Allgemeine Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung

Ändert auch eine gerichtliche Verurteilung nichts an der Leistungsbereitschaft des Schuldners, bleibt dem Gläubiger die Möglichkeit, sein Recht mit den Mitteln der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Dieser Weg sollte jedoch nicht unbedacht eingeschlagen werden. Es empfiehlt sich, vor der Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen deren Erfolgsaussichten zu sondieren. Denn Zwangsvollstreckungsmaßnahmen kosten Zeit und Geld. Zwar hat diese grundsätzlich der die Zwangsvollstreckung letztlich veranlassende Schuldner zu tragen. Der Gläubiger muss diese aber „vorstrecken”.
Spätestens vor der Einleitung der Zwangsvollstreckung sollte der Gläubiger sich also Informationen über den Schuldner beschaffen, um anhand derer abwägen zu können, ob sich der Aufwand lohnt. Pauschal lassen sich schwer Aussagen treffen, wann sich eine Zwangsvollstreckung grundsätzlich empfiehlt und wann nicht. Zu berücksichtigen ist selbstverständlich eine gewisse Exempelwirkung, die das Handeln des Gläubigers in jedem Fall hat: Scheut der Gläubiger immer die zwangsweise Eintreibung der Forderung, macht dies unter Schuldnern natürlich die Runde – und wirkt sich auf deren Zahlungsmoral nicht unbedingt förderlich aus. Andererseits kann sich für bestimmte Unternehmen der Aufwand, eine nur geringfügige Forderung unbedingt zwangsweise beizutreiben, unter Umständen auch einmal nicht lohnen. Wie bereits angedeutet, kommt es hier aber immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an.

1. Informationsbeschaffung

Zu den erforderlichen Informationen, die der Gläubiger im Vorfeld von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ermitteln sollte, gehören insbesondere:
  • Korrekte Bezeichnung des Schuldners (Vor- und Zuname, Geburtsdatum, korrekte Firmierung, Vertretungsverhältnisse)
  • Aufenthaltsort des Schuldners
  • Wirtschaftliche Verhältnisse (eidesstattliche Versicherung bzw. entsprechender Haftbefehl, Insolvenzverfahren, Arbeitsstelle, andere Einkommensarten, Grundbesitz, Geschäftsbeteiligungen, Bankverbindungen).
Als Informationsquellen können beispielsweise dienen:
  • Eigenwahrnehmung des Gläubigers, beispielsweise im Umfeld des Schuldners
  • Öffentliche Register wie das Handelsregister (www.handelsregister.de) oder das Partnerschaftsregister, Gewerbeamt, Schuldnerregister, Grundbuchamt, Insolvenzgerichte (www.insolvenzbekanntmachungen.de), Nachlassgerichte, Einwohnermeldeamt, Ausländerzentralregister, Kfz-Zulassungsstelle, Güterrechtsregister
  • Sonstige Quellen wie Wirtschaftsauskunfteien, Schufa, Detekteien aber auch Telefon-, Adress- und Branchenbücher sowie das Internet.
Häufig wird die Auskunftserteilung bei öffentlichen Registern o.ä. unter das Erfordernis eines berechtigten Interesses gestellt. Schließlich verdient auch der Schuldner einen gewissen Schutz hinsichtlich seiner Daten. Ein solches berechtigtes Interesse an der Auskunftserteilung kann seitens des die Zwangsvollstreckung in Erwägung ziehenden Gläubigers aber in der Regel durch Vorlage eines vollstreckungsfähigen Titels glaubhaft gemacht werden.
Wegen vielfach auftretender Probleme bei der Ermittlung wichtiger Informationen wurde die Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung reformiert. Der Gerichtsvollzieher kann sich in Zukunft Informationen schneller und einfacher beschaffen.
Anhand der ermittelten Informationen sollte nun abgewogen werden, ob die Zwangsvollstreckung in hinreichendem Maße erfolgversprechend erscheint. Führt diese Abwägung zu einem positiven Ergebnis, ist zu prüfen, ob die formellen und materiellen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gegeben sind.

2. Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung

2.1 Allgemeine Voraussetzungen

Es müssen die für sämtliche gerichtlichen Handlungen geltenden allgemeinen Voraussetzungen vorliegen. Dazu gehören:
  • Deutsche Gerichtsbarkeit
  • Zulässigkeit des Rechtsweges
  • Rechtsschutzinteresse (War der Schuldner wirklich nicht bereit, nach Aufforderung freiwillig zu leisten?).
Diese sind in der Regel unproblematisch gegeben.

2.2 Spezielle Voraussetzungen

Des Weiteren müssen die speziell für die Zwangsvollstreckung geltenden formellen Voraussetzungen vorliegen. Diese sind:
  • Titel
  • Klausel
  • Zustellung
Titel
Ein Titel ist unerlässliche Grundvoraussetzung jeder Vollstreckungsmaßnahme. Vollstreckungsfähige Titel sind beispielsweise gerichtliche Endurteile, gerichtliche Vergleiche, Kostenfestsetzungsbeschlüsse, Vollstreckungsbescheide aus einem gerichtlichen Mahnverfahren, für vollstreckbar erklärte europäische Zahlungsbefehle etc. (vgl. §§ 704, 794 ZPO). Der Gläubiger sollte sich vor der Einleitung eines Zwangsvollstreckungsverfahren vergewissern, ob er tatsächlich im Besitz eines Titels in diesem Sinne ist.
Klausel
Nach § 724 ZPO wird die Zwangsvollstreckung nur auf Grund einer mit einer Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung des Urteils (sog. vollstreckbare Ausfertigung) durchgeführt. Die Klausel entfaltet eine Bindungswirkung für das Vollstreckungsorgan. Dieses hat zwar eine selbständige Prüfungskompetenz bezüglich der Vollstreckungsfähigkeit des Titels, etwa ob es sich überhaupt um einen Titel im o.g. Sinne handelt; darüber hinaus darf es den Titel aber nicht in Frage stellen.
Zu unterscheiden ist zwischen der sog. einfachen Klausel und sog. qualifizierten Klauseln.
Die Erteilung einer sog. einfachen Klausel, die in der Regel keine größeren Probleme aufwirft, weil weder eine bedingte Leistung für vollstreckbar erklärt werden muss noch eine titelübertragende Klausel nötig ist, erfolgt unter folgenden Voraussetzungen:
  • formloser Antrag des Gläubigers,
  • wirksamer Titel, der einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat (hinreichend bestimmter Leistungstitel)
  • sowie Vollstreckungsreife, also Rechtskraft oder vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils.
Zuständig für die Erteilung der einfachen Klausel ist grundsätzlich der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle.
Besondere Voraussetzungen gelten für die Erteilung sog. qualifizierter Klauseln.
Wenn die Zwangsvollstreckung aufgrund einer Bedingung oder Befristung vom Eintritt einer künftigen Tatsache abhängig ist, soll das Vollstreckungsorgan deren Eintritt nicht prüfen müssen. Diese Prüfung erfolgt im Rahmen des Klauselerteilungsverfahrens. Die Klauselerteilung erfolgt dann erst, wenn der Gläubiger den von ihm zu beweisenden Bedingungseintritt nachweist. Ein Beispiel hierfür wäre etwa ein Titel, der den Schuldner dazu verurteilt, den Werklohn nach Mängelbeseitigung und Abnahme zu zahlen. Nicht erforderlich ist eine derartige Klausel, wenn eine Sicherheitsleistung Bedingung der vorläufigen Vollstreckung ist, bei Abhängigkeit von einem bestimmten Kalendertag oder auch grundsätzlich bei der Verurteilung zur Leistung Zug-um-Zug.
Soll die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung für oder gegen andere als die im Titel benannten Personen ausgesprochen werden, ist eine titelübertragende Klausel nötig. Im praktisch wichtigsten Fall der vollstreckbaren Ausfertigung für und gegen Rechtsnachfolger (§ 727 ZPO) wird die Klausel unter folgenden Voraussetzungen erteilt:
  • Bei Urteilen muss die Rechtsnachfolge nach Rechtshängigkeit des Prozesses eingetreten sein, bei sonstigen Titeln kommt es auf den Zeitpunkt der Titelentstehung an.
  • Der Nachweis der Rechtsnachfolge muss durch öffentliche Urkunden erbracht werden, sofern die Rechtsnachfolge nicht gerichtskundig ist.
Zuständig für die Erteilung einer qualifizierten Klausel ist der Rechtspfleger.
Zustellung
Der Titel muss vor bzw. mit Beginn der Vollstreckung dem Schuldner zugestellt werden. Dieser soll damit auf die bevorstehende Zwangsvollstreckung aufmerksam gemacht werden. Gleichzeitig erhält er die Gelegenheit, die formelle Richtigkeit des Titels zu prüfen.
Die Zustellung erfolgt bei Urteilen von Amts wegen, d.h. ohne weiteres Zutun des Gläubigers. Zur Beschleunigung bzw. bei sonstigen Titeln, bei welchen eine Zustellung von Amts wegen nicht erfolgt, z.B. notarielle Urkunden, kann sie durch den Gläubiger selbst erfolgen. Auf Antrag kann sie auch gleich durch den Gerichtsvollzieher selbst bewirkt werden.
Wird die Annahme verweigert, so ist das zuzustellende Schriftstück in der Wohnung oder dem Geschäftsraum zurückzulassen. Mit der Annahmeverweigerung gilt die Zustellung als bewirkt. Ist die Ersatzzustellung in der Wohnung oder im Geschäftsraum nicht möglich, so kann das Schriftstück ersatzweise durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt werden. Ist auch diese Ersatzzustellung nicht möglich, so kann die Zustellung durch Niederlegung des Schriftstücks auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts bewirkt werden. Der Zustellungsempfänger erhält dann eine Nachricht über die Zustellung in den Briefkasten. Die Zustellung gilt dann als bewirkt, unabhängig davon, ob der Empfänger das niedergelegte Schriftstück abholt. Ist der Aufenthaltsort des Schuldners nicht bekannt, kann die Zustellung des Titels durch öffentliche Zustellung mit Aushang einer Benachrichtigung an der Gerichtstafel erfolgen. Die Zustellung gilt dann einen Monat nach Aushang als bewirkt.
Die Vollstreckung kann durch Erteilung eines Vollstreckungsauftrags seitens des Gläubigers gegenüber dem jeweiligen Vollstreckungsorgan beginnen, sobald alle weiteren Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt sind, beispielsweise das Erbringen von Sicherheitsleistungen, der Eintritt eines angegebenen Fälligkeitsdatums oder die Leistungserbringung durch den Gläubiger bei Zug-um-Zug-Verurteilung.
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Stand: August 2018