Russlandsanktionen: Auswirkungen auch auf Unternehmen ohne Russlandgeschäft - Leitfaden

Insbesondere das 11. und 12. Sanktionspaket gegen Russland wegen des anhaltenden völkerrechtswidrigen Kriegs gegen die Ukraine enthalten Regelungen, die auch Unternehmen betreffen, die kein Russland-Geschäft (mehr) betreiben. Gemeint sind hier die sogenannte Hinweispflicht für Jedermann und die No-Russia-Klausel.

1. Hinweispflicht für Jedermann bei Kenntnis von Sanktionsverstößen

Die sogenannte “Jedermannspflicht” wurde mit dem 11. EU-Sanktionspaket unter Art. 6b der EU-Verordnung Nr. 833/2014 aufgenommen.
Von dieser Hinweispflicht sind alle natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen betroffen - unabhängig davon, ob die Informationen beruflich oder privat erlangt werden, müssen diese gemeldet werden. Eine Ausnahme gilt lediglich für die geschützte vertrauliche Kommunikation zwischen Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen und ihrer Mandantschaft.
Die Hinweise zu den Sanktionsverstößen, die Behörden auf Grundlage der eingeführten Hinweispflicht erhalten, ergänzen das Informationsbild zur effektiven Umsetzung der EU-Sanktionen. Wichtig ist dies insbesondere im Hinblick auf die effektive Bekämpfung von warenverkehrsbezogenen Sanktionsumgehungen im Einzelfall.
Die Pflicht zur Hinweisgebung nach Artikel 6b der VO (EU) 833/2014 bezieht sich konkret auf sämtliche sachdienliche Informationen über Verletzungen und Umgehungen sowie Versuche der Verletzung oder Umgehung der in der Verordnung festgelegten Verbote. Sie tritt direkt nach Erlangung der jeweiligen Kenntnis ein. Hierzu gehören zum Beispiel Kenntnisse über konkrete Beschaffungsversuche oder sanktionswidrige Handelsbeziehungen. Die Hinweispflichtigen haben jedoch keine Verpflichtung, die Richtigkeit der Informationen durch eigene Recherchen zu überprüfen. 
Auszug aus VO (EU) 833/2014:

Artikel 6b

(1) Entsprechend der in Artikel 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Achtung der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten sowie gegebenenfalls unbeschadet der Regeln zur Vertraulichkeit von Informationen im Besitz von Justizbehörden, sind natürliche und juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen verpflichtet,

(a) Informationen, die die Umsetzung dieser Verordnung erleichtern, der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem sie ihren Wohn- bzw. Geschäftssitz haben, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dieser Informationen zu übermitteln und

(b) mit der zuständigen Behörde bei der Überprüfung solcher Informationen zusammenzuarbeiten.

(1a) Für die Zwecke des Absatzes 1 umfasst die die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten auch die Kommunikation hinsichtlich Rechtsberatung durch andere zertifizierte Fachleute, die nach nationalem Recht befugt sind, ihre Mandanten in Gerichtsverfahren zu vertreten, sofern diese Rechtsberatung im Zusammenhang mit anhängigen oder künftigen Gerichtsverfahren erbracht wird. […]
Wo müssen die Hinweise gemeldet werden?
Betreffen diese Hinweise zu Sanktionsverstößen:
  • Güter und
  • güterbezogene Dienstleistungen,
sind diese dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA – Melderegister-Sanktionen@bafa.bund.de) zu melden.
Betreffen die Hinweise: 
  • Gelder,
  • Finanzmittel oder Finanzhilfen,
Verstöße gegen die oben aufgeführte Hinweispflicht stellen Ordnungswidrigkeiten nach § 19 Absatz 5 des Außenwirtschaftsgesetzes dar. Dies gilt auch für fahrlässige Verstöße gegen die Hinweispflicht.
Weitere Details zur Regelung finden Sie ab Punkt 58 der nachfolgenden FAQs der Russland-Sanktionen (BMWK).

2. No-Russia-Klausel in Verkaufsverträgen

Der in der zum 18. Dezember 2023 geänderten Verordnung (EU) 833/2014 neu erfasste Artikel 12g bedeutet für Ausführer bestimmter Güter, dass sie durch entsprechende Vertragsgestaltung mit dem Empfänger sicherstellen müssen, dass der Käufer die Güter nicht nach Russland weiterexportiert. Konkret sind Unternehmen somit verpflichtet, in ihren Verträgen eine Klausel aufzunehmen, die die Wiederausfuhr nach Russland und die Wiederausfuhr zur Verwendung in Russland vertraglich untersagt.
Auch hierdurch sollen Sanktionsumgehungen über Drittländer unterbunden werden. Das BMWK schreibt in seiner Pressemitteilung vom 23.12.2023 diesbezüglich: „Handelsdaten deuten darauf hin, dass sanktionierte Güter aus der EU über Transitländer nach Russland exportiert werden. Die Wirksamkeit der Sanktionen hängt davon ab, solchen Sanktionsumgehungen effektiv entgegenzuwirken.“
Auszug aus VO (EU) 833/2014:

Artikel 12g

(1) Beim Verkauf, der Lieferung, der Verbringung oder der Ausfuhr von Gütern oder Technologien, die

- in den Anhängen XI, XX und XXXV der vorliegenden Verordnung aufgeführt sind,
- von gemeinsamen Gütern mit hoher Priorität gemäß der Liste in Anhang XL der vorliegenden Verordnung oder
- von Feuerwaffen und Munition gemäß der Liste in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 258/2012

in ein Drittland — mit Ausnahme der in Anhang VIII der vorliegenden Verordnung aufgeführten Partnerländer - müssen die Ausführer ab dem 20. März 2024 die Wiederausfuhr nach Russland und die Wiederausfuhr zur Verwendung in Russland vertraglich untersagen.

(2) Absatz 1 gilt nicht für die Erfüllung von Verträgen vor dem 19. Dezember 2023 bis zum 20. Dezember 2024 oder bis zu ihrem Ablaufdatum, je nachdem, welcher Zeitpunkt früher liegt.

(3) In Anwendung von Absatz 1 stellen die Ausführer sicher, dass die Vereinbarung mit dem Partner aus einem Drittland für den Fall eines Verstoßes gegen eine gemäß Absatz 1 geschlossene vertragliche Verpflichtung angemessene Abhilfemaßnahmen enthält.

(4) Verstößt der Partner aus dem Drittland gegen eine der gemäß Absatz 1 eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen, so unterrichten die Ausführer die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem sie ihren Wohnsitz haben oder niedergelassen sind, sobald ihnen der Verstoß bekannt wurde.

(5) Die Mitgliedstaaten unterrichten einander und die Kommission über einen festgestellten Verstoß gegen eine gemäß Absatz 1 eingegangene vertragliche Verpflichtung oder über eine festgestellte Umgehung einer solchen Verpflichtung.
Wirksame Klauseln müssen derzeit beim Verkauf von folgenden Gütern und Technologien aufgenommen werden:
  1. Güter und Technologien der Anhänge XI, XX, XXXV der Verordnung 833/2014
  2. Gemeinsame Güter mit hoher Priorität gemäß der Liste in Anhang XL der Verordnung 833/2014
  3. Feuerwaffen und Munition gemäß der Liste in Anhang I der EU-Verordnung 258/201.
Diese Klauseln sind nicht notwendig, sofern der Verkauf in eines der in Anhang VIII der Verordnung 833/2014 aufgeführten Partnerländer erfolgt. Stand heute sind dies:
  • USA
  • Japan
  • Vereinigtes Königreich/Großbritannien
  • Südkorea
  • Australien
  • Kanada
  • Neuseeland
  • Norwegen
  • Schweiz
Die vertragliche Vereinbarung muss für den Fall eines Verstoßes „angemessene“ Abhilfemaßnahmen enthalten, die noch nicht näher spezifiziert sind.
Die EU-Kommission hat eine Musterklausel/Vorlage veröffentlicht, um Unternehmen die Vertragsanpassung zu erleichtern.
Die vollständigen FAQs inklusive der englischen Musterklausel (Punkt 6) finden Sie auf den Seiten der EU-Kommission unter Frequently asked questions concerning the “No re-export to Russia” clause.

3. Hinweispapier zur Vermeidung von Sanktionsumgehungen

Das BMWK hat mit der Pressemitteilung vom 23.12.2023 zur Vermeidung von Sanktionsumgehungen ein Hinweispapier / Informationspapier zur Unterstützung von Unternehmen veröffentlicht.
Der Risikoleitfaden soll Unternehmen dabei helfen, sich rechtskonform zu verhalten. Das ist aktuell besonders schwierig, denn die Handelsgeschäfte mit sanktionierten Staaten u.a. Russland sind mit Verboten und Beschränkungen oder besonderen Genehmigungspflichten verbunden. Für ihre Handelsgeschäfte zum Beispiel mit Russland müssen die Unternehmen in eigener Verantwortung beurteilen, ob das Geschäft den Sanktionen zuwiderläuft. Das kann die Handelsware betreffen oder die Geschäftspartner und Zwischenhändler. Dafür müssen die Verantwortlichen alle ihnen zur Verfügung stehenden Informationen ausschöpfen.
Dabei hilft das „Hinweispapier zur Unterstützung der Unternehmen beim Umgang mit warenverkehrsbezogenen Sanktionen“. Der Leitfaden enthält Kontrollfragen und risikobezogene Hinweise.
Grundsätzlich sei hier erwähnt: In allen Russland-Sanktionsverordnungen steht, dass die Verantwortlichen in den Unternehmen haftbar gemacht werden können. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sie wussten oder vernünftigen Grund zu der Annahme hatten, dass das eigene Handeln gegen die Sanktionen verstößt. Was das konkret bedeutet und mit welchen Maßnahmen die Unternehmen ihrer Sorgfaltspflicht entsprechen, beantwortet der Risikoleitfaden.

Quellen: BMW, Verordnungen, zoll.de, IHK und DIHK
Stand 22.02.2024