IHK Berlin

Der Konjunkturfrühling fällt aus - wirtschaftliche Rahmenbedingungen als größtes Wachstumshindernis

Die Ergebnisse der repräsentativen Umfrage der Industrie- und Handelskammern von Berlin und Brandenburg unter knapp 3.000 Mitgliedsunternehmen aus dem Januar lassen wenig Zuversicht auf eine schnelle wirtschaftliche Erholung aufkommen. Demnach liegt der Konjunkturklima-Index* mit 101 Punkten nur einen Punkt über der Stagnationsschwelle und verharrt weiter am Rande des Abschwunges. Die Hauptstadtregion erlebt damit die längste konjunkturelle Schwächephase seit zwanzig Jahren. Die Risikoeinschätzungen der befragten Unternehmen zeigen, dass die konjunkturelle Krise mittlerweile von einer strukturellen Krise überlagert wird. Zwei von drei Unternehmen geben die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als Hindernis für Wachstum an. Der Fachkräftemangel, der in den vergangenen Jahren die Risikoliste anführte, liegt aktuell nur noch auf dem dritten Platz.
In beiden Bundesländern macht sich mittlerweile auch die deutschlandweite Schwäche der Industrie bemerkbar. Im Vergleich zum Herbst 2024 steigen die Werte für Brandenburg zwar leicht, allerdings nur von null auf zwei Punkte, in Berlin fallen sie dagegen von 29 auf 15 Punkte. Auch im Baugewerbe bleibt die aktuelle Lage angespannt, der Index liegt bei schwachen 18 Punkten (in Berlin (Herbst 2024: 41 Punkte) und 7 Punkten in Brandenburg (Herbst 2024: 17 Punkte). Handel und Gastgewerbe leiden in beiden Bundesländern vor allem unter der Konsum-Zurückhaltung der Verbraucherinnen und Verbraucher. Dagegen erweist sich das Dienstleistungsgewerbe erneut als konjunktureller Anker in der Region.
Große Hoffnung, dass sich die Lage bessert, haben die Unternehmen nicht. Seit mittlerweile neun Umfragen in Folge liegt der Erwartungsindikator im negativen Bereich. Gefragt nach den größten Geschäftsrisiken, nennen mehr als 60 Prozent der Berliner Unternehmen an erster Stelle die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, in Brandenburg sind es sogar 71 Prozent. Mit jeweils mehr als 50 Prozent gehören Arbeitskosten, Fachkräftemangel, Inlandsabsatz sowie Energie- und Rohstoffpreise zu den weiteren Top-Risiken.
Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin IHK Berlin: „Die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage sprechen eine deutliche Sprache: Die Lage ist trüb und die Aussichten sind es ebenfalls. Doch die Ergebnisse zeigen auch Wege aus der Krise auf, denn hemmende wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen sind nicht naturgegeben. So verschärfen beispielsweise Auflagen und Berichtspflichten, langsame Genehmigungsverfahren und zu wenige digitalisierte Prozesse in den Verwaltungen die derzeitige Wirtschaftslage. Dazu kommen die hohen Energiekosten und eine überholungsbedürftige Infrastruktur. Mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl und die nächste Bundesregierung ist die wesentliche Forderung der Berliner Wirtschaft deshalb, bürokratische Hürden nicht nur einfach abzubauen, sondern mit Schwung einzureißen.“
André Fritsche, Hauptgeschäftsführer IHK Cottbus: „Es ist keine Belebung der Wirtschaft in Sicht. Die Geschäftslage stagniert und die Erwartungen zeigen deutlich ins Minus. In Brandenburg erwarten 34 Prozent der Unternehmen schlechtere Geschäfte, in Berlin sind es 22 Prozent der Unternehmen. Es braucht einen großen Wurf der neuen Bundesregierung, wie sie schnell strukturelle Probleme auflösen und bessere Rahmenbedingungen für die Wirtschaft schaffen will. Schließlich hemmen die aktuellen Bedingungen zwei von drei Unternehmen in ihrer Wachstumsfähigkeit. Dabei werden Innovationen und Investitionen dringend gebraucht, um die Wirtschaftskraft aufrecht zu erhalten und zu stärken.“
Monique Zweig, Hauptgeschäftsführerin IHK Ostbrandenburg: „Wirtschaft braucht Mobilität – doch hier klemmt es gewaltig. 59 Prozent der Unternehmen in Berlin und Brandenburg fordern mehr Investitionen in den ÖPNV, 54 Prozent in den Schienenpersonenverkehr und über 40 Prozent in Bundesstraßen und Autobahnen. Klare Sache: Eine moderne Infrastruktur entscheidet über Wettbewerbsfähigkeit. Verlässliche Verkehrswege sichern Fachkräfte, stabilisieren Lieferketten und stärken den Standort. Jetzt gilt es, die Investitionsbremsen zu lösen und Engpässe gezielt zu verhindern.“
Torsten Stehr, Geschäftsführer Wirtschaft IHK Potsdam: „Die Investitionsbereitschaft der gewerblichen Wirtschaft bleibt zu schwach, um die Konjunktur anzukurbeln. Hohe Preise, gestiegene Zinsen und schlechte wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen führen dazu, dass fast 40 Prozent der Unternehmen in der Gesamtregion gar nicht investieren – vor der Corona-Pandemie war es nur ein Viertel. Das ist nachvollziehbar, denn ohne verlässliche Rahmenbedingungen setzen Unternehmen kein Kapital ein, um Standorte auszubauen, Innovationen voranzutreiben oder Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen. Das bremst nicht nur die Innovationskraft, sondern schwächt auch die Wettbewerbsfähigkeit. Daher ist die neue Politik gefordert, zügig eine Wachstumsstrategie zu entwickeln und umzusetzen – mit deutlich weniger Bürokratie, niedrigeren Steuern und gezielten Investitionsanreizen.“
v.l.n.r.: André Fritsche (IHK Cottbus), Manja Schreiner (IHK Berlin), Monique Zweig (IHK Ostbrandenburg), Torsten Stehr (IHK Potsdam).
Den vollständigen Konjunkturbericht finden Sie hier.

*Der Konjunkturklima-Index berechnet sich aus der aktuellen Geschäftslage und den Geschäftserwartungen der Unternehmen. Gefragt wurde zudem nach den Beschäftigungs- und Investitionsplänen sowie den Geschäftsrisiken.