäuden, seriellen und modularen Bauweisen sowie Bestandssanierungen könnten vereinfachte Normen oder Standardlösungen erhebliche Entlastung bringen. Wichtig ist dabei, Sicherheit und Nachhaltigkeit nicht zu gefährden, sondern pragmatisch neu zu gewichten.
Aus unserer Sicht ist es jedoch nicht ausreichend, lediglich einzelne Normen abzuschaffen oder zu entschärfen. Vielmehr bedarf es eines grundlegenden Umdenkens in der öffentlichen Verwaltung hin zu mehr Serviceorientierung und zur konsequenten Nutzung bestehender Ermessensspielräume.
In diesem Zusammenhang möchten wir besonders die Bedeutung einer effektiven interbehördlichen Kommunikation hervorheben. Wenn Behörden untereinander Informationen austauschen und Prozesse aufeinander abstimmen, entfällt für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen die Notwendigkeit, identische Nachweise mehrfach einzureichen oder bereits erbrachte Angaben wiederholt vorzulegen. Ziel muss ein automatisierter Informationsaustausch mit definierten Schnittstellen zwischen den Systemen sein. Dies reduziert bürokratische Hürden erheblich, vereinfacht die Antragstellung und steigert die Servicequalität der Verwaltung spürbar. Die Entlastung der Antragsteller trägt maßgeblich dazu bei, das Vertrauen in die Verwaltung zu stärken und die Akzeptanz staatlicher Prozesse zu erhöhen.
Darüber hinaus ist eine funktionierende interbehördliche Kommunikation insbesondere bei komplexen oder ressortübergreifenden Projekten unverzichtbar. Sie ermöglicht schnelle Reaktionen auf neue Anforderungen und fördert kreative, pragmatische Problemlösungen. Durch den regelmäßigen Austausch zwischen den Behörden kann das oftmals noch vorhandene Silodenken überwunden und die Verwaltung insgesamt agiler und handlungsfähiger gestaltet werden.
Wir sind überzeugt, dass ein solcher Kulturwandel einen nachhaltigen Beitrag zur Entlastung der Wirtschaft leisten kann, und stehen Ihnen für einen weiteren Austausch gerne zur Verfügung.
Im Namen der Landesarbeitsgemeinschaft
der sächsischen Industrie- und Handelskammern
der sächsischen Industrie- und Handelskammern
Christoph Neuberg
Hauptgeschäftsführer