Regionale Wirtschaft sagt Bürokratie den Kampf an

Region Bodensee-Oberschwaben:
Mit der regionalen Konjunktur und anderen Wirtschaftsthemen beschäftigten sich die Mitglieder der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK) in ihrer Wintersitzung im Dezember in Weingarten.
Bürokratie, Fachkräfte und Energie seien seit vielen Jahren immer wieder Themen in den Medien, in politischen Gesprächen oder bei Wirtschaftsveranstaltungen, sagte IHK-Präsident Martin Buck in seiner Begrüßung. Enttäuschung und Resignation, dass sich viel zu wenig bewege, machten sich breit. „Unternehmen dürfen nicht überreguliert werden, sondern brauchen Freiraum für Innovationen“, betonte Buck. Der IHK-Präsident berichtete in diesem Zusammenhang von intensiven Gesprächen auf verschiedenen politischen Ebenen. Ein geschlossenes strukturiertes Vorgehen als IHK-Organisation in Sachen Bürokratieabbau und Verbesserung von Standortbedingungen sei unabdingbar, so Buck. Bürokratie allein habe noch nie Wohlstand geschaffen. Die Vollversammlungsmitglieder befürworteten eine Mitwirkung der IHK Bodensee-Oberschwaben an der IHK-übergreifenden Kampagne und erteilten der Resolution „GemeinsamBesseresSchaffen“ ihre Zustimmung.
Schwerpunktthema regionale Konjunktur
Nicht viel Gutes zu berichten hatte Bettina Wolf vom IHK-Geschäftsbereich Unternehmensförderung und Regionalentwicklung. Die Konjunkturlage in der Region befinde sich erneut in einer Phase der Abkühlung und des Abschwungs, die Stimmung bei den Unternehmen sei schlecht, die Erwartungen seien im Keller. Der im Frühjahr erhoffte konjunkturelle Erfolg sei ausgeblieben. „Aus der Angebotskrise ist eine Nachfragekrise geworden“, so Wolf. Nach einer Verknappung des Angebots etwa durch Lieferkettenengpässe fehle jetzt die Nachfrage, sowohl aus dem Inland als auch aus dem Ausland. Nach Ansicht der Unternehmen wirke sich zudem die Energiewende negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit aus, was sich im IHK-Energiewendebarometer widerspiegle. Die Kapazitäten der Unternehmen für Investitionen in Standorterweiterungen und Beschäftigte gingen deutlich zurück. Erstmals zeigten sich auch deutlich sinkende Beschäftigungsabsichten. Umgekehrt sähen die Unternehmen den Fach- und Arbeitskräftemangel in der Region noch immer als größtes Geschäftsrisiko, gefolgt von den weiterhin hohen Energiepreisen. Vorrangige Investitionsmotive seien weiterhin Digitalisierung, Umwelt- und Energieeffizienzmaßnahmen, Expansion, Ersatzbedarf, Rationalisierung und Innovation. Dabei seien Investitionen in Innovationen in den vergangenen Jahren sukzessive rückläufig gewesen, auch aufgrund steigender Investitionen in Energieeffizienz. Dies könne schlimmstenfalls die langfristige Zukunftsfähigkeit der regionalen Wirtschaft aushöhlen. Besorgniserregend sei auch, dass Unternehmen vermehrt wichtige Investitionen an Standorte außerhalb der Region verlagerten. Hier drohe eine schleichende Abwanderung.
Mit Blick in die einzelnen Branchen berichtete die IHK-Expertin von einer schlechten Stimmung in der Industrie, da der Auftragseingang eingebrochen sei und Exporte als Stütze ausfielen. In der Baubranche führten hohe Zinsen und Inflation zu einer anhaltenden Flaute bei den Aufträgen, insbesondere im Wohnungsbau. Das Hotel- und Gaststättengewerbe habe eine recht gute Sommersaison erlebt, das Niveau von vor Corona sei allerdings noch nicht erreicht worden. Den ab Januar in der Gastronomie wieder geltenden höheren Mehrwertsteuersatz erlebten viele Unternehmen als kritisch und teilweise existenzgefährdend. Im Kreditgewerbe sei die Kreditnachfrage zurückgegangen, die Risikovorsorge sei gestiegen. Die Branche leide zudem unter hohen bürokratischen Lasten. Im Einzelhandel drücke die Inflation den Umsatz, das Kaufverhalten sei gesunken, so Bettina Wolf weiter. Vor Weihnachten sei die Kauflaune aber zurückgekehrt. „Die Erwartungen gehen im Keller nach oben.“ Als Risiken würden die derzeitigen Unsicherheiten im Bundeshaushalt bewertet. Wolf verwies abschließend auf einen neuen Service: Unter www.konjunkturboard-bw.de sind aktuelle Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfragen nach Region und Branchen kostenlos abrufbar.
Dass sich die weiterhin im Abschwung befindliche Konjunktur auch auf die Unternehmen aus der Region auswirkt, zeigten die Erfahrungsberichte von regionalen Unternehmern. Übereinstimmend war die Aussage, dass auch das kommende Jahr große Herausforderungen bringe und Prognosen für die nahe, mittlere und fernere Zukunft derzeit nur schwierig zu treffen seien. Die Lage sei dabei deutlich schlechter als noch im Vorjahr. Insbesondere bei bürokratischen Regelungen, die den unternehmerischen Spielraum zunehmend einengten und deren Erfüllung teilweise als klar überfordernd wahrgenommen wird, herrschte quer durch alle Branchen ein breiter Konsens, dass diese dringend zu reduzieren seien.
Ein weiterer Warnruf erklang aus Richtung des Bankengewerbes. Unternehmen litten demnach zunehmend unter den erhöhten Zinsen der EZB, die die Banken weiterreichen müssten. Dies führe zu einer zusätzlich erschwerten Finanzierung der ohnehin schon vielfach belasteten Unternehmen. Dies bestätigte die Baubranche, die bereits von einem starken Auftragseinbruch berichtete.
Die Kampagne der IHK-Organisation zum Bürokratieabbau
Die IHK-Organisation habe sich den Bürokratieabbau deutlicher auf die Fahnen geschrieben als je zuvor, kündigte IHK-Hauptgeschäftsführer Sönke Voss im Zuge der Sitzung an. Man arbeite bereits seit mehreren Jahrzehnten beharrlich und konstruktiv an der Reduzierung von Belastungen für Unternehmen aus diesem Bereich, das Maß sei aber inzwischen „übervoll“. Er lobte zugleich, dass die Politik das Thema inzwischen erkannt habe und in der gesamten Breite des Parteienspektrums thematisiere. Dies sei gelungen, indem man frühzeitig auf Probleme hingewiesen habe. Er verspricht: „Kein Problem bleibt ungehört und wir werden nicht aufhören, den Finger weiter in die Wunde zu legen.“
Weitere Beschlüsse der Vollversammlung
Neben der Resolution zur IHK-übergreifenden Bürokratieabbau-Kampagne beschloss die IHK-Vollversammlung die IHK-Positionen zur Kommunalwahl 2024 als weitere Grundlage für die politische Arbeit der IHK Bodensee-Oberschwaben – mit der Zielsetzung eines effektiven Informationsaustausches zwischen Wirtschaft und Kommunalpolitik. Geplant sind persönliche Gespräche mit regionalen Unternehmen und den neu gewählten Kommunalvertretern. Auch der Feststellung der geprüften Jahresrechnung 2022 und der Verabschiedung des Wirtschafts- und Finanzplanes sowie der Wirtschaftsplanung 2024 erteilten die Vollversammlungsmitglieder ihre Zustimmung. Die gute Nachricht für die Unternehmen: Der Umlagehebesatz für die IHK-Beiträge sinkt von 0,21 auf 0,19 Prozent.
Meldung unnötiger bürokratischer Belastungen
Die 79 deutschen Industrie- und Handelskammern vertreten die Interessen der Unternehmen aus Industrie, Handel und Gewerbe gegenüber der Politik. Ein zentraler Pfeiler der IHK-Tätigkeit in diesem Bereich ist dabei der Abbau von Bürokratie und das Schaffen einer neuen, besseren Regulierung. Von Bürokratie belastete Unternehmen haben jederzeit die Möglichkeit, ihre konkreten Problemstellungen unkompliziert über das Internet an die IHK Bodensee-Oberschwaben zu melden: Gemeinsam Bürokratieabbau schaffen.
Medieninformation Nr. 120/2023