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Alle sind in der Verantwortung

Der Senat will die Anzahl von Ausbildungsverträgen an eine Umlage für Unternehmen koppeln – solche Vorstellungen gehen an der Wirklichkeit vorbei.
Die IHK Berlin sieht Teile der Eckpunkte zum Bündnis für Ausbildung kritisch. Vor allem die Kopplung von 2.000 zusätzlich unterzeichneten Ausbildungsverträgen bis 31. August 2025 mit der Ausbildungsumlage verkenne die tatsächliche Lage auf dem Ausbildungsmarkt, kritisiert IHK-Präsident Sebastian Stietzel. Die Unternehmen können und wollen zwar mehr Ausbildungsangebote schaffen, haben aber keinen Einfluss darauf, ob Jugendliche die Angebote auch annehmen. Hier seien zum Beispiel die Schulen und Jugendberufsagenturen in der Pflicht, sowohl die Ausbildungsreife als auch die Berufsorientierung und Vermittlung zu steigern. Außerdem hat laut aktueller Ausbildungsumfrage der IHK ein Drittel der befragten Unternehmen angegeben, dass ihre Azubis, obwohl sie den Ausbildungsvertrag bereits unterzeichnet hatten, die Stelle gar nicht angetreten haben.

Bessere Beratung notwendig

Wie Sebastian Stietzel betont, seien aktuell fast 15.000 freie Ausbildungsplätze auf der Website ­ausbildung.berlin ausgeschrieben. „Die Zahl belegt mehr als eindrücklich, dass die wahren Herausforderungen woanders liegen – und Zielvorgaben allein weder den Jugendlichen noch den suchenden Unternehmen helfen.“ Noch einmal wies der IHK-Präsident auf die Notwendigkeit einer besseren Berufsorientierung während der Schulzeit hin. Auch „die Beratung von Jugendlichen auf Ausbildungsplatzsuche muss ausgebaut werden, und es braucht neue Wege, um Jugendliche für Ausbildung zu begeistern“. Die Berliner Wirtschaft sei gerne bereit, ihren Teil beizusteuern, und sie unternehme dafür bereits erhebliche Anstrengungen. Doch „das Bündnis für Ausbildung kann nur funktionieren, wenn alle Beteiligten gemeinsam das Ziel verfolgen, mehr Jugendliche in Ausbildung zu bringen. Gelingt das, ist es ein großer gemeinsamer Erfolg - gelingt es nicht, muss allen klar sein, dass alle Beteiligten die Verantwortung tragen und nicht die Wirtschaft als einzelner Bündnispartner“.
Zu den Maßnahmen der Berliner Wirtschaft für eine Steigerung der Vertragszahlen gehört unter anderem die im vergangenen Jahr gestartete Ausbildungsoffensive der Berliner Wirtschaft. Ziel ist es, die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen und mehr Jugendliche für eine duale Ausbildung zu gewinnen. Dazu gehören die Entsendung von Ausbildungsbotschaftern an Schulen sowie die aktuell laufende Praktikumswoche, um mehr Jugendlichen Einblicke in das Berufsleben zu ermöglichen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die gezielte Ansprache und Beratung von Unternehmen, um sie für Ausbildungsaktivitäten zu gewinnen. Auch der 2020 eröffnete Talente-Check Berlin, der Achtklässler bei der Berufsorientierung unterstützt, ist auf Initiative der IHK Berlin entstanden.
von Claudia Engfeld