Fokus

Strahlkraft

Berlin kann von Events wie der Expo 2035 mehrfach profitieren. Durch nachhaltige Investitionen in Infrastruktur, umsatzstarke Besucherströme – und Imagegewinn.
Rund um den Erdball sind Städte im Begriff, sich zu nachhaltigen Metropolen zu entwickeln. Egal ob intelligente Straßenlaternen, die dank Bewegungssensoren nur bei Bedarf leuchten, durchdachte Systeme zur effizienten Nutzung von Regenwasser oder öffentliche Abfalleimer mit drahtloser Verbindung zur einfachen Überwachung der Füllstände: Immer mehr innovative und nachhaltige Lösungen kommen weltweit auf den Markt. Sie treiben die digitale und ökonomische Transformation voran. Für ­Berlin gibt es sogar schon einen festen Termin, bis die Transformation hin zur klimaneutralen Metropole abgeschlossen werden soll. Die Hauptstadt hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2045 klimaneutral zu sein. Allerdings fehlt es in Berlin an Strukturen, Prozessen und Strategien, mit denen dieser Übergang verlässlich gelingen kann. Auch das Tempo der nachhaltigen Transformation ist nicht schnell genug, um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Es sind also neue Wege gefragt, um in Bereichen wie Stadtentwicklung, Mobilität oder der Vision Smart City mehr Dynamik zu entfachen. Aber was könnte bei der Vielzahl an ­Herausforderungen ein Booster für die nachhaltige Transformation der deutschen Hauptstadt sein?

Nachhaltige Transformation

„Die Organisation einer Großveranstaltung wie die Expo 2035 könnte eine Reihe von Möglichkeiten bieten, um eine nachhaltige ­Transformation in Berlin zu fördern“, ist Robert Rückel überzeugt. „Schon die Vorbereitung auf eine Expo erfordert oft umfangreiche Investitionen in die städtische Infrastruktur, wie beispielsweise den Ausbau öffentlicher ­Verkehrsmittel, den Bau von Grünflächen und die Modernisierung von Gebäuden“, so der Vizepräsident der IHK Berlin. „Diese Investitionen könnten in einer Weise durchgeführt werden, die nachhaltige Prinzipien betont, indem beispielsweise energieeffiziente Gebäude, umweltfreundliche Verkehrslösungen und nachhaltige Wassernutzung integriert werden.“
Der Erfolg eines solchen Events für Berlin würde also bereits lange vor Beginn der eigentlichen Veranstaltung aufgrund der langfristigen Umsetzung vorgeschlagener Ideen und Prinzipien großen Schwung geben, die regionale Wirtschaft ankurbeln und neue Arbeitsplätze schaffen. „Aber auch die Weltausstellung selbst könnte noch einmal einen erheblichen wirtschaftlichen Schub bringen, indem sie Investitionen, Innovationen und den Tourismus fördert“, sagt Robert Rückel. „Ebenfalls würde eine Expo 2035 dazu beitragen, das Image von Berlin und Deutschland weltweit zu verbessern, die Stadt als wichtigen sowie weltoffenen Standort für Kultur, Wissenschaft, Nachhaltigkeit sowie Wirtschaft zu positionieren und dadurch auch das Interesse von internationalen Unternehmen und Investoren zu steigern.“
Die Idee einer Expo in Berlin stammt vom ehemaligen IHK-Präsidenten Daniel-Jan Girl, der die Vision einer nachhaltigen dezentralen Weltausstellung Anfang 2022 in einem Gastbeitrag für eine Tageszeitung skizziert hatte und seither zahlreiche Unterstützer fand. Wie chancenreich die Ausrichtung einer Weltausstellung ist, zeigt nicht zuletzt auch ein Blick auf Städte wie Mailand oder Hannover. Beide hießen in diesem Jahrtausend im Rahmen von Weltausstellungen Millionen von begeisterten Besuchern willkommen – und konnten sich zudem über Investitionen in ihre Infrastruktur freuen, die bis heute nachwirken. Grundsätzlich könnte die Expo 2035 in einem größeren Maßstab also zeigen, was auch andere Großveranstaltungen attraktiv macht: Im Kern geht es darum, Menschen die Möglichkeit zu geben, sich persönlich zu treffen, Kontakte zu knüpfen und sich über neue Trends sowie Ideen auszutauschen. Richtig gemacht, ist das Geschäftsmodell bis heute ein Erfolgsrezept und ein Impulsgeber für Wirtschaft und Standort.

Zusätzliche Kaufkraft

Schon allein am Beispiel des Messegeschäfts lässt sich erkennen, dass sich Investitionen für die Stadt lohnen. „Unsere Volkswirte haben errechnet, dass ein Euro Messe- und Veranstaltungsumsatz rund sechs Euro zusätzliche Kaufkraft in Berlin erzeugt“, sagt Hinrich Holm, Vorstandsvorsitzender der Investitionsbank Berlin (IBB). „Die Messe Berlin ist also ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Berlin.“ Das ist auch das Ergebnis einer neuen Studie zur wirtschaftlichen Bedeutung des Messe- und Kongressstandorts Berlin. Die Volkswirte der IBB haben darin die Auswirkungen von großen Fachveranstaltungen und Messen auch auf die umliegende Wirtschaft berechnet. Insgesamt führen der Konsum der Messe- und Kongressgäste sowie die Ausgaben der Aussteller laut der Studie zu einem Kaufkraftgewinn von 1,35 Mrd. Euro. Dadurch erhält die ganze Stadt einen Schub. Investitionen in touristische Attraktivität und wirtschaftliche Entwicklung bringen der Stadt also immer etwas zurück.
Parallel dazu gewinnen Veranstaltungsorte durch große Events auch international an Strahlkraft. „Immer wenn Berlin die Möglichkeit hat, sich als weltoffene und begeisterte Metropole zu präsentieren, profitiert die Stadt mit ihren Event-Locations“, weiß Emanuel Höger. „Die Bilder und Nachrichten von den Special Olympics World Games oder internationalen Leitmessen wie IFA, ITB oder InnoTrans gehen um die ganze Welt und erzeugen Lust, selbst nach Berlin zu kommen“, fügt der Unternehmenssprecher der Messe Berlin GmbH hinzu. Veranstalter großer Events schauen nach seiner Überzeugung aber nicht nur auf schöne Bilder. Zu den zentralen Faktoren zählten die Bedingungen vor Ort für Aussteller und die Besucher. „Besonders wichtige Kriterien sind die Infrastruktur auf dem Gelände, die Erreichbarkeit, internationale Anbindungen mit Bahn und Flugzeug oder auch die Verfügbarkeit von Hotels und Gastronomie“, erklärt Höger. „Der gesamte Mix muss stimmen und sich im internationalen Wettbewerb behaupten.“
Ebenso spielen sowohl im weltweiten Wettbewerb um die Ausrichtung attraktiver Großveranstaltungen als auch bei den Bemühungen um eine nachhaltige Transformation Berlins die  Dienstleister aus der MICE-Branche eine wichtige Rolle. Erst durch die umfangreiche Palette attraktiver Lösungen vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen aus diesem Wirtschaftszweig rund um die Organisation und Durchführung von Tagungen, Anreiz- und Motivationsveranstaltungen oder Kongressen werden qualitativ hochwertige Events möglich. Immer mehr dieser Dienstleister integrieren das Thema Nachhaltigkeit in ihr Business. So haben es sich etwa die mehr als 200 im Berlin Event Network zusammengeschlossenen Unternehmen zum Ziel gesetzt, die Hauptstadt zu einer der nachhaltigsten und innovativsten Veranstaltungsmetropolen der Welt zu machen.
„Wir kennen unsere Möglichkeiten, wissen, was zu tun ist, und sind uns bewusst, dass unsere Unternehmen mittelfristig nur nachhaltig am Start sein werden“, betont Marc ­Mundstock. „Hier braucht es die unternehmerische Entscheidung eines jeden von uns, im Rahmen einer machbaren Entwicklung nur noch nachhaltig zu agieren“, ergänzt der Geschäftsführer des Netzwerks. „Das schließt dann sicher auch Preisdumping irgendwann mal aus und rückt die Qualität und inhaltliche Unterschiede in den Fokus.“ An Kunden richtet Mundstock die Bitte, nur nachhaltige Angebote zu buchen. Gut, wenn diese Bitte auch bei Buchungen rund um eine Expo 2035 Berücksichtigung fände.
Von Jens Bartels