PM 29 | 28.04.2025
IHK plädiert für Alternativen zur Verpackungssteuer
Die IHK Regionalversammlung Chemnitz hat am 7.4.2025 ein Positionspapier zum Thema „Kommunale Verpackungssteuer“ verabschiedet. Im Vorfeld hatte sich bereits der Ausschuss für Handel und Stadtentwicklung der IHK Regionalkammer Chemnitz damit beschäftigt und der Regionalversammlung mehrheitlich die Beschlussfassung empfohlen.
Hintergrund
Seit 2022 erhebt die Stadt Tübingen eine kommunale Verpackungssteuer auf To-Go-Verpackungen für Lebensmittel und Getränke sowie Einweggeschirr und -besteck. Eine Verfassungsbeschwerde dagegen wurde Ende 2024 letztinstanzlich abgewiesen. Dies war der Startschuss für viele Kommunen, sich mit der Möglichkeit der Erhebung einer solchen Steuer auseinanderzusetzen. Da auch der Stadtrat von Chemnitz das Thema „Kommunale Verpackungssteuer“ auf der Tagesordnung hat, erfolgte eine Positionierung der IHK Regionalversammlung Chemnitz. Die Vollversammlung der IHK Chemnitz wird in der nächsten Tagung ebenfalls zu diesem Thema diskutieren.
Fakten
Das offizielle Ziel für die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer, die Reduzierung von Verpackungsabfall aus To-Go-Verpackungen, ist aus Sicht der Wirtschaft nachvollziehbar. Ob dieses Ziel mit Hilfe der kommunalen Verpackungssteuer erreicht werden kann, ist jedoch ungewiss. So ergab eine Studie der Uni in Tübingen, dass durch die Einführung der Steuer keine Reduzierung des Abfallaufkommens in den öffentlichen Mülleimern im Stadtgebiet von Tübingen festgestellt werden konnte. Die Stadt Freiburg im Breisgau wollte Anfang des Jahres 2025 mit einer kommunalen Verpackungssteuer starten, hat aber nach eingehender Prüfung u. a. aufgrund des hohen bürokratischen Aufwandes davon Abstand genommen und setzt in den nächsten Jahren verstärkt auf Projekte im Mehrwegbereich.
Dass eine kommunale Verpackungssteuer enorme Bürokratie nach sich zieht und teilweise unverständliche Regelungen beinhaltet, zeigen das Beispiel Tübingen:
- Einwegtüten sind nur dann steuerpflichtig, wenn darin warme Speisen verpackt werden. So ist das Schnitzelbrötchen kalt nicht steuerpflichtig, warm dagegen schon.
- Einwegteller,-schalen oder -schüsseln sind nur dann steuerpflichtig, wenn darin warme Speisen oder kalte Speisen mit Besteck und Dressing ausgegeben werden. Die gleichen kalten Spiesen ohne Besteck und Dressing fallen nicht unter die Steuer.
- Einwegbesteck mit einer Länge bis 9,9 cm kostet keine Verpackungssteuer, Besteck mit 10 cm dagegen schon.
- Die Abgabe jedweder ToGo-Verpackungen am Drive Inn sind steuerbefreit (auch wenn man dort mit dem E-Bike vorfährt). Das gleiche Produkt im Objekt erworben (das E-Bike wartet vor der Tür), unterliegt der Steuer.
- Holt man die Pizza im Karton selbst ab und nimmt diese mit nach Hause oder an den Arbeitsplatz, so unterliegt dies der Steuer. Die gleiche Pizza im gleichen Karton wird bei Anlieferung steuerbefreit.
Eine kommunale Verpackungssteuer hat beträchtliche Auswirkungen auf die betroffenen Unternehmen:
- Bürokratieanstieg bei Filialunternehmen durch unterschiedliche Steuersätze in Städten und Gemeinden
- Frage der Durchsetzbarkeit von höheren Endverbraucherpreisen beim Kunden
- Wettbewerbsverzerrungen durch Preisunterschiede zwischen Kommunen mit unterschiedlichen Regelungen
- für Filialbetriebe kaum händelbar (Kassentechnik; Personal mit unterschiedlichen Einsatzorten; Meldewege)
- Mehrfachzahlung für Abfall („normale“ Müllgebühren von Unternehmen und Kunden, Lizenzentgelte für Serviceverpackungen aufgrund des Verpackungsgesetzes, seit 2025 indirekt Zahlungen an den Einwegkunststofffonds)
- Fehlender Platz zur Rücknahme und hygienischen Reinigung von Mehrweg bei Unternehmen mit geringer Verkaufsfläche
Auch für die Steuer erhebende Kommune würde ein enormer personeller und finanzieller Aufwand entstehen:
- Erfassung sämtlicher steuerpflichtigen Unternehmen
- Überprüfung der übermittelten Angaben
- Berechnung und Überprüfung der Steuerbescheide
- regelmäßige Kontrollen zur korrekten Umsetzung der Steuer
- Zahlungseingangsüberprüfung und Forderungsmanagement
Die erhoffte Lenkungswirkung auf das Kundenverhalten ist kaum kalkulierbar. Besonders deutlich wird dies am Beispiel des Einwegpfandes (sog. „Dosenpfand“). Dieses Instrument wurde 2003 eingeführt, um die Bürger zu bewegen, mehr Getränke in Mehrweggebinden zu kaufen. Damals galt eine gesetzliche Mehrwegquote von 72 %, welche 5 Jahre in Folge leicht unterschritten wurde, z B. 1997 mit 71, 35 % und 1998 mit 70,13 %. Nach Einführung im Jahr 2003 war das Ziel, die Quote rasch wieder über 72 % zu verbessern. Die gewünschte Lenkungswirkung blieb jedoch nicht nur aus, sondern schlug in das Gegenteil um. Heute liegt die Mehrwegquote nur noch bei 33,5 %.
Aus Sicht der IHK wäre es zielführender, statt der Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer lieber positive Anreize für den Umstieg auf Mehrwegverpackungen zu setzen und Unternehmen sowie Verbraucher gleichermaßen miteinbeziehen, z. B. durch den Auf- und Ausbau zentraler Rückgabe- und Reinigungsstrukturen, durch Beratungs- und Schulungsangebote zum Umstieg auf umweltfreundliche Verpackungen oder durch Pilotprojekte, um die Wirksamkeit von Mehrweglösungen und die Abfallvermeidung zu testen.
Die Wirtschaft lehnt die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer ab, da die Lenkungswirkung nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann. Stattdessen führt eine solche Steuer zu Bürokratieaufwuchs und Kostensteigerungen für Unternehmen, Kommunen und auch Kunden.