Jahresbericht 2024 der Handelskammer: Wirtschaftspolitik muss jetzt Vorrang haben / Keine Anzeichen für einen baldigen Aufschwung
(PM 11-2025, 01.04.2025) Mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen in Berlin ist es jetzt entscheidend, dass wirtschaftliches Wachstum im Mittelpunkt des politischen Handelns steht. Die Unternehmen, so die Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven, erwarten von den politisch Verantwortlichen, dass sie zügig eine handlungsfähige Regierung bilden, die das Vertrauen in unternehmerisches Handeln wiederherstellt und pragmatische wirtschaftspolitische Entscheidungen trifft, die Deutschlands Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit wieder spürbar stärken.
Handelskammer-Präses André Grobien sagte bei der Vorstellung des Handelskammer-Jahresberichts 2024: „Die deutsche Wirtschaft – und damit auch die Wirtschaft in Bremen und Bremerhaven – ist an einem Wendepunkt angelangt. Das politische Handeln der kommenden Monate ist entscheidend für die Unternehmen.“ Die künftige Bundesregierung, so Präses Grobien, müsse jetzt die Chance nutzen, das Vertrauen der Wirtschaft zurückzugewinnen – durch Planungssicherheit, Investitionsanreize und attraktive Standortbedingungen: „Das beschlossene Milliardenpaket kann ein wichtiger Impuls sein, doch entscheidend ist, wie es genutzt wird. Geld allein macht keine gute Politik – es braucht zügige Reformen, die Wachstum und Innovation ermöglichen“, sagte der Handelskammer-Präses.
Der neue Koalitionsvertrag müsse eine klare wirtschaftspolitische Ausrichtung haben. Präses André Grobien betonte: „Die finanziellen Folgen des Verschuldungspakets lassen sich letztlich nur durch Wirtschaftswachstum und die Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit refinanzieren und am Ende zurückzahlen.“ Der Präses forderte: „Die neue Regierung muss daher die strukturellen Probleme in unserem Land entschlossen und pragmatisch angehen und dringend notwendige Reformen zügig umsetzen. Es geht um nichts weniger als die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Es geht aber auch um den sozialen Frieden in unserem Land. Ohne eine positive wirtschaftliche Entwicklung wird Deutschland nicht aus der Rezession kommen. Und kaum etwas gefährdet den sozialen Frieden mehr als steigende Preise."
Die Häfen sind für das exportorientierte Deutschland essenziell, da ein Großteil des deutschen Außenhandels über sie abgewickelt werden. Präses André Gro-bien sagte: „Die Häfen sind für die Ansiedlung von Unternehmen, die internationale Anbindung Deutschlands und die Bewältigung geopolitischer Herausforderungen strategisch besonders relevant. Von der neuen Bundesregierung erwarten wir ein verlässliches Finanzierungskonzept, um die notwendigen Inf-rastrukturvorhaben wie beispielsweise die Sanierung der Stromkaje oder den Bau des Energy-Ports zu ermöglichen. Der Bund muss sich zur Bedeutung der Häfen bekennen und sich deutlich stärker an der Finanzierung der notwendigen Infrastrukturmaßnahmen beteiligen.“
Laut den regelmäßigen Konjunkturumfragen der Handelskammer sind nahezu alle Branchen in Bremen und Bremerhaven mit schwierigen Rahmenbedingungen konfrontiert: Dazu zählen geopolitische Gefahren für die Lieferketten, ver-schärfte Konflikte im internationalen Handel und eine überbordende Bürokratie aus Brüssel und Berlin. Ein Großteil der Unternehmen sucht unverändert dringend nach geeigneten Fachkräften. Belastend wirken die Entwicklung der Energie- und Rohstoffpreise, eine geringere Inlandsnachfrage sowie steigende Arbeitskosten.
Nach dem Rückgang der bremischen Wirtschaftsleistung im Jahr 2023 blieb die wirtschaftliche Lage auch im Jahr 2024 eingetrübt. Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Dr. Matthias Fonger sagte: „Der Druck auf die Wirtschaft kommt von vielen Seiten. Das führt in den Unternehmen im Land Bremen zu einer verschlechterten Geschäftslage und wenig optimistischen Aussichten für die kommenden Monate. Die Vielfalt der Geschäftsrisiken“, so der Hauptgeschäftsführer, „sorgt für eine anhaltende Verunsicherung in den Unternehmen.“
Das Wirtschaftswachstum im Land Bremen ist besonders eng mit der Entwicklung der bremischen Industrie und dem Exporthandel verknüpft. Im Jahr 2024 hat der bremische Industrieumsatz im Vergleich zum Vorjahr um 5,9 Prozent eingebüßt und lag damit nur 2 Prozent über dem Vor-Corona-Niveau aus dem Jahr 2019. Dr. Matthias Fonger betonte: „Wichtig ist jetzt vor allem, dass es Deutschland und Europa gelingt, eine Eskalation drohender Handelskonflikte abzuwenden. Kein Land kann weiteren Wohlstand erreichen, wenn es zusätzli-che Zölle erhebt.“
Die bremischen Häfen konnten nach einem deutlichen Rückgang des Seegüterumschlags im Vorjahr nun 2024 wieder einen Umschlagszuwachs verzeich-nen. Im Vergleich zu 2023 erhöhte sich der Gesamtumschlag 2024 um 5,9 Pro-zent und im Containerverkehr um 6,3 Prozent. Ein deutlicher Rückgang von 15,2 Prozent wurde hingegen beim Umschlag mit Fahrzeugen registriert.
Die anhaltenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten wirken sich zunehmend auch auf den Arbeitsmarkt aus. Die Zahl der Arbeitslosen ist 2024 erneut gestiegen, und das bis zuletzt langanhaltende Beschäftigungswachstum ist vorerst zu einem Ende gekommen. Dennoch bleibt der Fach- und Arbeitskräftemangel ein relevantes Problem. Dr. Matthias Fonger erklärt: „Unsere jüngste Unternehmensbefragung zum Fach- und Arbeitskräftemangel zeigt, dass es für viele Unternehmen in Bremen und Bremerhaven weiterhin schwierig ist, offene Stellen mit geeignetem Personal zu besetzen.“
Knapp 60 Prozent der Unternehmen gaben gegenüber der Handelskammer an, derzeit offene Stellen längerfristig nicht besetzen zu können. Zwar ist dieser Wert aktuell etwas niedriger als in der Handelskammer-Befragung aus dem Herbst 2023 (62 Prozent), liegt jedoch weiterhin über den Quoten aus den Jahren 2018 bis 2022.
Der Hauptgeschäftsführer forderte daher Erleichterungen bei der Fachkräfteeinwanderung und der Anwerbung ausländischer Auszubildender: „Die der-zeitigen Regelungen sind zu komplex und überfordern sowohl die Unterneh-men als auch die Umsetzungsbehörden. Unternehmen sollten vor allem selbst entscheiden können, wer als Fachkraft oder Auszubildender in Frage kommt.“
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