Recht und Steuern

Steuerfreie Warenlieferungen in der EU zwischen Unternehmen

Warenverkäufe an Unternehmer in anderen EU-Staaten werden grundsätzlich ohne Ausweis der deutschen Umsatzsteuer vorgenommen. Die Umsatzbesteuerung erfolgt dann im Empfangsland auf der Grundlage des dort geltenden Steuersatzes (Regelfall). Umgekehrt unterliegt der Erwerb von Waren aus dem EU-Ausland in Deutschland der Besteuerung. Dies entspricht dem EU-weit geltenden „Bestimmungslandprinzip“: Steuerbefreiung der Warenlieferung im Ursprungsland und Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland.
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich (+ Monaco), Griechenland, Kroatien (ab 01. Juli 2013), Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakische Republik, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn, Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland, Zypern
Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland ist ab dem 1.1.2021 als Drittland zu behandeln. Zu weiteren Informationen siehe Brexit und USt
Das Merkblatt ist ein Serviceangebot für Mitgliedsunternehmen der IHK Berlin. Es enthält erste rechtliche Hinweise und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit.

Voraussetzungen für die Steuerfreiheit

Ein deutscher Unternehmer, der Waren von der Bundesrepublik Deutschland an einen Unternehmer in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union liefert, ist regelmäßig von der Umsatzsteuerpflicht befreit. Im Einzelnen müssen hierzu folgende Voraussetzungen vorliegen:
  • die gelieferte Ware ist in einen anderen EU-Mitgliedstaat gelangt (für den Fall, dass sich Lieferer und Abnehmer den Transport teilen, s.
  • der Abnehmer ist ein Unternehmer (diese Voraussetzung wird durch die Verwendung einer Umsatzsteueridentifikationsnummer (USt-IdNr.) eines anderen Mitgliedstaates dokumentiert)
  • der Abnehmer hat den Gegenstand für sein Unternehmen erworben
  • der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung, d. h. der Abnehmer ist verpflichtet, in einem anderen EU-Staat die Erwerbsbesteuerung durchzuführen.

Rechnungsstellung bei Steuerbefreiung

Unternehmen, deren Warenlieferungen aufgrund der vorstehend genannten Voraussetzungen umsatzsteuerbefreit sind, müssen auf ihren Rechnungen über die steuerfreien Umsätze neben den allgemein üblichen Angaben zusätzlich folgende Punkte vermerken:
  • Hinweis auf Steuerbefreiung der Lieferung (es genügt die umgangssprachliche Umschreibung), beispielsweise "steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung"
  • eigene USt-IdNr.
  • USt-IdNr. des Abnehmers: Die vom Lieferanten und vom Abnehmer verwendeten USt-IdNrn. müssen für den Regelfall von jeweils unterschiedlichen Mitgliedstaaten erteilt worden sein.

Erteilung einer USt-IdNr.

Die Erteilung einer USt-IdNr. erfolgt grundsätzlich auf Antrag durch das Bundeszentralamt für Steuern entweder über das Internet oder schriftlich unter folgender Anschrift
Bundeszentralamt für Steuern
Dienstsitz Saarlouis
66738 Saarlouis
Fax: +49-(0)228 406-3801
Bei einer Firmenneugründung kann die Erteilung einer USt-IdNr. direkt beim zuständigen Finanzamt beantragt werden. Im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung, welchen Neugründerinnen bzw. Neugründer bei Ihrem zuständigen Finanzamt einreichen, ist zu diesem Zweck ein entsprechendes Feld anzukreuzen. Dieser Antrag wird, zusammen mit den erforderlichen Angaben über die Erfassung für Zwecke der Umsatzsteuer, an das Bundeszentralamt für Steuern weitergeleitet.

Nachweispflichten

Bedingung für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung ist der Nachweis, dass die o. g. Voraussetzungen nachgewiesen werden. Kann der Nachweis nicht geführt werden, darf die Steuerbefreiung nicht in Anspruch genommen werden. Der Nachweis muss als Doppelnachweis geführt werden: Belegnachweis und Buchnachweis.

a) Belegmäßiger Nachweis

Der Lieferant ist grundsätzlich verpflichtet, durch Belege nachzuweisen, dass die gelieferte Ware tatsächlich in einen anderen EU-Mitgliedstaat gelangt ist. Hierbei unterscheidet das Umsatzsteuerrecht zwischen Warenbewegungen im Wege der Beförderung und Warenbewegungen im Wege der Versendung.
(1) Beförderung
Eine Beförderung liegt vor, wenn die Ware vom Lieferanten oder vom Abnehmer selbst in den anderen EU-Mitgliedstaat verbracht wird, z.B. durch eigene Werk-Lkws von Lieferer oder Abnehmer. In diesem Fall sind in der Regel folgende Belege erforderlich:
  • Doppel der Rechnung und
  • eine sogenannte Gelangensbestätigung
Die Gelangensbestätigung ist eine Bestätigung des Abnehmers gegenüber dem Unternehmer oder dem mit der Beförderung beauftragten selbständigen Dritten, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist. Dieser Beleg muss enthalten:
  • Name und Anschrift des Abnehmers (das heißt in der Regel des Vertragspartners),
  • Menge und handelsübliche Bezeichnung des Liefergegenstands; ist der Liefergegenstand ein Fahrzeug auch die Fahrzeug-Identifikationsnummer,
  • Ort und Monat (nicht Tag genau erforderlich) des Erhalts des Gegenstands im Gemeinschaftsgebiet bzw., wenn die Ware vom Abnehmer selbst verbracht wird, des Endes der Beförderung im Gemeinschaftsgebiet. Der Ort muss nach Land und Gemeinde genau angegeben werden.
  • Ausstellungsdatum der Bestätigung sowie
  • Unterschrift des Abnehmers oder eines von ihm zur Abnahme Beauftragten, wie z.B. ein zuständiger Mitarbeiter oder bei Ablieferung in einem Lager auch der Lagerhalter.
Es wird keine bestimmte Form der Gelangensbestätigung vorgeschrieben. Sie kann auch aus mehreren Dokumenten bestehen. Die im BMF-Schreiben vorgelegten Muster müssen nicht zwingend verwendet werden. Bei elektronischer Übermittlung der Gelangensbestätigung ist die Unterschrift des Abnehmers nicht erforderlich, wenn erkennbar ist, dass die Bestätigung aus dem Verfügungsbereich des Abnehmers/Beauftragten stammt. Weiterhin sind Sammelbestätigungen für alle Lieferungen eines Quartals möglich; auf die taggenaue Angabe der Ablieferung wurde zugunsten einer Monatsangabe verzichtet. Bei Reihengeschäften kann der Abnehmer sowie der Endempfänger die Bestätigung abgeben. Generell soll die Unterschrift eines zur Abnahme der Ware Beauftragten ausreichend sein. Ein mit dem Warentransport beauftragter selbständiger Dritter (z. B. Spediteur) ist nicht als solcher anzusehen.
Tipp: Vorausgefülltes Dokument per E-Mail an den Kunden senden, das nur um den Zeitpunkt des Erhalts der Ware sowie das Ausstellungsdatum ergänzt und zurückgesendet wird. Die Rechnungsnummer sollte zudem mit aufgenommen werden, so dass ein Bezug zur Rechnung hergestellt werden kann.

(2) Versendung: Eine Versendung liegt vor, wenn die Ware durch einen vom Lieferanten oder vom Kunden beauftragten selbstständigen Dritten (zum Beispiel Spediteur, Kurierdienst beziehungsweise Post oder Bahn) in den anderen Mitgliedstaat verbracht wird. In diesen Konstellationen sind in der Regel folgende Belege erforderlich:
  • Doppel der Rechnung und
  • eine so genannte Gelangensbestätigung (s.o.) oder alternative Versendungsbelege
Alternative Versendungsbelege zur Gelangensbestätigung sind:
  • handelsrechtlicher Frachtbrief, der vom Auftraggeber des Frachtführers unterzeichnet ist und der die Unterschrift des Empfängers als Bestätigung für den Erhalt der Ware enthält, CMR-Frachtbrief mit einer Empfängerunterschrift in Feld 24, Konnossement
  • Spediteursbescheinigung mit folgenden Angaben:
    • den Empfänger des Transports und den Ort des Transportendes
    • Bestätigung, dass die Ware zu einem bestimmten Zeitpunkt (Monat des Endes der Beförderung) im EU-Ausland abgeliefert wurde
    • Versicherung, dass die Angaben in den Geschäftsunterlagen der Spedition in EU nachprüfbar sind
    • Unterschrift (maschinelle Erstellung möglich, dafür aber Genehmigung durch Finanzbehörde notwendig)
  • sog. Verbringensversicherung (§ 17a Abs. 3 Nr. 2 UStDV): bei Versendung des Liefergegenstands durch den Abnehmer: Nachweis über die Bezahlung des Liefergegenstands von einem Bankkonto des Abnehmers zusammen mit einer Bescheinigung des beauftragten Spediteurs, in der dieser versichert, dass er den Gegenstand der Lieferung an den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet befördern wird
  • bei Beförderung durch Kurierdienste: elektronische oder schriftliche Auftragserteilung an einen Kurierdienst und Sendungsprotokoll des mit der Beförderung Beauftragten, das den Transport lückenlos bis zur Ablieferung beim Empfänger nachweist (sog. Tracking and Tracing -Protokoll); vereinfachter Nachweis bei Nichtübersteigen des (Gesamt-)Wertes von 500 Euro: schriftl. oder elektr. Auftragserteilung + Nachweis über Entrichtung der Gegenleistung für die Lieferung des Gegenstandes
  • bei Postsendungen der Einlieferungsschein für Postdienstleistungen (Empfangsbestätigung eines Postdienstleisters über die Entgegennahme der Sendung) zusätzlich mit einem Beleg über die Bezahlung des Liefergegenstands
    Tipp: Die Tracking-Protokolle der einzelnen Paket- und Kurierdienste sind in der Regel nur wenige Monate online abrufbar sind, dies entspricht also nicht den verpflichtenden Aufbewahrungsfristen. Es empfiehlt sich daher, die Angaben in ausgedruckter oder elektronischer Form zu archivieren.
  • bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren ein entsprechender Beleg der Zollverwaltung (EMCS-Eingangsvermerk bzw. vereinfachtes Begleitdokument)
  • beim Sonderfall des EU-Exports von für den Straßenverkehr zulassungspflichtigen Fahrzeugen, die vom Kunden selbst abgeholt werden: der Nachweis der Zulassung des Fahrzeugs auf den Erwerber im Bestimmungsmitgliedstaat; dies gilt sowohl für neue als auch für gebrauchte Kraftfahrzeuge. Es gilt nicht, wenn das Fahrzeug durch einen Dritten transportiert wird.
Bei den Abholfällen, d.h. der Kunde befördert die Ware selbst bzw. holt beim Lieferanten ab, reicht (abgesehen von der zuvor genannten Variante der Spediteursbescheinigung) eine Verbringensversicherung im Zeitpunkt der Abholung nicht aus. Vielmehr muss nach Beendigung der Beförderung der Transport ins EU-Ausland anhand der Gelangensbestätigung nachgewiesen werden.
Die Belegnachweise müssen sich grundsätzlich im Besitz des nachweispflichtigen Unternehmers befinden und zehn Jahre aufbewahrt werden. Für den Zeitpunkt des Belegnachweises gilt, dass die Belege ggf. noch bis zur Bestandskraft der Steuerfestsetzung beigebracht werden können (letztmöglicher Zeitpunkt ggf. die mündliche Verhandlung vor dem Finanzgericht). Soweit die Belege nicht von vornherein vorliegen, ist auf ihr Fehlen bei der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung oder der Umsatzsteuerjahreserklärung im Vorgriff auf die zu erwartende Steuerfreiheit hinzuweisen. Durch diese Hinweispflicht soll sichergestellt werden, dass das Finanzamt die Nachweismängel kennt und die Vervollständigung der Belege überwacht. Unterbleibt der Hinweis, macht sich der Unternehmer bei Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen der Steuerhinterziehung schuldig, auch wenn die Nachweise nachträglich noch beigebracht werden.

b) Buchmäßiger Nachweis

Der Lieferer muss weiterhin buchmäßig die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nachweisen. Hierzu hat er Folgendes aufzeichnen:
  • ausländische UStIdNr. des Abnehmers
  • Name und Anschrift des Abnehmers
  • Name und Anschrift des Beauftragten des Abnehmers bei einer Lieferung, die im Einzelhandel oder in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise erfolgt
  • Gewerbezweig oder Beruf des Abnehmers
  • handelsübliche Bezeichnung und Menge des Liefergegenstandes inklusive Fahrzeug-Identifikationsnummer bei Fahrzeugen.
  • Tag der Lieferung
  • vereinbartes Entgelt oder bei Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten das vereinnahmte Entgelt und den Tag der Vereinnahmung
  • Art und Umfang einer Bearbeitung oder Verarbeitung vor der Beförderung oder Versendung
  • Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet
  • Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet

Sonstige Erklärungs- und Meldepflichten

Der Lieferant muss die Bemessungsgrundlagen seiner steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung jeweils in der Umsatzsteuervoranmeldung und in der Umsatzsteuererklärung gesondert anführen.
Des Weiteren muss er diese - für jeden Kunden separat - nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck in der Zusammenfassenden Meldung angeben beim Bundeszentralamt für Steuern. Informationen zur Zusammenfassenden Meldung  finden Sie im Internetangebot der Bundeszentralamts für Steuern.
Regelmäßig ist die Meldung bis zum 25. Tag des Folgemonats der Lieferung abzugeben.
Soweit die Summe der innergemeinschaftlichen Lieferungen und Dreiecksgeschäfte weder für das laufende Kalendervierteljahr noch für eines der vier vorangegangenen Kalendervierteljahre jeweils mehr als 50.000 Euro beträgt, kann die Zusammenfassende Meldung wie bislang quartalsweise abgegeben werden und zwar bis zum 25. Tag nach Ablauf des Quartals. Es ist jedoch möglich, auch unterhalb der Meldeschwelle (freiwillig) monatliche Meldungen abzugeben.
Vorsicht: Bitte melden Sie die Umsätze rechtzeitig beim Bundeszentralamt für Steuern! Die verspätete Meldung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die das Bundeszentralamt in jüngster Zeit verstärkt verfolgt.
Außerdem muss der Unternehmer seine innergemeinschaftlichen Lieferungen monatlich im Rahmen der Intrastat-Meldungen dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden mitteilen, sofern der Wert der Lieferungen bzw. Erwerbe im Vorjahr 500.000 Euro überschritten hat. Die Auskunftspflicht tritt auch bei Überschreitung dieser Schwelle im laufenden Kalenderjahr ein und zwar in dem Monat, der auf den Monat der erstmaligen Überschreitung folgt.

Abfrage der ausländischen USt.-IdNr.

Nach dem geltenden Umsatzsteuerrecht ist der Unternehmer verpflichtet, die Angaben des Abnehmers mit der „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns” zu prüfen. Aufgrund der insoweit strikten Handhabung der Finanzverwaltung muss der Unternehmer, um sich so weit als möglich vor Haftungsrisiken zu sichern, die Angaben des Erwerbers überprüfen. Hierzu wendet er sich an das Bundeszentralamt für Steuern. Dieses bestätigt auf Anfrage die Gültigkeit einer USt-IdNr. sowie den Namen und die Anschrift der Person, der die USt-IdNr. von einem anderen Mitgliedstaat erteilt wurde. Das Bestätigungsverfahren kann über eine Abfragemaske auf der Homepage des Bundeszentralamts für Steuern eingeleitet werden. Bitte beachten Sie dabei, dass Sie Vertrauensschutz nur über die qualifizierte Bestätigungsabfrage erhalten können.

Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland

Der Erwerb von Waren von Unternehmern aus anderen EU-Staaten unterliegt in Deutschland der Umsatzsteuer (Bestimmungslandprinzip).
Auf den in der Rechnung des ausländischen Unternehmers ausgewiesenen Nettobetrag hat der deutsche Unternehmer die deutsche Umsatzsteuer selbst zu berechnen und in der Umsatzsteuer-Voranmeldung abzuführen. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs, so dass der Unternehmer wirtschaftlich nicht belastet ist.
Tipp: Angaben in der Umsatzsteuer-Voranmeldung:
Zeilen 33-35: Steuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe
Zeile 57: Abziehbare Vorsteuerbeträge aus innergemeinschaftlichen Erwerben


Stand: Juli 2019