IHK Berlin

Versandhandel - Verkäufe an Privatpersonen innerhalb der EU

Bei der Umsatzbesteuerung grenzüberschreitender Warenverkäufe wird grundsätzlich zwischen Lieferungen an zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmen und Lieferungen an Privatpersonen unterschieden. Warenverkäufe an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmen werden grundsätzlich ohne Ausweis der deutschen Umsatzsteuer vorgenommen. Die Umsatzbesteuerung erfolgt dann im Empfangsland auf der Grundlage für die jeweilige Ware geltenden Steuersatzes (Regelfall). Die Umsatzbesteuerung von Warenlieferungen an Privatpersonen im EU-Binnenmarkt (BtoC) folgt folgenden Vorschriften:

Neuregelungen im Versandhandel (neu Fernverkauf) ab 1. Juli 2021 beachten!

Rechtlicher Hintergrund: Bereits am 05. Dezember 2017 hat der Europäische Rat mit Blick auf die zunehmende Bedeutung des Cross-Border-Handels und des jährlichen Mehrwertsteuerverlusts der Mitgliedstaaten von ca. 5 Mrd. € bei Online-Umsätzen das sog. E-Commerce-Paket beschlossen. Als Teil dieses Pakets wurde die Richtlinie (EU) 2017/2455 in Bezug auf bestimmte mehrwertsteuerliche Pflichten für die Erbringung von Dienstleistungen und für Fernverkäufe von Gegenständen verabschiedet. Infolge der Belastung der Wirtschaft durch die Corona-Pandemie wurde der Zeitpunkt des Inkrafttretens vom ursprünglich angedachten 1. Januar 2021 auf Vorschlag der Europäischen Kommission um ein halbes Jahr nach hinten verschoben: Die Neuregelungen treten nun am 1. Juli 2021 in Kraft.
Was gilt bisher?
Bisher gilt beim grenzüberschreitenden Handel innerhalb der EU an Endverbrauchen, dass Online-Händler die Umsatzsteuer in dem Mitgliedstaat schulden, aus dem die Waren an den Verbraucher versendet werden. Dies trifft jedoch nur dann zu, wenn die länderspezifischen Lieferschwellen nicht überschritten werden. Frankreich und Estland haben beispielsweise Lieferschwellen von je 35.000 Euro, Luxemburg 100.000 Euro und Polen 160.000 PLN. Sollten die Umsätze höher liegen, muss sich der deutsche Händler im Empfängerland der Warensendungen registrieren und die Umsatzsteuer des jeweilen Ziellandes dem Kunden in Rechnung stellen.
Beispiel: Ein deutscher Online-Händler versendet jährlich an Verbraucher in Spanien Waren im Wert von 42.000 Euro (netto). Da die Lieferschwelle für Spanien von 35.000 Euro überschritten ist, muss sich der Händler in Spanien steuerrechtlich registrieren und die dortige Umsatzsteuer abführen.
Was ändert sich für Online-Händler?
Mit dem 1. Juli wird die Lieferschwellenregelung durch die Fernverkaufsregelung ersetzt. Gemäß dem neuen § 3c Abs. 1–3 UStG haben Online-Händler die Umsatzsteuer an das Finanzamt des Landes abzuführen, an dem sich die Ware bei Beendigung des Transports an den Endkunden befindet. Dies ist nur der Fall, sofern der Online-Händler die neue Schwelle von 10.000 Euro pro Jahr überschritten hat oder wenn er auf deren Anwendung verzichtet. Der neue Schwellenwert ist nicht beschränkt auf Lieferungen in einen bestimmten Mitgliedstaat, sondern gilt in Summe für alle Lieferungen EU-weit. Für die Prüfung des Schwellenwertes sind nicht nur die Nettowerte für Waren, sondern auch die Umsätze für sog. digitale Dienstleistungen zu addieren. Zu Letzteren Umsätzen zählen u.a. kostenpflichtige Webinare, Downloads von eBooks oder Apps. Sollte die Lieferschwelle von 10.000 Euro hingegen nicht erreicht worden sein, ist die Umsatzsteuer wie bisher im Ursprungsland, also in Deutschland, abzuführen. Als Vereinfachung, damit sich die Händler nicht in allen Mitgliedstaaten registrieren müssen, soll über das Bundeszentralamt für Steuern zukünftig ein sog. One-Stop-Shop (kurz „OSS“) für die Meldung der Fernverkäufe genutzt werden können.

Was gilt bis zum 30. Juni 2021?

Die Umsatzbesteuerung von Warenlieferungen an Privatpersonen im EU-Binnenmarkt folgt prinzipiell anderen Vorschriften als die Besteuerung von Lieferungen zwischen Unternehmen. Lieferungen an Privatpersonen werden im Grundsatz mit Ausweis der deutschen Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. Ausnahmen bestehen bei der Lieferung neuer Fahrzeuge und wenn bestimmte Lieferschwellen überschritten werden.
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union: Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich (+ Monaco), Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Slowakische Republik, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn und Zypern.
Folgende Personen werden wie Privatpersonen behandelt:
  • Unternehmer, die der Kleinunternehmerregelung (§ 19 Abs.1 UStG) unterliegen
  • Unternehmer, die ausschließlich Umsätze ausführen, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führen (steuerfreie Umsätze)
  • Land- oder Forstwirte, die Umsatzsteuer pauschalieren
  • juristische Personen, die nicht Unternehmer sind oder die Ware nicht für ihr Unternehmen beziehen (öffentliche Hand mit ihrem Hoheitsbereich, Vereine in Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Aufgaben).
Hierbei ist allerdings zu beachten, dass diese Rechtssubjekte im Binnenmarkt Privatpersonen lediglich so lange gleichgestellt sind, wie
  • sie nicht zur Erwerbsteuerpflicht "optiert" haben bzw.
  • der Wert der Waren, die sie aus den übrigen EU-Mitgliedstaaten jährlich beziehen, einen bestimmten Betrag nicht überschreitet. Hierbei sind die Warenlieferungen aus den verschiedenen Mitgliedstaaten zusammenzurechnen. Die Höhe dieser Erwerbsschwelle (s. Liefer- und Erwerbsschwellen) richtet sich jeweils nach den Bestimmungen des Mitgliedstaates, in dem der Empfänger ansässig ist.
Folge: Überschreitet eines der vorgenannten Rechtssubjekte die maßgebliche Erwerbsschwelle, gelten hierfür grundsätzlich die selben Regelungen wie für Lieferungen zwischen voll vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmern.
Tipp: Verwendet hingegen eine der angeführten Personen/Rechtssubjekte eine Umsatzsteuer-Identifikations-Nummer, kann davon ausgegangen werden, dass diese Person nicht als Privatperson, sondern als vorsteuerabzugsberechtigtes Unternehmen zu behandeln ist.
Für die Umsatzbesteuerung von Lieferungen an Privatpersonen, die in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässig sind, ist danach zu unterscheiden,
  • ob die Waren in Deutschland vom Verkäufer an den Käufer übergeben werden oder
  • ob diese im Wege des Versands von Deutschland in den anderen EU-Mitgliedsstaat gelangen.

Verkäufe mit Übergabe in Deutschland

Bei dem Verkauf und der Übergabe von Waren an Privatpersonen in Deutschland braucht der deutsche Verkäufer nicht danach zu unterscheiden, ob die Ware in Deutschland verbleibt oder vom Abnehmer in einen anderen EU-Mitgliedstaat verbracht wird. In beiden Fällen findet die Besteuerung im Ursprungsland, d. h. in Deutschland, statt. Für den Unternehmer bedeutet dies, dass er die deutsche Umsatzsteuer zu berechnen und ans Finanzamt abzuführen hat.
Bei Verkäufen an Touristen aus Drittstaaten finden Sie weitere Informationen unter “Export über den Ladentisch”.

Ausnahme: Lieferung von Fahrzeugen

Abweichend vom oben genannten Grundsatz wird der Verkauf von Neufahrzeugen an Privatpersonen bzw. diesen gleichgestellten Personen immer als innergemeinschaftlicher Erwerb behandelt. Im Einzelnen bedeutet dies Folgendes:
  • Die Lieferung des Fahrzeugs ist von der deutschen Umsatzsteuer befreit.
  • In dem EU-Staat, in dem die jeweilige Person das Fahrzeug anmeldet, erfolgt ein inner- gemeinschaftlicher Erwerb, der dort der Erwerbsbesteuerung unterliegt. Schuldner der Erwerbsteuer ist dabei nicht der Verkäufer, sondern der Erwerber des Fahrzeugs. 
Hinweis: Dies gilt unabhängig davon, ob das Fahrzeug vom Verkäufer geliefert oder vom Käufer abgeholt wird.
Für welche Fahrzeuge gilt die Regelung?
  • Motorbetriebene Landfahrzeuge mit einem Hubraum von mehr als 48 Kubikzentimetern oder einer Leistung von mehr als 7,2 Kilowatt
  • Wasserfahrzeuge mit einer Länge von mehr als 7,5 Metern
  • Luftfahrzeuge, deren Starthöchstmasse mehr als 1550 Kilogramm beträgt.
Wann gilt ein Fahrzeug als “neu”?
  • Ein Landfahrzeug, wenn es entweder nicht mehr als 6000 Kilometer zurückgelegt hat oder seine erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als sechs Monate zurückliegt
  • ein Wasserfahrzeug, wenn es nicht mehr als 100 Betriebsstunden auf dem Wasser zu- rückgelegt hat oder wenn seine erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als drei Monate zurückliegt
  • ein Luftfahrzeug, wenn es nicht länger als 40 Betriebsstunden genutzt worden ist oder wenn seine erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als drei Monate zurückliegt.
Neben dem Ausweis der allgemein Pflichtangaben ist bei der Rechnung Folgendes zu beachten:
  • In der Rechnung des Lieferanten darf keine Umsatzsteuer ausgewiesen sein.
  • Es müssen Angaben über die Größe des Fahrzeugs enthalten sein.
  • Es müssen Angaben enthalten sein, aus denen hervorgeht, dass es sich um ein neues Fahrzeug handelt (z. B. bisherige Nutzungsdauer, gefahrene km).

Versand von Ware in andere EU-Mitgliedstaaten

Für Versendungslieferungen an Privatpersonen gelten Sonderregelungen. Eine innergemeinschaftliche Versendungslieferung ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:
  • Die Ware gelangt von Deutschland in einen anderen EU-Mitgliedstaat.
  • Der Transport der Waren wird vom deutschen Unternehmer veranlasst. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn er die Ware selbst transportiert oder einen selbstständigen Dritten mit dem Transport beauftragt, z. B. Spediteur, Kurierdienst, Post.

Besteuerung im Ursprungsland:

Versendungslieferungen werden im Ursprungsland (Deutschland) besteuert, es sei denn, es werden bestimmte Lieferschwellen überschritten.
Voraussetzung für eine Umsatzbesteuerung der Lieferung in Deutschland ist also, dass die Lieferungen in den betreffenden anderen Mitgliedstaat im vorangegangenen oder im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich einen bestimmten Umfang nicht überschreiten. Für die Höhe des Betrages ist dabei immer der von dem jeweiligen Land festgelegte Betrag entscheidend, in dem die Beförderung oder Versendung endet. Anders als bei der Bestimmung der Erwerbsschwelle (vgl. dazu oben) ist hierbei nicht auf den Gesamtbetrag der jährlich erfolgenden Lieferungen in die EU-Mitgliedstaaten insgesamt, sondern auf den jeweils einzelnen Mitgliedstaat abzustellen.
Die derzeit in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Werte ergeben sich aus der folgenden Tabelle.
EU-Mitgliedsstaat
Erwerbsschwellen
Lieferschwellen
Belgien
11.200 €
35.000 €
Bulgarien
20.000 BGN
70.000 BGN
Dänemark
80.000 DKK
280.000 DKK
Deutschland
12.500 €
100.000 €
Estland
10.000 €
35.000 €
Finnland
10.000 €
35.000 €
Frankreich
10.000 €
35.000 €
Griechenland
10.000 €
35.000 €
Irland
41.000 €
35.000 €
Italien
10.000 €
35.000 €
Kroatien
77.000 HRK
270.000 HRK
Lettland
10.000 €
35.000 €
Litauen
14.000 €
35.000 €
Luxemburg
10.000 €
100.000 €
Malta
10.000 €
35.000 €
Niederlande
10.000 €
100.000 €
Österreich
11.000 €
35.000 €
Polen
50.000 PLN
160.000 PLN
Portugal
10.000 €
35.000 €
Rumänien
34.000 RON
118.000 RON
Schweden
90.000 SEK
320.000 SEK
Slowakei
13.941 €
35.000 €
Slowenien
10.000 €
35.000 €
Spanien
10.000 €
35.000 €
Tschechische Republik
326.000 CZK
1.140.000 CZK
Ungarn
10.000 €
35.000 €
Zypern
10.251 €
35.000 €
Hinweis: Die Schwellenwerte können Sie auch im Umsatzsteuer-Anwendungserlass in Abschnitt 3.c nachlesen.

Besteuerung im Bestimmungsland:

Werden die oben angeführten Lieferschwellen überschritten, erfolgt die Besteuerung im Bestimmungsland, in das die Ware versandt wird.
Hinweis: Der deutsche Lieferant hat die Möglichkeit, auch für Lieferungen unterhalb der Lieferschwelle für die Besteuerung im jeweiligen Empfangsland zu optieren. Diese Erklärung ist sowohl gegenüber dem zuständigen deutschen Finanzamt als auch gegenüber der zu- ständigen Finanzbehörde im anderen Mitgliedstaat abzugeben. Der Lieferant ist an die Erklärung für zwei Jahre gebunden.
Rechnungsstellung: Werden die dargestellten Lieferschwellen nicht überschritten, ist in der Rechnung deutsche MwSt. in Rechnung zu stellen.
Unterliegen Versendungslieferungen aufgrund der eben dargestellten Grundsätze der Umsatzbesteuerung in einem anderen EU-Mitgliedstaat, so hat der deutsche Lieferant seinem Kunden die Umsatzsteuer dieses Staates in Rechnung zu stellen. Dies bedeutet, dass er in diesen Fällen nicht die deutsche Umsatzsteuer, sondern die des Empfangslandes ausweisen muss.
Umsatzsteuerpflicht in einem anderen Mitgliedsstaat: Der deutsche Unternehmer kann die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer des Empfangslandes nicht an sein deutsches Finanzamt abführen, sondern muss diese an ein Finanzamt des betreffenden Staates zahlen. Hierzu hat er sich dort umsatzsteuerlich registrieren zu lassen und entsprechende Steuermeldungen bzw. -erklärungen abzugeben.
Die meisten EU-Mitgliedstaaten verlangen in diesen Fällen, dass der deutsche Unternehmer zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten einen Steuervertreter, einen so genannten Fiskalvertreter, im jeweiligen Staat zu bestellen hat. Informationen erteilt die deutsche Auslandshandelskammer im betreffenden Mitgliedstaat.
Ausnahmen gelten für verbrauchsteuerpflichtige Waren. Für Lieferungen von Mineralöl, Alkohol, alkoholischen Getränken und Tabakwaren gilt Folgendes:
Erfolgt die Lieferung an eine Privatperson, ist diese vom deutschen Unternehmer unabhängig vom Übersteigen der Lieferschwelle stets im Bestimmungsland der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen (vgl. S. 5: Besteuerung im Bestimmungsland). Erfolgt die Lieferung an eines der angeführten Rechtssubjekte, die bis zum Überschreiten bestimmter Erwerbsschwellen Privatpersonen gleichgestellt sind, so ist die Ware von ihm als Empfänger im Bestimmungsland der Erwerbsbesteuerung zu unterziehen (vgl. S. 1: Andere Rechtssubjekte).

Verkäufe an Privatpersonen außerhalb der EU

Bei Verkäufen an Privatpersonen außerhalb der EU muss im Gegensatz zu Lieferungen innerhalb der EU nicht zwischen dem Verkauf an Unternehmen und solchen an Privatpersonen unterschieden werden. Generell gilt für alle Lieferungen in ein Land außerhalb der EU eine Befreiung von der Umsatzsteuer, unabhängig davon, wer der Abnehmer im Drittland ist. Folglich knüpfen sich bei Verkäufen an Privatpersonen die gleichen Rechtsfolgen und Bedingungen an, wie bei Verkäufen an Unternehmen außerhalb der EU.
Siehe Merkblatt zur Umsatzsteuer „Warenhandel zwischen Unternehmen außerhalb der EU“. Die dortigen Ausführungen gelten für Verkäufe an Privatpersonen außerhalb der EU entsprechend.
Dieses Merkblatt soll erste rechtliche Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit.