IHK Berlin

IHK zum Bündnis für Ausbildung: Vorstellungen der Politik gehen an der Wirklichkeit vorbei

Die IHK Berlin sieht Teile der Eckpunkte zum Bündnis für Arbeit kritisch. Vor allem die Kopplung von 2.000 zusätzlich unterzeichneten Ausbildungsverträgen bis 31.8.2025 mit der Ausbildungsumlage verkenne die tatsächliche Lage auf dem Ausbildungsmarkt, kritisierte IHK-Präsident Sebastian Stietzel. Die Unternehmen können und wollen zwar mehr Ausbildungsangebote schaffen, haben aber keinen Einfluss darauf, ob Jugendliche die Angebote auch annehmen. Hier seien z.B. die Schulen und Jugendberufsagenturen in der Pflicht, sowohl die Ausbildungsreife als auch die Berufsorientierung und Vermittlung zu steigern. So können laut aktueller Ausbildungsumfrage der IHK 43 Prozent der Unternehmen ihre Ausbildungsplätze nicht oder nicht vollständig besetzen, fast 25 Prozent erhalten nicht eine einzige Bewerbung und 30 Prozent der Auszubildenden treten ihre Stelle nicht an.
Sebastian Stietzel, Präsident der IHK Berlin:
„Aktuell sind fast 15.000 freie Ausbildungsplätze auf ausbildung.berlin ausgeschrieben. Die Zahl belegt mehr als eindrücklich, dass die wahren Herausforderungen woanders liegen – und Zielvorgaben allein weder den Jugendlichen noch den suchenden Unternehmen helfen. Die Berufsorientierung während der Schulzeit muss besser werden, die Beratung von Jugendlichen auf Ausbildungsplatzsuche muss ausgebaut werden und es braucht neue Wege, um Jugendliche für Ausbildung zu begeistern. Die Berliner Wirtschaft ist gerne bereit, ihren Teil beizusteuern und unternimmt dafür bereits erhebliche Anstrengungen. Das Bündnis für Ausbildung kann nur funktionieren, wenn alle Beteiligten gemeinsam das Ziel verfolgen, mehr Jugendliche in Ausbildung zu bringen. Gelingt das, ist es ein großer gemeinsamer Erfolg - gelingt es nicht, muss allen klar sein, dass alle Beteiligten die Verantwortung tragen und nicht die Wirtschaft als einzelner Bündnispartner.“

Zu den Maßnahmen der Berliner Wirtschaft für eine Steigerung der Vertragszahlen gehört u.a. die 2022 gestartete Ausbildungsoffensive der Berliner Wirtschaft. Ziel ist es, die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen und mehr Jugendliche für eine duale Ausbildung zu gewinnen. Dazu gehören die Entsendung von Ausbildungsbotschaftern an Schulen sowie die aktuell laufende Praktikumswoche, um mehr Jugendlichen Einblicke in das Berufsleben zu ermöglichen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die gezielte Ansprache und Beratung von Unternehmen, um sie für Ausbildungsaktivitäten zu gewinnen. Auch der 2020 eröffnete Talente-Check Berlin, der Achtklässler bei der Berufsorientierung unterstützt, ist auf Initiative der IHK Berlin entstanden.
Im Folgenden die Ergebnisse der repräsentativen IHK-Ausbildungsumfrage, zu der im Rahmen einer bundesweiten DIHK-Befragung zur Aus- und Weiterbildung im Mai auch rund 250 Berliner Unternehmen befragt wurden.

Die Zahlen im Einzelnen:
  • 43 Prozent der Ausbildungsbetriebe konnten nicht alle Ausbildungsplätze besetzen.
    • Das bedeutet, dass durchschnittlich pro Unternehmen 2,5 Plätze nicht besetzt werden konnten.
    • Insbesondere die Industrie war von der Nichtbesetzung betroffen: Jedes 5. Unternehmen aus der Industrie (22 Prozent) konnte nicht alle Plätze besetzen. Gefolgt vom Gastgewerbe, hier konnten 18 Prozent und im Handel konnten 17 Prozent der befragten Unternehmen nicht alle Plätze besetzen. 
    • Die Nichtbesetzung der Ausbildungsplätze ist dramatisch. Durch bessere Berufsorientierung und Matching hätten noch deutlich mehr Ausbildungsverhältnisse geschlossen werden können.
    • Die Bewerbungssituation hat sich deutlich verschärft: Im Ausbildungsjahr 2017 haben 17 Prozent der befragten Unternehmen angegeben, dass sie keine Bewerbungen erhalten haben. Diese Zahl hat sich mit 28 Prozent gegenüber dem Ausbildungsjahr 2017 um 11 Prozent erhöht. 
  • Keine Bewerbungen und keine geeigneten Bewerbungen sind die häufigsten Gründe der Nichtbesetzung
    • 72 Prozent der befragten Unternehmen geben an, dass keine geeigneten Bewerber vorlagen.
    • 28 Prozent sagen, dass überhaupt keine Bewerbungen vorlagen.
    • 30 Prozent der Ausbildungsplätze wurde von den Auszubildenden nicht angetreten.
    • 15 Prozent der Ausbildungsverträge wurden jeweils durch den Ausbildungsbetrieb oder durch den Azubi nach Beginn der Ausbildung aufgelöst.
  • 60 Prozent der Betriebe sehen die Wohnraumsituation als Problem bei der Besetzung ihrer Ausbildungsplätze