Verleihung des 35. Technologietransferpreises der IHK Braunschweig

Dieses Jahr dürfen sich zwei Preisträger über die Auszeichnung freuen

Was genau einem Kilogramm entspricht, lagerte bislang in einem Safe in Paris: das „Urkilogramm“. Es wurde festgelegt, um in Zeiten eines immer internationaler werdenden Handels, die globale Einheitlichkeit von Masse-Maßstäben zu gewährleisten. Durch das Voranschreiten der Messtechnik und neuere Erkenntnisse der Physik ließ sich jedoch feststellen, dass es trotz der sorgfältigen Aufbewahrung und seltenen Nutzung über die Jahre einen Teil seiner Masse verloren hatte. Damit war die weltweite Definition einer ständigen Änderung unterworfen. Aus diesem Grund wird das Kilogramm seit dem 20. Mai 2019 durch eine unveränderliche Naturkonstante definiert, die über hochreine Siliziumkugeln verkörpert werden.
Ein Team von Wissenschaftlern der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, repräsentiert von Dr.-Ing. Prof. Frank Härtig, Katharina Lehmann, Dr.-Ing. Rudolf Meeß und Thomas Wiedenhöfer, machte es sich zur Aufgabe, ein Fertigungsverfahren für eine extrem runde Siliziumkugel für industrielle Anwendungen in die Wirtschaft zu transferieren. Das damit neu entwickelte Schleif- und Polierverfahren übertrug die PTB an die J. Hauser GmbH & Co. KG, die auf die Herstellung von hochpräzisen Oberflächen spezialisiert ist und die Kugel als Sekundärnormal für Metrologische Institute, Kalibrierlaboratorien und Waagenhersteller fertigt. Weiterhin wurde das Know-how zu Handhabung, Lagerung und Transport der Kugeln der Häfner Gewichte GmbH übertragen, die neben dem Vertrieb der Sekundärnormale auch Reinigungs- und Handhabungsutensilien, sowie Schulungen zum fachgemäßen Umgang mit Siliziumkugeln anbieten. Durch das Transferprojekt Si-kg konnte somit eine einzigartige schlüsselfertige Infrastruktur geschaffen werden, die den weltweiten Bedarf an hoch stabilen Sekundärnormalen bedient.
Die Kugeln greifen könnte die von Dr. Christian Löchte und Holger Kunz entwickelte Formhand-Technologie. Die beiden ehemaligen Studenten der Technischen Universität Braunschweig verfolgten bereits während ihres Studiums die Idee, mit einem möglichst geringen Aufwand unterschiedlichste Gegenstände ergreifen, anheben und positionieren zu können und entwickelten Greifer für Industrieroboter, die flexibel, anpassungsfähig und universell einsetzbar sind. Die Greifer nutzen den Effekt, der von vakuumverpacktem gemahlenem Kaffee bekannt ist: im Normalzustand ist er leicht fließend, einem Unterdruck ausgesetzt aber hart und stabil. Die Formhand-Greifer bestehen aus einem granulatgefüllten, flexiblen Kissen, das sich durch Absaugen der Luft an die zu greifende Form anpasst und so am Gegenstand fixiert ist.
Im Rahmen eines vom BMWi geförderten Transferprojekts konnte Kirsten Büchler gewonnen werden, die das Team mit ihrem kaufmännischen Wissen abrundet. Mit der Ausgründung der Formhand Automation GmbH, sind alle drei seit Januar 2017 als geschäftsführende Gesellschafter tätig.
Diese beiden unterschiedlichen Wissenstransfers in die wirtschaftliche Praxis erhielten am 8. November den mit 10 000 Euro dotierten Technologietransferpreis der IHK Braunschweig. „In beiden Projekten lief die Transferleistung in vorbildlicher Weise“, lobte der Jury-Vorsitzende Dr. Edgar Lins. „Eine vergleichende Wertung ist aufgrund der unterschiedlichen Konstellationen nicht möglich gewesen, so entschieden wir uns gemeinsam mit IHK-Präsident Helmut Streiff, den diesjährigen Preis zu teilen“, begründete er die Entscheidung.
Für einen stimmungsvoll musikalischen Rahmen bei der Veranstaltung sorgte die Städtische Musikschule Braunschweig.