Positionierung der IHK Braunschweig zur Energiekrise-Resolution des DIHK

Die Wirtschaft steht aufgrund verschiedener Faktoren aktuell vor gravierenden Herausforderungen. Nach wie vor steht die IHK Braunschweig auch in der Energiekrise grundsätzlich zu den vereinbarten Klimazielen. Nichtsdestotrotz erfordert die aktuelle Situation kurz- und mittelfristige Anpassungen und Maßnahmen, um den Unternehmen der Region die Möglichkeit zu geben, ihre Existenz zu sichern und somit die formulierten Klimaziele im weiteren Verlauf auch sicher erreichen zu können.
Das erreichte Ausmaß existenzbedrohender Herausforderungen für die Wirtschaft erfordert jetzt ein entschiedenes Handeln. Dabei sind die Auswirkungen auf das gesamte Spektrum der Wirtschaft zu berücksichtigen, um weitere negative Folgeeffekte zu verhindern. Aufgrund der aktuellen Situation positioniert sich die IHK Braunschweig wie folgt und fordert in Ergänzung zur Resolution des DIHK vom 21.09.2022 folgende Punkte:

1. Wirtschaftliche und (infra-)strukturelle Entwicklungen synchronisieren

Die regionale Wirtschaft ist bereit Ihren Beitrag zu leisten und hat sich zu den Klimazielen bekannt. Damit die Wirtschaft aber auch ihren Beitrag leisten kann und eine Zielerreichung möglich wird, sind auf dem Weg dorthin verschiedene gesetzliche, politische und insbesondere infrastrukturelle Rahmenbedingungen sicherzustellen. Die Entwicklung der Rahmenbedingungen muss synchron zu den geforderten und notwendigen Entwicklungsschritten in den Unternehmen erfolgen, um die geforderten Ziele überhaupt realisieren zu können. Fehlende Rahmenbedingungen dürfen dabei nicht zu Lasten der Unternehmen gehen.
Exemplarisch sind folgende Maßnahmen hierfür umzusetzen:
  • Sicherstellung der notwendigen Infrastruktur zum Transport von Energie (Stromtrassen, leistungsfähige Stromnetze zur flächendeckenden Nutzbarkeit von Elektromobilität u.a., Wasserstofffähige Leitungen, etc.)
  • Die für die Energie- oder Verkehrsinfrastruktur in der jüngeren Gesetzgebung erreichten Beschleunigungsmaßnahmen auch für weitere infrastrukturelle Vorhaben nutzen. Die jüngsten Entscheidungen zum EEG, Wind-auf-See-Gesetz oder dem LNG-Beschleunigungsgesetz auf andere Fachgesetze ausweiten
  • Planungsstufen in ein Hauptverfahren mit einer Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltprüfung zusammenführen, mit einmaliger Möglichkeit der Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht
  • Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung von Verkehrsinfrastrukturprojekten, insbesondere zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in Deutschland (alle Verkehrsträger)

2. Krisenorientiertes Belastungsmoratorium

Zu der Coronapandemie verschärft nun die energiewirtschaftliche Krise die Situation für die Wirtschaft noch weiter. Darüber hinaus drohen weitere Belastungen und bürokratische Anforderungen die Unternehmen noch zusätzlich zu beanspruchen, exemplarisch sei die Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, die Produktsicherheitsverordnung, das Recht auf Reparatur und das Verpackungsgesetz genannt.
Aufgrund der aktuellen Belastungen ist es daher dringend notwendig den Unternehmen nicht noch weitere bürokratische Hürden aufzuerlegen, sondern stattdessen für Entlastungen zu sorgen. Aus diesem Grund fordert die IHK Braunschweig ein krisenorientiertes Belastungsmoratorium für den Zeitraum der andauernden Krise.
Exemplarisch sind folgende Maßnahmen hierfür umzusetzen:
  • Anhebung bestehender Grenzwerte auf die europäischen Vorgaben (z.B. kWp-Grenze bei PV-Anlagen)
  • Verzicht auf weitere Bürokratiebelastungen (Berichtspflichten, Genehmigungsverfahren usw.) durch neue Gesetze. Ein gewichtiges Beispiel ist das Aufschieben des deutschen Lieferkettengesetzes - auch vor dem Hintergrund, dass ein EU-Lieferkettengesetz geplant ist.
  • Umweltrelevante Fristen in allen Bereichen vorübergehend aussetzen, sofern sie mit zusätzlichen Kosten für die Wirtschaft verbunden sind, z.B. bei der Umsetzung des Verpackungsgesetzes
  • Fortführung der Aufhebung des LKW-Sonntagsfahrverbots, insb. auch für systemrelevante und von Lieferproblematiken betroffene Sortimente
  • Verschiebung von Entscheidungen zum Green Deal, die zu gesetzlichen Vorhaben oder Richtlinien im deutschen/niedersächsischen Handel führen könnten, insb. beim derzeit diskutierten „Recht auf Reparatur“
  • Anpassung hinderlicher Regularien im Hinblick auf energiebezogene Einsparungsmöglichkeiten wie:
    • Flächendeckende Erleichterung des Fuelswitches durch entsprechende Übergangsregelungen im Rahmen des BImSchG und dessen Umsetzung, z.B. übergangsweise Anzeigepflicht statt Genehmigungsverfahren
    • Temporäre Anpassung oder Aussetzung der Grenzwerte für thermische Nachverbrennungsanlagen (TNV)

3. Beratung und Investition in Energieeffizienz bzw. Energieeinsparmöglichkeiten fördern

Der Energiemarkt ist komplex und stellt die regionale Wirtschaft vor zahlreiche Herausforderungen. Um den Unternehmen Hilfestellungen zu ermöglichen, sollten Beratungsangebote sowie die Umstellung auf regenerative Energien intensiviert und gefördert werden. Die zugehörigen Förderprogramme sollten kurzfristig und einfach zu beantragen sein und gezielt beworben werden.
Dadurch sollen Investitionsanreize speziell im Bereich der Energieeffizienz und der Energieeinsparmöglichkeiten verbessert und gezielt gefördert werden.
Exemplarisch sind folgende Maßnahmen hierfür umzusetzen:
  • Förderung von kurzfristigen Anschaffungs- und Umstellungsmaßnahmen im Bereich der Strom- und Energieversorgung durch öffentliche Zuschüsse und zinsbegünstigte Darlehen
  • 100-Prozent-Förderung für Energieberatung mit dem Schwerpunkt Energiesparen (ähnlich dem Programm "Digital aufgeLaden" für die Digitalisierung im Handel)
  • Beratungsangebote zur krisenbezogenen Anpassung von Geschäftsmodellen

4. Unterstützung besonders betroffener Unternehmen zum Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit

Die regionale Wirtschaft steht vielfach im europäischen und internationalen Wettbewerb und benötigt wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen, um weiterhin am Markt agieren und sich gegenüber der internationalen Konkurrenz behaupten zu können.
Insbesondere in der aktuellen Situation braucht es daher Förderungen und Entlastungen für die betroffenen Betriebe.
Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auch auf den Folgewirkungen der Energiekrise in bestimmten Sektoren und Bereichen liegen, die Auswirkungen auf Lieferketten haben und für die Sicherung der Grundversorgung notwendig sind.
Exemplarisch sind folgende Maßnahmen hierfür umzusetzen:
  • Ausweitung der Energiekostenzuschüsse auf weitere Branchen
  • Vereinfachter Zugang zu KfW-Mitteln (Darlehen) und sonstigen Unterstützungsleistungen zur Sicherung der Liquidität von Unternehmen
  • Fortführung der Nutzbarkeit von Kurzarbeit
  • Sicherstellung der Aufrechterhaltung von Lieferketten für eine stabile Grundversorgung (z.B. AdBlue)

5. Fach- und Arbeitskräftegewinnung optimieren

Neben den kostenbezogenen Auswirkungen der Energiekrise stellt auch die Fach- und Arbeitskräftegewinnung Unternehmen vor wachsende Herausforderungen. Nach wie vor ist die Nachfrage der Unternehmen nach neuen Mitarbeitenden hoch und in der Folge der Fach- und Arbeitskräftemangel gravierend. Neben der Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitenden ist auch die gezielte Fachkräfteeinwanderung eine wichtige Stellschraube gegen den Fach- und Arbeitskräftemangel. Die entsprechenden Regularien sollten daher vereinfacht werden, um in naher Zukunft den Bedarf decken zu können.
Exemplarisch sind folgende Maßnahmen hierfür umzusetzen:
  • Vereinfachung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG)
  • Vereinfachte Erteilung einer Arbeitserlaubnis für ausländische Arbeitskräfte
  • Abbau bürokratischer Hürden beim Arbeitsmarktzugang von Geflüchteten
  • Verfahren durch Digitalisierung der Schnittstellen zwischen Konsulaten, Ausländerbehörden und Arbeitsagentur beschleunigen