Überblick zu Sanktionen im Russland-Ukraine-Konflikt und notwendige Prüfschritte im Rahmen der Exportkontrolle

Seit März 2014 wurden von der EU schrittweise Sanktionen gegen Russland verhängt. Zuerst aufgrund der rechtswidrigen Annexion der Krim, später aufgrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. In diesem Artikel finden Sie einen kurzen Überblick zu den bisher erlassenen Sanktionen und hilfreiche Links zu dem Thema.
Das 11. Sanktionspaket der EU gegenüber Russland (Verordnung (EU) 2023/1214) ist seit dem 24. Juni 2023 in Kraft und umfasst im Wesentlichen folgende Punkte:
  • Stärkung der bilateralen und multilateralen Zusammenarbeit mit Drittländern zur Verhinderung der Umgehung von Sanktionen
  • Ausweitung des Durchfuhrverbots auf bestimmte sensible Güter (z. B. fortgeschrittene Technologien, Luftfahrtgüter)
  • Ausweitung der Ausfuhrbeschränkungen, Erweiterung der Güterlisten (Anhang VII und Anhang XXIII)
  • Ausweitung des Beförderungsverbots von Gütern durch die EU auf in Russland zugelassene Anhänger und Sattelanhänger
  • Einführung einer Nachweispflicht über den Ursprung von Vormaterialien bestimmter Eisen- und Stahlprodukte bei Einfuhr ab 30. September (Anhang XVII)
  • Sanktionen gegen weitere Personen und Organisationen

1. Sanktionsmaßnahmen im Überblick

1.1 Russland

Seit 2014 hat die EU gegenüber Russland aufgrund der Ukraine-Krise diverse Sanktionen beschlossen (siehe auch Russland-Embargo-Verordnung (EU) 833/2014 ). Neben Sanktionen gegenüber Personen und Organisationen sowie bestimmter Medien wurden auch zahlreiche Wirtschaftssanktionen erlassen. Diese betreffen den Finanzsektor, den Energie-, Verkehrs- und Verteidigungssektor sowie den Handel und Dienstleistungen. Nachfolgend werden die Sanktionen der einzelnen Bereiche näher ausgeführt.
Sanktionen des Finanzsektors:
  • SWIFT-Ausschluss von zehn russischen Banken
  • Beschränkungen des Zugangs Russlands zu den Kapital- und Finanzmärkten der EU
  • Verbot von Transaktionen mit der russischen Zentralbank
  • Verbot der Lieferung von Euro-Banknoten an Russland
  • Verbot der Bereitstellung von Krypto-Wallets an russische Staatsangehörige
Sanktionen des Energiesektors:
  • Einfuhrverbot für Öl und Kohle aus Russland
  • Preisobergrenze für die Beförderung von russischem Öl auf dem Seeweg
  • Verbot der Ausfuhr nach Russland von Gütern und Technologien für die Erdölraffination
  • Verbot neuer Investitionen in den russischen Energiesektor und den russischen Bergbau
Sanktionen des Verkehrssektors:
  • Schließung des EU-Luftraums für russische Flugzeuge
  • Embargo gegen russische Kraftverkehrsunternehmen
  • Verbot von in Russland zugelassenen Anhängern und Sattelanhängern
  • Schließung der EU-Häfen für russische Schiffe
  • Verbot der Beförderung von russischem Öl auf dem Seeweg in Drittländer
  • kein Zugang zu Häfen und Schleusen in der EU für Schiffe, die an Umladungen zwischen Schiffen beteiligt sind (wenn der Verdacht besteht, dass damit gegen die Sanktionen verstoßen wird)
  • Verbot der Ausfuhr von Gütern und Technologien nach Russland in den Bereichen Luftfahrt, Seeverkehr und Raumfahrt
Sanktionen des Verteidigungssektors mit dem Verbot der Lieferung von:
  • Dual-Use-Gütern und Militärtechnologie
  • Halbleitermaterialien
  • Bauelementen der Elektronik und optischen Komponenten
  • Navigationsinstrumenten
  • Motoren für Drohnen
  • Waffen und zivilen Feuerwaffen sowie Teilen davon
  • Munition, Militärfahrzeugen und paramilitärischer Ausrüstung
  • anderen Gütern, die die russischen Industriekapazitäten stärken könnten
Sanktionen im Bereich Handel:
  • Verbot der Ausfuhr von Luxusgütern nach Russland
  • Verbot der Einfuhr aus Russland von:
    • Stahl, Eisen, Zement und Asphalt
    • Holz, Papier, synthetischem Kautschuk und Kunststoffen
    • Meeresfrüchten, alkoholischen Getränken, Zigaretten und Kosmetika
Sanktionen im Bereich Dienstleistungen mit dem Verbot der Bereitstellung von:
  • Dienstleistungen im Zusammenhang mit Krypto-Wallets, Krypto-Konten oder der Krypto-Verwahrung
  • Dienstleistungen in den Bereichen Architektur und Ingenieurwesen
  • Dienstleistungen im Rahmen der IT-Beratung und Rechtsberatung
  • Dienstleistungen für Werbung, Markt- und Meinungsforschung
  • technischer Hilfe, Vermittlungsdiensten, Finanzmitteln oder Finanzhilfe (im Zusammenhang mit der Beförderung von russischem Öl auf dem Seeweg)
  • Rechten des geistigen Eigentums oder Geschäftsgeheimnissen (im Zusammenhang mit Gütern und Technologien, die unter andere Sanktionen fallen)

1.2 Belarus

Auch Belarus wurde aufgrund der Russland-Ukraine-Krise verstärkt mit Sanktionen (Verordnung (EG) 765/2006) belegt:
  • SWIFT-Ausschluss von fünf belarussischen Banken
  • Sanktionen gegen Personen und Organisationen
  • Verbot des Straßengütertransports in der EU für in Belarus registrierte Speditionen
  • Einfuhrbeschränkungen von Waren in die EU (bspw. Tabakerzeugnisse, mineralische Brennstoffe, Düngemittel, Holzerzeugnisse, Zement-, Kautschuk-, Eisen- und Stahlprodukte)
  • Ausfuhrverbote (bspw. für Maschinen und Anlagen, hochtechnisierte Produkte, Rüstungsgüter und damit verbundene Dienstleistungen)

1.3 Donezk und Luhansk

Für die sogenannten „Volksrepubliken Donezk und Luhansk“ wurden von der EU ebenfalls Sanktionsmaßnahmen beschlossenen (Verordnung (EU) 2014/269):
  • Sanktionen gegen Personen und Organisationen
  • Beschränkung des Zugangs zum Finanz- und Kapitalmarkt der EU
  • Einschränkung bzw. Verbot des Handels und der Bereitstellung von Finanzmitteln
  • Verbot von Dienstleistungen in den Bereichen Verkehr, Energie, Telekommunikation, Prospektion, Exploration und Förderung von Öl-, Gas- und Mineralressourcen sowie im Bereich Tourismus
Eine Übersicht der einzelnen Sanktionspakete in chronologischer Reihenfolge findet sich auf den Seiten des Europäischen Rates unter Zeitleiste restriktive Maßnahmen.

2. Grundsätzliche Prüfschritte für den Export

Zunächst sollten folgende Punkte geklärt werden:
  • Ist der Geschäftspartner von den Sanktionen erfasst?
    Hilfreich dafür sind die Finanzsanktionsliste der EU, die EU Sanctions Map und die SDN-Liste der USA.
  • Können noch Zahlungen getätigt werden / kommen diese noch an?
    Sowohl der Ausschluss russischer Banken aus dem SWIFT-System als auch die russischen Verbote von Devisentransfers erschweren dies deutlich. Hierzu kann die kontoführende Bank genauere Auskünfte geben.
  • Ist ein Transport möglich?
    Insbesondere nachdem russische und belarussische Speditionen Güter in der EU nicht mehr befördern dürfen.

2.1 Prüfschema für Güterlieferungen nach Russland

Nachfolgend geben wir eine unverbindliche Übersicht der Prüferfordernisse für Güterlieferungen nach Russland. Der Güterbegriff umfasst grundsätzlich Waren, Software und Technologie. Rechtsgrundlage ist die Embargoverordnung (EU) 833/2014, die seit Februar 2022 durch mehrere Änderungsverordnungen ergänzt worden ist. Es bietet sich an, mithilfe der konsolidierten Fassung der Verordnung zu prüfen. Bitte beachten Sie, dass das 11. Sanktionspaket vom 23. Juni 2023 (Verordnung (EU) 2023/1214) noch nicht integriert ist.
Das Prüfschema Güterlieferungen nach Russland (Stand 28.02.2023) bildet die einzelnen Prüfschritte grafisch dar.
  • Empfänger vom Embargo erfasst (Finanzsanktionsliste): Verbot
  • Rüstungsgüter (Teil 1A Ausfuhrliste): Verbot
  • Gelistete Dual-Use-Güter (Anhang 1 EU-Dual-Use-VO): grundsätzliches Verbot mit wenigen Ausnahmen und Genehmigungstatbeständen
  • Spezielle Güter für die Erdölexploration und -förderung, Anhang II VO 833/2014: Verbot
  • High-Tech-Güter Anhang VII VO 833/2014: grundsätzliches Verbot, mit wenigen Ausnahmen und Genehmigungstatbeständen
  • Erdölraffination Anhang X: Verbot, in eng begrenzten Fällen Genehmigung möglich
  • Luft- und Raumfahrt Anhang XI (Kapitel 88 komplett sowie Güter, die im Luftfahrtsektor eingesetzt werden): Verbot
  • Seeschifffahrt Anhang XVI (Seenavigations- und Funkkommunikationstechnologie): Verbot 
  • Luxusgüter gemäß Anhang XVIII: Verbot
  • Flugturbinenkraftstoffe und Kraftstoffadditive Anhang XX: Verbot
  • Güterliste mit über 650 Positionen aus verschiedenen Segmenten Anhang XXIII: Verbot, mit wenigen Ausnahmen und Genehmigungstatbeständen
  • Catch-all: Genehmigungspflichten gemäß EU-Dual-Use Verordnung.
Ausgenommen sind bei dieser Übersicht Dienstleistungen, die grundlegende Frage der Zahlung sowie der Transport. Bei Lieferungen nach Russland sind bei Zollanmeldungen zusätzlich die neuen ATLAS-Unterlagencodierungen (Genehmigungscodierungen im Embargobereich ab S. 37)  anzuwenden. Aktualisierungen ohne Gesamtüberblick finden Sie unter ATLAS-Teilnehmerinformationen.
  • Der IHK-Artikel ATLAS: Codierungen und Embargos gibt Hinweise zur richtigen Anwendung der Codierungen.
  • Wichtig: Wenn die Ware von einem Verbot erfasst ist, gilt dies regelmäßig auch für Ersatzteillieferungen und technische Unterstützung.
  • Bei bestehenden Altverträgen die Einzelheiten der jeweiligen Ausnahmen prüfen. 

2.2 Generelle Aussetzung der Bundesdeckung (Exportkreditgarantien und Investitionsgarantien) für Russland

Als sanktionsähnliche Maßnahme hat die Bundesregierung die Bewilligung von Exportkreditgarantien für Exporte nach Russland und Investitionen (Investitionsgarantien) im Land bis auf weiteres ausgesetzt. Diese Aussetzung erstreckt grundsätzlich auf jedes Exportgeschäft oder Investition in Russland. Ob bereits bewilligte Bürgschaften davon betroffen sind, ist aktuell noch unklar. Unternehmen sollten sich direkt an die Mandatare des Bundes wenden, die mit der Umsetzung dieses Außenwirtschaftsförderinstruments beauftragt sind.
Für die Exportkreditgarantien verantwortlich ist die Euler Hermes Aktiengesellschaft (Ansprechpartner). Für die Investitionsgarantien die PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Ansprechpartner). Eine Zusammenstellung aller Informationen, Deckungspraxis, Ansprechpartner und Q&A‘s zum Deckungsstopp Russland und Belarus sind auf dem Webportal der Exportkreditgarantien (agaportal.de) zu finden.

3. Sanktionen USA gegenüber Russland und Belarus

Die USA haben als unmittelbare Reaktion auf die Anerkennung Russlands der „Donezker Volksrepublik (DNR)“ und der „Lugansker Volksrepublik (LNR)“ am 22. Februar 2022 mit einer Executive Order (EO) den Geltungsbereich der EOs 13660, 13661, 13662, 13685, 13849 auf die LNR und DNR ausgeweitet und Embargomaßnahmen mit extraterritorialer Wirkung gegen diese Gebiete verhängt. Ausnahmen gelten entsprechend der General Licences 17 bis 22.
Des Weiteren haben die Amerikaner mit umfangreichen Bankenlistungen sowie Listungen russischer Personen, Organisationen und Unternehmen reagiert. Mit Wirkung vom 25.02.2022 sind auch Putin und weitere hochrangige Mitglieder der russischen Regierung gelistet. Je nach Betroffenheit mit dem US-Recht sollten Unternehmen die entsprechenden US-Sanktionslisten fortlaufend und regelmäßig prüfen.
Neue güterbezogene Exportkontrollen für Russland:
1. Alle durch die Commerce Control List (CCL) kontrollierten Güter der Kategorien 0-9 (NEU: Verschärfung seit dem 08.04. Kategorien 0-2) sind künftig für Russland genehmigungspflichtig und bedürfen einer Lizenz (§746.8 (a)(1) (Russia sanctions). Ausgenommen sind sog. “deemed exports/reexports”. Dies hat ggf. Auswirkungen auf die sog. De-Minimis Kalkulation. Da nun alle Waren der ECCN-Kategorien 0-9 für den Export nach Russland “kontrolliert” sind – und damit auch alle ECCNs mit dem “reason for control” Anti Terrorism – müssen diese in der De-Minimis Kalkulation berücksichtigt werden. Da Russland zudem der Ländergruppe D:5 hinzugefügt wurde (Suppl. 1 to Part 740 EAR), gilt für einige US-Komponenten eine De-Minimis Schwelle von 0%. Dies gilt u.a. für 9x515 (Spacecraft related items), die “600 series” (vormals ITAR gelistet).
2. Es wurden zwei neue Foreign Direct Product Rules für Russland implementiert.
Russia Foreign Direct Product Rule §734.9 (f):
Die Regel sieht vor, dass im Ausland gefertigte Güter, die auf US-Technologien der ECCN-Kategorien 0-9 basieren bzw. Güter, die auf Anlagen gefertigt werden, die ihrerseits das Produkt der genannten US-Technologien sind und das Endprodukt auf der CCL gelistet ist, einem Exportverbot nach Russland unterliegen.
Russia-MEU Foreign Direct Product Rule §734.9 (g):
Die Regel sieht vor, dass im Ausland gefertigte Güter, die auf gelisteten US-Technologien basieren (alle ECCN-Kategorien!) bzw. Güter, die auf Anlagen gefertigt werden, die ihrerseits das Produkt von gelisteten US-Technologien (alle ECCN-Kategorien!) sind, nicht an Entity-gelistete Endempfänger mit dem Zusatzeintrag “Footnote 3” (siehe oben) geliefert werden dürfen. Dies gilt auch, wenn das Endprodukt EAR99 klassifiziert ist.
Ein genauer Blick lohnt jedoch: siehe §746.8 (a)(4)Countries excluded from Certain Russia License Requirements under Section 746.8. Das bedeutet, dass u.a. neben Australien, Neuseeland und Großbritannien die Staaten der Europäischen Union in Teilen von den oben genannten Regelungen bzw. Genehmigungspflichten ausgenommen sind, da die genannten Länder ähnlich strikte Exportverbote für Dual-Use Güter implementiert haben (Supplement No. 3 to Part 746). Diese Ausnahme gilt insofern als das foreign-made item, wenn es nach den oben beschriebenen Regeln “subject to the EAR” ist, direkt aus den genannten Ländern nach Russland geliefert wird.
Achtung: Bisher mögliche Lizenzausnahmen für genehmigungspflichtige Exporte und Reexporte nach Russland und Belarus sowie Transfers (in-country) sind ggf. nicht mehr anwendbar bzw. wurden massiv eingeschränkt. Alle Anträge auf Ausfuhrgenehmigung werden nach Maßgabe einer policy of denial geprüft. Es ist demnach von einer Ablehnung und damit faktisch einem Lieferverbot auszugehen.
Es gab umfangreiche Neulistungen auf der Entity List (fortlaufend!), darunter viele ehemals auf der Military End User Liste gelistete Empfänger – dadurch sind für diese Empfänger fortan alle Exporte, Reexporte und Transfers von Gütern “subject to the EAR” genehmigungspflichtig.
Es gilt eine Genehmigungspflicht für alle Güter “subject to the EAR”, wenn Kenntnis einer militärischen Endverwendung bzw. eines militärischen Endverwenders vorliegt.
Es besteht zudem eine Genehmigungspflicht für die Lieferung von Gütern “subject to the EAR” gelistet in Suppl. 4 to Part 746 EAR für den Erdöl- und Erdgassektor in Russland – Expansion of Sanctions Against the Russian Industry Sector Under the EAR.
Es besteht eine Genehmigungspflicht für die Lieferung bestimmter Luxusgüter nach Russland und Belarus (§746.10 (a)(2) & Suppl. 5 to Part 746 EAR) bzw. an seitens des OFAC gelistete russische/belarussische Oligarchen weltweit.
Das Bureau of Industry and Security hat eine Country Guidance Russia-Belarus erstellt. Die güterbezogenen Exportkontrollen finden auch auf Belarus Anwendung.
3. Antworten auf häufig gestellte Fragen und weitere Informationen finden Sie auf den folgenden Seiten:
Quellen:
Stand 22.08.2023