Inverkehrbringen und Verwenden von Bauprodukten

Für das Inverkehrbringen, Vertreiben oder Verwenden von Bauprodukten gelten wie für jedes andere Produkt zahlreiche Gesetze, Verordnungen und Richtlinien. Entsprechende Basisinformationen rund um die Entwicklung neuer Produkte aller Art finden Sie in unserem Leitfaden Produktentwicklung. Die wichtigsten Grundlagen rund um das CE-Zeichen haben wir im Leitfaden CE-Kennzeichnung zusammengefasst.
Der folgende Artikel bezieht sich ohne Anspruch auf Vollständigkeit ausschließlich auf Bauprodukte. Verstehen und nutzen Sie diesen als vereinfachte informative Auflistung häufig bei der IHK Bodensee-Oberschwaben angefragter Anlaufstellen, Informationsquellen oder Szenarien. Greifen Sie für Ihr konkretes Anliegen unbedingt auf die vertiefenden Informationen und Beratungsangebote der aufgeführten Anlaufstellen beziehungsweise entsprechender Dienstleister zurück.
Am 18. Dezember 2024 wurde im Amtsblatt der EU die neue Bauprodukteverordnung (EU) 2024/3110 veröffentlicht. Diese Verordnung, die am 7. Januar in Kraft getreten ist und ab Januar 2026 umgesetzt werden muss, legt harmonisierte Vorschriften für die Vermarktung von Bauprodukten fest und ersetzt die vorherige Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Wesentliche Neuerungen

Erweiterter Anwendungsbereich
Die Verordnung gilt für Bauprodukte, gebrauchte Produkte und Bauelemente, die:
  • In der EU in Verkehr gebracht oder bereitgestellt werden
  • Dauerhaft in Bauwerke eingebaut werden
  • Einer harmonisierten technischen Spezifikation oder EU-weiten Konformitätsbewertung unterliegen
Neu hinzugekommen sind:
  • Gebrauchte, reparierte und wiederaufbereitete Bauprodukte
  • Maßgeschneiderte und vor Ort hergestellte Bauprodukte, sofern sie bestimmten technischen Spezifikationen entsprechen
  • Digitale Komponenten und Software, die die Leistung von Bauprodukten beeinflussen (wie zum Beispiel smarte Fenster, Heizungssteuerungen).
  • Mit 3D-Druck gefertigte Bauprodukte

Erweiterte Anforderungen

Bauprodukte müssen zukünftig zusätzlich zu mechanischen, technischen und sicherheitsrelevanten Anforderungen auch folgende Kriterien erfüllen:
  • Nachhaltigkeits- und Umweltkriterien (zum Beispiel CO₂-Fußabdruck, Recyclingfähigkeit)
  • Digitale Nachverfolgbarkeit über einen digitalen Produktpass
Neue Wirtschaftsakteure
Neben Herstellern, Importeuren und Händlern werden auch folgende Akteure in die Verantwortung genommen:
  • Fulfilment-Dienstleister und Online-Marktplätze, die Bauprodukte vertreiben
  • Akteure, die Vermittlungsdienste anbieten
  • Unternehmen, die Bauprodukte reparieren oder wiederaufarbeiten

Leistungs- und Konformitätserklärung

Hersteller sind verpflichtet, eine Leistungs- und Konformitätserklärung sowie eine CE-Kennzeichnung vorzunehmen, wenn ihr Bauprodukt einer harmonisierten technischen Spezifikation unterliegt. Die Erklärung muss die Leistung des Produkts in Bezug auf wesentliche Merkmale und die Umweltleistung während des gesamten Lebenszyklus umfassen. Die wesentlichen Umweltmerkmale sind in Anhang II der Verordnung aufgeführt. Die für die Berechnung erforderliche Software wird später auf der Website der Kommission kostenlos zur Verfügung gestellt.
Der Hersteller muss auf elektronischem Wege eine Abschrift der Leistungs- und Konformitätserklärung für jedes auf dem Markt bereitgestellte Produkt zur Verfügung stellen. Alternativ kann die Erklärung in einem digitalen Produktpass enthalten sein oder unter bestimmten Voraussetzungen auf einer Webseite bereitgestellt werden.

CE-Kennzeichnung

Eine Abweichung vom üblichen Verfahren gibt es auch bei der CE-Kennzeichnung. Hinter der CE-Kennzeichnung stehen die beiden letzten Ziffern des Jahres, in dem die CE-Kennzeichnung erstmals angebracht wurde. Bei gebrauchten Produkten stehen dort die beiden letzten Ziffern des Jahres, in dem das Produkt demontiert wurde, gefolgt von den letzten beiden Ziffern des Jahres, in dem die CE-Kennzeichnung an dem gebrauchten Produkt angebracht wurde.

Der digitale Produktpass: Transparenz und Nachhaltigkeit

Der digitale Produktpass soll umfassende Informationen zu Bauprodukten bereitstellen, darunter:
  • Herstellerangaben
  • Leistungs- und Konformitätserklärung
  • Produktinformationen, Gebrauchsanweisungen und Sicherheitshinweise
  • Technische Dokumentation
  • Eindeutige Produktkennungen
  • Aspekte des Umwelt- und Klimaschutzes und der Kreislaufwirtschaft über den gesamten Lebenszyklus des Produkts
Die konkrete Ausgestaltung des Produktpass-Systems wird voraussichtlich Ende 2026 in einem delegierten Rechtsakt geregelt. Die Implementierung wird schrittweise über mehrere Jahre erfolgen. Es ist wichtig zu beachten, dass viele Details zum digitalen Produktpass noch offen sind und in den kommenden Jahren weiter ausgearbeitet werden. Die Baubranche und relevante Behörden arbeiten gemeinsam an der Entwicklung und Standardisierung dieses neuen Instruments, um eine effektive und praxistaugliche Lösung zu schaffen.

Herstellung, Handel oder Verwendung

Analysieren Sie, in welcher der oben aufgeführten (oder weiteren) Rollen Sie sich befinden.
Hersteller: Als Hersteller, Quasi-Hersteller oder Inverkehrbringer von Bauprodukten müssen Sie insbesondere folgende Rechtsbereiche beachten:
  • Die Bauprodukteverordnung, welche das Inverkehrbringen von Bauprodukten regelt, für die eine europaweit harmonisierte Norm im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde.
  • Die jeweiligen Landesbauordnungen (basierend auf der Musterbauordnung), in welchen die Anforderungen an Bauprodukte definiert sind (Bereich Mustervorschriften auf der Website der ARGEBAU).
Händler:
  • Beispielsweise die Bauprodukteverordnung sieht auch Pflichten für Händler vor. So muss sichergestellt sein, dass die erforderliche Leistungs- und Konformitätserklärung zur Verfügung steht (Artikel 13, Muster Anhang V), zudem muss eine Nachvollziehbarkeit der Lieferkette sichergestellt werden. Diese und weitere Aspekte sollten im Rahmen der Aufnahme neuer Produkte in das Angebotsportfolio berücksichtigt werden.
  • Ebenso ist davon auszugehen, dass Kunden verwendbare Bauprodukte im Sinne der Landesbauordnung kaufen möchten. Entsprechend ist es sinnvoll, die Frage der Verwendbarkeit gemäß der Landesbauordnungen im Rahmen der Aufnahme neuer Produkte oder Lieferanten zu klären.
Verwender:
  • Beachten Sie bei der Planung, Bemessung und Konstruktion baulicher Anlagen neben der Eignung der verwendeten Bauprodukte insbesondere auch die technischen Baubestimmungen.
  • Im Rahmen der Produkt- und Lieferantenauswahl sollte die Klärung der Verwendbarkeit von Bauprodukten gemäß der Landesbauordnungen erfolgen.

Verwendbarkeit von Bauprodukten und Bauarten

Die einzelnen Anforderungen sind insbesondere in § 16 ff. der Musterbauordnung aufgeführt. In der Praxis ergeben sich häufig komplexe Grenzfälle, die (gegebenenfalls kostenpflichtig) in Zusammenarbeit mit den jeweils zuständigen Anlaufstellen behandelt werden sollten. In Kürze lassen sich die wichtigsten Begrifflichkeiten wie folgt zusammenfassen:
  • Bauprodukte, für die eine harmonisierte Norm im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde, müssen das CE-Zeichen tragen und es muss eine Leistungserklärung erstellt werden.
  • Gibt es beispielsweise keine Technische Baubestimmung und keine allgemein anerkannte Regel der Technik, ist ein Verwendbarkeitsnachweis wie zum Beispiel eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erforderlich.
  • Unsicherheiten kommen häufig bei der Abgrenzung von Produkten mit "untergeordneter" Bedeutung auf. In jedem Fall müssen diese sicher und gebrauchstauglich sein.

Identifikation relevanter Vorgaben für Bauprodukte

  • Prüfen Sie, ob für das geplante Produkt eine harmonisierte Leistungsnorm existiert und entsprechend eine CE-Kennzeichnung sowie eine Leistungs- und Konformitätserklärung erforderlich sind. Beachten Sie gegebenenfalls das vorgegebene Verfahren zur Überprüfung der Leistungsbeständigkeit sowie die in der Bauproduktenverordnung definierten Pflichten für Wirtschaftsakteure wie Hersteller, Importeure oder Händler.
  • Prüfen Sie, ob das Produkt in den technischen Baubestimmungen aufgeführt ist. Denken Sie bei der Recherche jeweils auch an alternative Begriffe sowie umschreibende Produkt- oder Materialgruppen.
  • Analysieren Sie insbesondere die anzuwendenden harmonisierten (EN) beziehungsweise nationalen (insbesondere DIN) Normen in Hinblick auf Anforderungen an die Produktgestaltung, Prüfverfahren, Dokumentationspflichten und weitere Vorgaben.
  • Recherchieren Sie weitere relevante Normen, zum Beispiel unter www.dinmedia.de. Dort können Sie Normen beziehen oder Normenauslegestellen in Ihrer Nähe finden.
  • Nehmen Sie bei Bedarf frühzeitig Kontakt zu aufgeführten oder zwingend vorgeschriebenen Anlaufstellen/Prüfstellen auf, um etwaige Anforderungen im Rahmen von Zulassungen und Prüfungen frühzeitig zu konkretisieren.
  • Wenn Sie Unterstützung bei der Recherche oder bei Prüfungen benötigen, finden Sie Dienstleister beispielsweise unter

Weiterführende Informationen

Einen schnellen Überblick über die wichtigsten Regelwerke sowie deren Zusammenspiel erhalten Sie durch Studium

Sonstige Hinweise

  • Denken Sie bei der Entwicklung innovativer Bauprodukte stets an die Möglichkeit, Fördermittel zu beantragen. Insbesondere für kleinere Entwicklungsprojekte eignen sich sehr gut die Innovationsgutscheine des Landes Baden-Württemberg zur teilweisen Abdeckung der Kosten externer FuE-Dienstleister.
  • Beachten Sie bei jeglicher Neuentwicklung auch die Hinweise in unserem Leitfaden Produktentwicklung, insbesondere Recherchen zu bereits vorhandenen Patenten oder die Möglichkeit der Anmeldung eigener technischer Schutzrechte.
Beachten Sie, dass dieser Kurz-Leitfaden lediglich einen Teil der Basisinformationen rund um das Inverkehrbringen und die Verwendung von Bauprodukten enthält. Je nach Produktart greifen Sonderregelungen der genannten Regelwerke und es können zahlreiche weitere Gesetze, Richtlinien, Verordnungen und Normen sowie Branchenstandards von Relevanz sein.
Für Fragen steht der aufgeführte Ansprechpartner der IHK Bodensee-Oberschwaben gerne jederzeit zur Verfügung.