2 min
Lesezeit
Das Energiesystem im Stresstest
Seit etwa einem Jahr und insbesondere seit dem Krieg Russlands in der Ukraine ist die deutsche Energiewirtschaft eine andere. Bisherige energiepolitische Gewissheiten gelten nicht mehr. Das Szenario einer drohenden Gasmangellage, die Vielzahl der gesetzlichen Maßnahmen, die explodierenden Preise und zahlungsunfähige Energieversorger setzen das deutsche Energiesystem einem enormen Stresstest aus.
Dr. Volker Lang, Vorstand BS Energy
© BS Energy
Entsprechend groß sind die Herausforderungen, denen wir uns bei BS Energy jeden Tag stellen. Oberste Priorität für uns hat die Versorgung unserer Kunden in Braunschweig sicherzustellen. Dazu gehören die Beschaffung von Strom und Gas, die Beschaffung von Brennstoffen für unsere Kraftwerke, die die Wärmeversorgung in Braunschweig sicherstellen. Gleichzeitig bringen wir unseren Kraftwerksneubau voran, der uns durch den Einsatz von Biomasse unabhängiger von fossilen Brennstoffen macht. Auch auf eine mögliche physikalische Gasmangellage bereiten wir uns vor. Voraussetzung dafür ist die Sicherung unserer Liquidität und Handlungsfähigkeit am Energiebeschaffungsmarkt. Je höher die Energiepreise steigen und die Volatilität der Energiepreise an den Märkten ist, desto mehr müssen wir vorfinanzieren. Unsere Teams, unter anderem im Kundenservice und im Vertrieb, genauso wie im Kraftwerk und bei unserem Netzbetreiber für Braunschweig BS Netz, sind im Dauereinsatz.
Wie sich die Energiepreise an den Beschaffungsmärkten entwickeln werden, lässt sich angesichts der hohen Unsicherheiten derzeit kaum seriös beantworten. Für den Gasmarkt wird kurz- und mittelfristig entscheidend sein, ob sich die bisherige positive Entwicklung beim Gas-Import aus anderen Ländern fortsetzen lässt und ob Energiesparmaßnahmen erfolgreich sind. Die Entwicklung im Strommarkt wird wesentlich von der Entwicklung der verfügbaren Erzeugungskapazitäten in Deutschland und in Frankreich abhängen. Insgesamt ist aber auch mittel- bis langfristig dauerhaft mit einem Energiepreisniveau zu rechnen, das erheblich oberhalb des Vorkrisen-Niveaus liegt.
Politisch sind eine Vielzahl an Maßnahmen seitens EU, Bundes- oder Landesregierung beschlossen oder im Gesetzgebungsverfahren, um die unmittelbare Krise zu bewältigen. Für viele Unternehmen soll es ab Anfang Januar durch die Gaspreisbremse eine zumindest teilweise Entlastung geben, auch Privatkunden sollen entlastet werden. Allerdings fehlen konkrete Vorhaben für entsprechende Entlastungen auf der Stromseite noch.
Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, dass es ein einfaches „Weiter so“ in der Energiepolitik nicht geben wird. Wir brauchen energiepolitische Rahmenbedingungen, die das Ziel der Versorgungssicherheit neben der Bezahlbarkeit und dem Klimaschutz gleichermaßen berücksichtigen.