Sanierung ohne Insolvenz: Neue Wege aus der Krise durch das StaRUG

Die letzte Ausnahmeregelung zur Insolvenzantragspflicht ist zum 30. April 2021 ausgelaufen. Damit sind auch Unternehmen, die auf Corona-Überbrückungshilfen gewartet haben, nicht länger von der Pflicht zur Insolvenz-Anmeldung ausgenommen. Nun wird sich bald auch in den Zahlen der Insolvenzanträge widerspiegeln, welches Ausmaß die langbefürchtete coronabedingte Pleitewelle tatsächlich haben wird. Der deutsche Gesetzgeber hat die Vorgaben der europäischen Restrukturierungsrichtlinie auf Grund der Corona-Pandemie kurzfristig durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) umgesetzt. Dessen Kernstück ist wiederum das neue Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – kurz: StaRUG, das am 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist.
Das StaRUG hat das Ziel möglichst früh anzusetzen, um Unternehmen vor der Insolvenz zu bewahren. Dadurch soll die immer noch erdrückende Zahl massearmer Insolvenzen mit entsprechend katastrophalen Insolvenzquoten für die Gläubiger gesenkt werden. Das SanInsFoG hat in seiner Gesamtheit zu einer wesentlichen Verbesserung des deutschen Sanierungsrechts beigetragen. Das StaRUG verpflichtet alle Unternehmen größenunabhängig zum Risikomanagement und damit zu einer regelmäßigen Unternehmens- und Finanzplanung. Hierdurch soll die Krise des Unternehmens so führzeitig wie möglich erkannt werden. Wer schnell handelt, kann im Rahmen des StaRUG von einem diskreten, flexiblen und rechtssicheren Verfahren zur Unternehmenssanierung profitieren.
Durch das StaRUG sollen die ­Sanierungsmöglichkeiten außer­halb eines Insolvenzverfahrens, auch gegen den Widerstand einzelner Gläubiger, erweitert werden. Dadurch wird eine Lücke zwischen der außergerichtlichen Sanierung, die eine Einstimmigkeit der Gläubiger voraussetzt, und der Sanierung per Mehrheitsentscheidung im Insolvenzplanverfahren geschlossen.
Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein?
Zwingende Voraussetzung für eine Sanierung nach dem StaRUG ist, dass dem Unternehmen die Zahlungsunfähigkeit droht. Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er in der Zukunft voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Durch das SanInsFoG wird nunmehr gesetzlich ein Prognosezeitraum von 24 Monaten definiert. Ist für Unternehmen absehbar, dass in den nächsten 24 Monaten die Zahlungsunfähigkeit eintreten wird, steht ihnen ab diesem Zeitraum eine Sanierung nach StaRUG offen. Wichtig ist, dass weder bereits eine Zahlungsunfähigkeit noch eine Überschuldung im Sinne der Insolvenzordnung vorliegen darf.
Wie läuft ein Sanierungsverfahren nach StaRUG ab?
Um das Restrukturierungsverfahren einzuleiten, ist lediglich die Anzeige beim zuständigen Restrukturierungsgericht erforderlich. Die wesentliche Vorarbeit besteht jedoch darin, ein Restrukturierungskonzept beziehungsweise den Restrukturierungsplan zu erstellen, der in Form, Inhalt und Funktion einem Insolvenzplan ähnelt. Aus dem Restrukturierungsplan muss sich erschließen, dass eine Überwindung der Unternehmenskrise als überwiegend wahrscheinlich gilt. Im Gegensatz zum Insolvenzplan müssen nicht alle Gläubiger einbezogen werden, da das sanierende Unternehmen selbst entscheiden darf, welche Forderungen und Rechte im Plan restrukturiert werden sollen.
Das gesamte Verfahren kann unter der Leitung des Schuldners außergerichtlich, zeit- und kosteneffizient umgesetzt werden, wenn der Restrukturierungsplan von allen Planbetroffenen einstimmig angenommen wird. Konnte kein Konsens unter den Planbetroffenen erzielt werden, kann dieser durch das Gericht ersetzt werden, wenn in allen Gläubigergruppen 75 Prozent der Betroffenen zustimmen. Fehlt auch diese Mehrheit in den einzelnen Gläubigergruppen, kann sie unter bestimmten Voraussetzungen sogar im Wege einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung (sogenannte „Cross-class Cram-Down“) fingiert werden.
Das StaRUG enthält ein Baukastensystem, da unterschiedliche Instrumente je nach Bedarf und unabhängig voneinander beim Restrukturierungsgericht beantragt und kombiniert werden können. Das sanierende Unternehmen kann das Gericht dazu aufrufen, Unterstützung durch verschiedene Stabilisierungs- und Restrukturierungsinstrumente zu erhalten:
  • Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens (gerichtliche Planabstimmung),
  • gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich sind (Vorprüfung),
  • gerichtliche Anordnung von Vollstreckungs- und Verwertungssperren (Stabilisierung),
  • gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans (Planbestätigung).
Welche Aufgaben hat der/die Restrukturierungsbeauftragte?
Im Grundsatz soll das Unternehmen den Restrukturierungsplan zwar selbst umsetzen. Da das StaRUG jedoch zwingend die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten vorschreibt, wenn die Rechte von mittleren, kleinen und Kleinstunternehmen sowie Verbrauchern betroffen sind, werden bei den meisten Sanierungsvorhaben Restrukturierungsbeauftragte mit an Bord sein.
Welche Vorteile bieten die neuen Sanierungsmöglichkeiten?
Einer der größten Vorteile des StaRUG ist, dass eine Mehrheit von 75 Prozent der Gläubiger ausreicht, um den Restrukturierungsplan umzusetzen. Dadurch wird verhindert, dass sogenannte Akkordstörer (Gläubiger, die einen sinnvollen Vergleich verhindern wollen) den Restrukturierungsversuch blockieren.
Das Insolvenzrecht bietet zwar im Rahmen eines Insolvenzverfahrens verschiedene Möglichkeiten zur Unternehmenssanierung. Diese sind jedoch kostenintensiv und haben den Nachteil einer negativen Publizität. Das Restrukturierungsverfahren bietet unabhängig davon, ob es gerichtlich oder außergerichtlich durchgeführt wurde, die Möglichkeit einer Unternehmenssanierung abseits der Öffentlichkeit und damit ohne das Stigma der Insolvenz.
Ein weiterer Vorteil sind die Stabilisierungsanordnungen, die das Restrukturierungsgericht auf Antrag beschließen kann. Durch diese Maßnahme können Gläubiger während des Verfahrens bestimmte Vollstreckungsmaßnahmen nicht gegenüber dem Schuldner geltend machen.
Welche Schwächen hat das neue Gesetz?
Die Tatsache, dass Forderungen aus laufenden gegenseitigen Verträgen nur in den Restrukturierungsplan einbezogen werden, wenn die Leistungen der Gläubiger bereits erbracht sind, ist ein großes Manko des StaRUG. Die ursprünglich angedachte Regelung, wonach das Gericht auf Antrag laufende Verträge beenden kann, hat keinen Eingang in das vom Bundestag beschlossene Gesetz gefunden. Durch diese Ausnahme wird bedauerlicherweise eine Vielzahl von Unternehmen eine Restrukturierung nach StaRUG kaum durchführen können.
Ebenfalls nicht gestaltbar sind Forderungen von Arbeitnehmern aus deren Arbeitsverhältnissen (einschließlich bestehender Pensionsansprüche), da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Krise typischerweise bereits zu weit fortgeschritten ist, um sie im Rahmen des StaRUG abzuwenden, wenn Löhne und Gehälter nicht mehr bezahlt werden können.
Sollte es doch zu einem Insolvenzverfahren kommen, erhalten die Beteiligten nur durch einen gerichtlich bestätigten Restrukturierungsplan den entscheidenden Schutz vor typischen insolvenzrechtlichen Risiken, da der Vollzug des gerichtlich bestätigten Restrukturierungsplans gegenüber außergerichtlich geschlossenen Vereinbarungen privilegiert wird.
Sanierungsmoderation als weiteres Tool des StaRUG
Als weiteres Tool zur Unternehmenssanierung bietet das StaRUG die sogenannte Sanierungsmoderation, die im Gegensatz zu den anderen Instrumenten des StaRUG nicht an die Voraussetzung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit geknüpft ist. Bei der Sanierungsmoderation geht es im Kern um die Erarbeitung eines Schuldenbereinigungsvergleichs im Konsens mit den einbezogenen Gläubigern. Sollte es später doch zu einer Insolvenz des Schuldners kommen, ist durch die gerichtliche Bestätigung des Sanierungsvergleichs dessen Anfechtbarkeit (wie beim gerichtlich bestätigten Restrukturierungsplan) nach insolvenzrechtlichen Vorschriften weitestgehend ausgeschlossen. Dies bietet den entscheidenden Vorteil gegenüber einer außergerichtlichen Sanierung außerhalb des StaRUG, welche große Rechtsunsicherheiten mit sich bringt.
Sollte die Sanierungsmoderation zu keinem Erfolg führen, kann sie unter den für sie jeweils geltenden Voraussetzungen durch die Nutzung anderer Instrumente des StaRUG fließend in eine Restrukturierung übergeleitet werden.
Die IHK bietet künftig zusammen mit Insolvenzverwaltern aus der Region individuelle Insolvenzberatungen an festen Sprechtagen an. Weitere Informationen und Termine finden Sie hier.