Handelskammer und Unternehmensverbände stellen Studie zur Rekommunalisierung vor

Gemeinsame Pressemitteilung der Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven und der Unternehmensverbände im Lande Bremen e.V.

(PM 21-2025, 13.06.2025) Die Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven und die Unternehmensverbände im Lande Bremen e.V. haben eine Studie zu den Vor- und Nachteilen der Rekommunalisierung bei der Prognos AG in Auftrag gegeben. Ziel der Studie ist es, die Diskussion in Bremen um Rekommunalisierungen auf eine objektive Faktenbasis zu stellen.
Der Senat hatte im Februar seinen Plan vorgestellt, die hanseWasser Bremen GmbH künftig nicht mehr als öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP), sondern als vollständig kommunales Unternehmen führen zu wollen. Aktuell wird zudem auch im Bereich der Abfalllogistik und der Straßenreinigung in der Stadt Bremen eine Rekommunalisierung geprüft. Hintergrund ist in beiden Fällen, dass die bisherigen Verträge 2028 auslaufen und erneuert werden müssen – entweder durch Neuausschreibung einer ÖPP oder durch Schaffung eines kommunalen Eigenbetriebs.
Die Handelskammer und die Unternehmensverbände betrachten die aktuelle Diskussion und die Festlegung auf eine Rekommunalisierung der Abwasserentsorgung mit großer Sorge. Eine Entscheidung über die künftige Organisationsform erfordert die Kenntnis von Vergleichsrechnungen, Sekundäreffekten und Leistungsindikatoren. Eine solche Faktenbasis existierte bislang für die Öffentlichkeit nicht. Diese Lücke wird mit der vorliegenden Studie der Prognos AG geschlossen.
Präses André Grobien sagte bei der Vorstellung der Studie im Haus Schütting: „Der Eindruck, dass der Staat der bessere Unternehmer wäre, trifft unserer Ansicht nach nicht zu. Gerade privatwirtschaftliche Akteure haben einen großen Antrieb, kosteneffizient, innovativ und kundenorientiert zu arbeiten, um am Markt zu bestehen. Diese Vorteile gehen mit einer Rekommunalisierung weitestgehend verloren.“

Die Handelskammer und die Unternehmensverbände haben keine inhaltlichen Vorgaben zur Erstellung der Studie gemacht. Präses André Grobien betonte: „Die Entscheidung über mögliche Organisationsformen darf ausschließlich sachorientiert getroffen werden. Leitend ist für uns, welche Organisationsform für die Unternehmen in Bremen und die Bürgerinnen und Bürger die beste Lösung ist, sowohl mit Blick auf die Leistungsqualität als auch auf die Höhe der Gebühren. Wir haben aber sehr große Zweifel, ob eine Rekommunalisierung hier eine Verbesserung bewirken kann. Die Studie hat uns in unserem Zweifel bestätigt."
Cornelius Neumann-Redlin, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände im Land Bremen, erklärt: „Wer wie der Senat etwas ändern will, was sich bewährt hat, sollte gute Argumente haben und ideologiefrei Fakten zur Kenntnis nehmen. Wir haben diese Studie mit in Auftrag gegeben, weil wir der Meinung sind, dass eine solide und unvoreingenommene Datenbasis unverzichtbar ist, wenn es darum geht, abzuwägen, ob die derzeit gut funktionierende Organisationsform der Abwasser- und Abfalllogistik geändert werden sollte. Nur so können wir das Für und Wider verschiedener Organisationsformen sorgfältig prüfen und sachlich fundierte Diskussionen ermöglichen. Als Unternehmensverbände sind wir der festen Überzeugung, dass ein moderner Staat ein schlanker Staat ist, der sich auf seine Kernaufgaben beschränkt.“
Eine Veränderung der Organisationsform muss sich daran messen lassen, besser, wirtschaftlicher oder nachhaltiger zu sein als der Status Quo. Da an der aktuellen Leistungserbringung keine Kritik geübt wird – bei der Abwasser- wie auch bei der Abfalllogistik – hat sich die Untersuchung der Prog-nos AG vor allem auf die finanziellen Auswirkungen sowie die künftig absehbaren Leistungsmerkmale fokussiert. Dabei wurde deutlich, dass der öffentliche Haushalt in der Vergangenheit erheblich durch Steuereinnahmen von der Konstruktion einer ÖPP profitiert hat – im Gegensatz zu einer vollständigen kommunalen Organisation, die in der Vergangenheit insbesondere durch stetig steigende Gebühren und wirtschaftliche Defizite aufgefallen war. Ein Beispiel für den Verlust an Leistungsqualität sind die Recycling-Höfe, die bereits jetzt kommunal organisiert werden. Seit Übernahme durch die Stadt ist zwar die Zahl der Mitarbeitenden gegenüber dem ursprünglichen Plan um 30 Prozent gestiegen – gleichzeitig aber sind die Öffnungszeiten um 35 Prozent zurückgegangen.
Auch bei den Herausforderungen der Zukunft sieht die Studie erhebliche Vorteile durch die Einbindung eines privaten Partners, etwa durch günstigere Beschaffungspreise, unternehmerisches Wissen, Innovation und Personalplanung im Kontext des zunehmenden Fachkräftemangels.

Dr. Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Bremen sagt: „Mit der Leistungserbringung sowohl bei der Abwasserentsorgung als auch bei der Abfalllogistik ist man in Bremen par-teiübergreifend zufrieden. Wenn jetzt an diesen gut funktionierenden Organisationsformen etwas geändert werden soll, dann muss dies auf einer wohlüberlegten und sachorientierten Datengrundlage erfolgen. Die von uns beauftragte Studie der Prognos AG zeigt, dass vermeintliche Vorteile einer Rekommunalisierung wie etwa die angestrebte Mehrwertsteuerbefreiung bei genauerer Betrachtung mit erheblichen Einnahmeverlusten bei Gewerbesteuern, Körperschaftssteuern und Kapitalertragssteuern auf Gewinne einhergehen. Darüber hinaus ist der Investitionsbedarf in den kommenden Jahren immens und kann von Bremen nicht durch Rücklagen aufgebracht werden. Bremen müsste zusätzliches Geld mit den daraus folgen-den Zinsaufwendungen am Kapitalmarkt aufnehmen. Ein völlig falscher Weg vor dem Hintergrund der extrem angespannten Haushaltslage Bremens.“
Für sinkende Gebühren, so der Hauptgeschäftsführer sei vor diesem Hintergrund überhaupt kein Spielraum. Dr. Matthias Fonger betont: „Unklar ist zudem, wie sich die erheblichen Investitionen mit dem Sanierungshilfengesetz, nach dem Bremen 400 Millionen Euro jährlich erhält, vereinbaren lassen. Wichtig ist, dass Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen weiterhin auf gute Leistungen bei stabilen Gebühren setzen können. Unsere Studie zeigt jedoch klar: Eine Rekommunalisierung garantiert weder niedrigere Gebühren noch bessere Leistungen – im Gegenteil, das Risiko steigender Kosten ist sehr hoch.“

Relevante Ergebnisse der Studie:
Die Argumentation des Senats, durch eine Rekommunalisierung könnte die Mehrwertsteuer gespart werden und Spielraum für Gebührensenkungen zu eröffnen, ist zudem unklar. Zum einen ist weiter-hin nicht geklärt, ob eine Mehrwertsteuerbefreiung tatsächlich rechtens ist und es gibt hierzu auch keinen Präzedenzfall. Zum anderen muss in dieser Rechnung berücksichtigt werden, dass Bremen anteilig Geld aus der Mehrwertsteuer zurückerhält und dass gleichzeitig Gewerbesteuern, Körper-schaftssteuern und Kapitalertragssteuern auf Gewinne wegfallen.
Darüber hinaus ist der Investitionsbedarf in den kommenden Jahren immens und kann von Bremen nicht durch Rücklagen aufgebracht werden. So werden im Bereich der Abfalllogistik etwa 123 Millio-nen Euro zum Kauf einer neuen Fläche, für den Aufbau eines Betriebshofes mit Ladeinfrastruktur, Sanierungen und Modernisierungen sowie Trends wie Digitalisierung, Dekarbonisierung und Kreislaufwirtschaft fällig. Die hierfür notwendigen Mittel müsste Bremen am Kapitalmarkt aufnehmen. Im Ergebnis könnten im Bereich der Abfalllogistik durch die Mehrwertsteuer möglicherweise 2,1 Millio-nen Euro pro Jahr eingespart werden. Andererseits würden nach Berechnungen von Prognos 3,1 Millionen Euro jährlich an Zinsaufwendungen anfallen. Vor diesem Hintergrund kann letztlich kein Spielraum für sinkende Gebühren bestehen. Unklar ist zudem, wie sich die erheblichen Investitionen mit der Schuldenbremse und dem Sanierungshilfengesetz, nach dem Bremen 400 Millionen Euro jährlich erhält, vereinbaren lassen.
  • Die aktuelle Leistungserbringung sowohl bei der Abwasserentsorgung als auch bei der Abfalllogistik wird allgemein als gut bewertet. In beiden Bereichen wurde seit Einstieg eines privaten Partners in die Infrastruktur investiert, sodass diese sich heute in einem deutlich besseren Zustand als vorher befindet. Eine Rekommunalisierung birgt die Gefahr, dass die positive Entwicklung künftig gefährdet wird, wenn Leistungsanreize fehlen. Der gute Zustand der Gesellschaften hängt nach Einschätzung der Prognos-Studie wesentlich mit der Einbindung privatwirtschaftlichen Wissens zusammen. Zudem gehen Skaleneffekte und Synergieeffekte verloren.
  • Die Stadt Bremen muss ihre Zielsetzung offenlegen. Eine Rekommunalisierung wird mit einer bes-seren Leistung, sinkenden Gebühren, steigenden Einnahmen für die Stadt und größeren Einflussmöglichkeiten nach außen vertreten. Diese Punkte stehen in einem Zielkonflikt zueinander. Niedrige Gebühren bedeuten weniger Einnahmen für die öffentliche Hand. Dies bei gleichzeitig zunehmenden Aufgaben, etwa für die Umstellung des Fuhrparks auf fossilfreie Antriebe, die den Gebührenhaushalt belasten. Um eine objektive Entscheidung über die künftige Organisationsform treffen zu können, muss definiert werden, was das Ziel ist. Erst auf dieser Basis ist eine weitere Diskussion möglich.
  • Die aufgebrachten Kritikpunkte an der aktuellen Organisationsform, etwa dass die Stadt nur unzureichend von den Überschüssen profitiert, hängen weniger mit der Organisationsform als vielmehr mit der Vertragsgestaltung zusammen. Die Stadt Bremen hat die Möglichkeit, höhere Einnahmen aus der Abwasserentsorgung oder der Abfalllogistik zu generieren, wenn dies als Leistungsbestandteil in einer Ausschreibung aufgenommen wird. Für keines der öffentlich diskutierten Argumente für eine Rekommunalisierung ist eine Veränderung der Organisationsform notwendig. Den Status Quo zu verändern, sollte daher nur auf Grundlage objektiver Fakten und realistischer Verbesserungen erwogen werden.