DIHK-Umfrage: Auswirkungen des EuGH-Urteils zu Kundenanlagen

Ende 2024 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) einen wichtigen Teil der deutschen Energienetz-Systematik infrage gestellt: Dem Urteil zufolge verstößt die Ausgestaltung der "Kundenanlage" gegen EU-Recht. Auch der Bundesgerichtshof folgt in einem aktuellen Urteil der Auffassung des EuGH. Eine Kurzumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) beleuchtet die Betroffenheit der Betriebe.
Aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 28.11.2024 (C-293/23) ist die rechtssichere Weiterleitung von Energie und insbesondere Strom in Deutschland innerhalb eines Betriebsnetzes zukünftig ungewiss. Konkret geht es um den Begriff der Kundenanlagen nach § 3 Nr. 24a und 24b im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), welcher nicht mit dem europäischen Recht vereinbar sei.
  • 24a. Kundenanlagen
    Energieanlagen zur Abgabe von Energie,
    a) die sich auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet befinden oder bei der durch eine Direktleitung nach Nummer 12 mit einer maximalen Leitungslänge von 5 000 Metern und einer Nennspannung von 10 bis einschließlich 40 Kilovolt Anlagen nach § 3 Nummer 1 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes angebunden sind,
    b) mit einem Energieversorgungsnetz oder mit einer Erzeugungsanlage verbunden sind,
    c) für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas unbedeutend sind und
    d) jedermann zum Zwecke der Belieferung der angeschlossenen Letztverbraucher im Wege der Durchleitung unabhängig von der Wahl des Energielieferanten diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden,
  • 24b. Kundenanlagen zur betrieblichen Eigenversorgung
    Energieanlagen zur Abgabe von Energie,
    a) die sich auf einem räumlich zusammengehörenden Betriebsgebiet befinden oder bei der durch eine Direktleitung nach Nummer 12 mit einer maximalen Leitungslänge von 5 000 Metern und einer Nennspannung von 10 bis einschließlich 40 Kilovolt Anlagen nach § 3 Nummer 1 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes angebunden sind,
    b) mit einem Energieversorgungsnetz oder mit einer Erzeugungsanlage verbunden sind,
    c) fast ausschließlich dem betriebsnotwendigen Transport von Energie innerhalb des eigenen Unternehmens oder zu verbundenen Unternehmen oder fast ausschließlich dem der Bestimmung des Betriebs geschuldeten Abtransport in ein Energieversorgungsnetz dienen und
    d) jedermann zum Zwecke der Belieferung der an sie angeschlossenen Letztverbraucher im Wege der Durchleitung unabhängig von der Wahl des Energielieferanten diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden,
Betroffen sind unzählige dezentrale Energieversorgungsanlagen in Deutschland: Industrie-, Betriebs- und Gewerbenetze, ebenso wie beispielsweise Stromnetze von Einzelhandelszentren, Bürogebäuden, Krankenhäusern oder Universitäten.
Vor diesem Hintergrund hat die DIHK im März bundesweit Unternehmen zum Thema befragt. Die Rückmeldungen aus den Betrieben zeigen, dass mehr als die Hälfte davon eine Kundenanlage betreibt – vielfach sogar, ohne es zu wissen.

BGH-Urteil zu Kundenanlagen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem Beschluss vom 13. Mai 2025 klargestellt, dass Leitungsanlagen, die der Weiterleitung von Elektrizität an – dafür bezahlende – Letztverbraucher dienen, nicht als Kundenanlagen gemäß §3 Nr.24a EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) einzustufen sind.
Vielmehr handelt es sich in diesen Fällen um Verteilernetze im Sinne von Art.2 Nr.28 der EU-Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie. Der Betreiber muss künftig die vollen regulatorischen Pflichten (z.B. Netzgebühren, dokumentarische Anforderungen etc.) erfüllen.
Das Urteil folgt damit der Vorgabe des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 28.11.2024 (C-293/23). Der BGH stellt in seiner Begründung vor allem darauf ab, dass die Kundenanlage die Belieferung angeschlossener Letztverbraucher diskriminierungsfrei unabhängig von der Wahl des Lieferanten und unentgeltlich ermöglich muss. Des Weiteren führt der BGH aus, dass er an der bisherigen Rechtsprechung zur Kundenanlage nicht festhält. Demnach musste eine solche bisher in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht unbedeutend für den Wettbewerb sein. Dieser Punkt ist nun für den BGH nicht ausschlaggebend. Vielmehr kann es sich nur um eine Kundenanlage handeln, wenn ein Netz nicht nach Artikel 2 EltRL 2019 bzw. Artikel 2 EltRL 2009 ein Verteilnetz ist. Es handelt sich demnach um ein Verteilnetz, wenn es "der Weiterleitung von Elektrizität mit Hoch-, Mittel- oder Niederspannung dient, die zum Verkauf an Großhändler und Endkunden bestimmt ist." Zusätzliche Kriterien dürfen die Mitgliedstaaten nicht heranziehen, so der BGH. Ausgenommen werden von den Verteilnetzpflichten können nur geschlossene Verteilnetze oder Bürgerenergiegemeinschaften.
Die Entscheidung kann weitreichende Auswirkungen auf Betreiber dezentraler Energieversorgungsstrukturen haben, insbesondere im Bereich von Quartierslösungen, Mieterstrommodellen und Campusnetzen, aber auch beispielsweise bei Industrieparks oder Einkaufszentren. Allerdings hat das Urteil zunächst nur direkte Auswirkungen auf den Einzelfall. Es besteht daher keine unmittelbare Gefahr für existierende Kundenanlagen. Allerdings wird der Gesetzgeber auf die Entscheidung reagieren und die Regelungen in den Paragrafen 3 Nr. 24 a und b EnWG voraussichtlich anpassen müssen. Es ist derzeit nicht absehbar, welche Arten von Kundenanlage künftig weiterhin möglich sein können und welche nicht. Zudem gibt es Möglichkeiten auf europäischer Ebene, das Urteil zu heilen.
(Quelle DIHK, IHK Freiburg)